Im Netz finden sich einige Apps, die psychologische Betreuung versprechen.
Im Netz finden sich einige Apps, die psychologische Betreuung versprechen.
© Getty Images/iStockphoto/Boarding1Now/iStockphoto

Lebenshilfe

Psychotherapie für die Hosentasche

Auch mit dem seelischen Wohlbefinden wird mittlerweile im Internet gearbeitet und auch Geld verdient. Manche Apps und Online-Portale bieten Beratung und Hilfe gegen Depression oder Angstzustände, andere kümmern sich um Beziehungsprobleme oder generelle Lebenstipps. Das Angebot hat sich in den letzten Jahren stetig erweitert, vor allem in den USA sprießen Apps dieser Art unaufhaltsam aus dem Boden. Die Methoden sind dabei durchaus umstritten. Es finden sich aber auch einige Programme, die auf wissenschaftlichen Hintergrund setzten und ihre Aufgabe professionell angehen.

Schon mehr als fünf Jahre ist der PTSD Coach als App verfügbar. Die vom US Department für Veterans Affairs entwickelte Anwendung wurde mit dem Blick auf die psychologischen Folgeerkrankungen von Veteranen und im Militär dienenden Personen entwickelt, kann aber auch explizit von Personen außerhalb des Militärs genutzt werden. Kerngebiet des Coaches ist die Hilfe für Menschen mit Posttraumatischer Belastungsstörung.

Die Anwendung teilt sich dabei in vier Kerngebiete auf: im Bereich "Learn" kann mehr über die Erkrankung gelesen werden. Über das "Self Assessment" bekommt man verschiedene Fragen gestellt, die eine Einschätzung liefern, was den eigenen Zustand in Sachen PTSD angeht. Um seelischer Anspannung schnelle Abhilfe zu leisten, bekommt man über "Manage Symptoms" Tipps und Tricks wie Atemübungen, positive Selbsthilfe sowie Aggressionsbewältigung zur Verfügung gestellt. Der PTSD Coach legt dabei aber Wert darauf, dass er professionelle Hilfe etwa durch einen Psychotherapeuten nicht ersetzen kann. Es gibt eine eigene Sektion, um die richtigen Ansprechpartner zu finden.

Zu beachten ist, dass die App nur auf Englisch verfügbar ist. Sie kann kostenlos für iOS und Android heruntergeladen werden.

Die bunte gestaltete App SuperBetter kümmert sich in erste Linie um kurzfristige Durchhänger bzw. Selbstzweifel und dem generellen Aufbau einer positiven Lebenseinstellung. Die Anwendung versteht sich dabei als eine Art Spiel, dass für verschiedene Problemstellungen teilweise recht eigenwillige Aufgaben stellt. Zu den Problemstellungen zählen unter anderem Angstzustände, Übergewicht, der Kampf gegen Depressionen oder Überforderung etwa vor einer Prüfungssituation oder einem wichtigen Ereignis.

Je nach Problem werden dann unterschiedliche Aufgaben vorgeschlagen, die erledigt werden können um das eigene Wohlbefinden zu steigern. Dazu zählen unter anderem physische Aktivitäten wie „Selbst umarmen“, „zum Lieblingssong tanzen“, aber auch mentale Tipps. „Ich liebe mich“ schlägt beispielsweise vor, sich selber so zu lieben, wie die eigene Familie oder die eigenen Haustiere.

Wer etwas mehr als nur eine Liste benötigt, kann sogenannte „PowerPacks“ aktivieren, die sich an bestimmte Probleme wie Stress oder Angst richten. Darin enthalten sind spezielle Entspannungstechniken oder einfach nur Hintergrundinfos, wie Angst entsteht und wie sie bekämpft werden kann.

Hinter SuperBetter steckt trotz des verspielten Ansatzes aber wissenschaftlicher Hintergrund. Die Aufgaben werden mit dem Input von Forschern der Universitäten Standford, California, Berkeley und Pennsylvania entwickelt. Regelmäßig nehmen Nutzer der App auch an Studien teil, die dabei eine Reduktion von Depressionen bescheinigen konnten.

SuperBetter ist kostenlos für iOS und Android verfügbar.

Auf Depressionstherapie fokussiert ist die App Arya. Entwickelt wurde die Anwendung von Kristina Williams, die während ihrer eigenen Therapie mit der Entwicklung begann. Grundsätzlich setzt Arya auf ein Stimmungstagebuch, welches durch individuelle Aktivitäten beeinflusst werden kann. Die Idee dabei ist, die eigene Seele und das Zusammenspiel mit dem Körper besser kennenzulernen, um negativen Gefühlen entgegenwirken zu können.

Im Mittelpunkt von Arya steht das Gefühlstagebuch. Via Stimmungsprotokoll kann dabei detailliert festgehalten werden, wie die Gefühlswelt an einem bestimmten Tag oder zu unterschiedlichen Tageszeiten aussieht. Zuerst kann dabei auf einer Skala mittels Smiley-Faces die eigene Grundstimmung festgehalten werden. Auf einem virtuellen Körper können dann einzelne Körperteile angetippt werden, um den Regionen verschiedenen Schmerzgefühle zuzuordnen.

Von Kopf- zu Gelenkschmerzen bis hin zu Kribbeln, Kloß im Hals oder Kälte lassen sich unzählige Gefühle festhalten. Mittels individuellem Eintrag können dann noch Gedanken oder Situationen beschrieben werden, die den Eintrag komplettieren. Falls gewünscht, erinnert die App regelmäßig an das Stimmungsprotokoll, wobei Einträge dreimal täglich empfohlen werden. Die Stimmungsprotokolle können dann per E-Mail zusammengefasst an eine Vertrauensperson oder Therapeuten gesendet werden.

Neben dem Kennenlernen des eigenen Körpers setzt Arya aber auch auf gezielte Aktivitäten. Mittels Toolbox lassen sich beispielsweise „ins Grüne fahren“ oder „etwas basteln“ zu einer Liste von Dingen hinzufügen, die man gerne öfters machen möchte. Außerdem enthält die App noch eine Leseliste mit hilfreicher und zum Thema passender Literatur.

Arya ist kostenlos für iOS und Android verfügbar.

Ein Rundumprogramm versucht die Online-App Velibra liefern. Diese möchte dabei eine Art digitaler Psychotherapeut sein, der sich langsam in die Seelenmitte erfragt. Nach einer ersten Registrierung fragt Velibra allerhand Fragen, um sein Gegenüber besser kennenzulernen. Das Erstgespräch dauert dabei fast eine Stunde, in der die Frage „Wie fühlen sie sich“ genauso dazugehört wie persönliche Einschätzungen zu Umfeld und Lebensstil. Die Fragen werden dabei relativ allgemein gestellt, um die Beantwortung der Fragen nicht zu sehr einzuschränken, da die Antwortmöglichkeiten zwar umfangreich, aber vorgefertigt sind.

Wohl auch weil es „nur“ ein Computer-Programm ist, versucht Velibra immer wieder, seinen Nutzern die Angst zu nehmen. Mit Sätzen wie „Sie sind nicht alleine“ versucht das Online-Programm ein gewisses Unbehagen im Gespräch mit einem Computer zu nehmen. Velibra versucht dabei explizit eine Beziehung zu seinem Gesprächspartner aufzubauen, um die benötigte Vertrauensgrundlage für entsprechende Hilfe bieten zu können.

Velibra verfolgt bei seiner Arbeit einen transdiagnostischen Ansatz, kann sich also an individuelle Angststörungen anpassen. Innerhalb mehrere Wochen sollen die unterschiedlichen Module durchgearbeitet werden. Die Integration der verschiedenen Aufgaben in den Alltag wird dabei ausdrücklich gewünscht.

Velibra ist als Web-App verfügbar. Der Zugang wird individuell per Anfrage ermöglicht.

Ein Paket an Tipps und Tricks für das persönliche Wohlbefinden liefert MoodKit. Die von zwei Psychologen entwickelte App versteht sich dabei als Handwerkskoffer, der alle Komponenten für die eigene physische und psychische Gesundheit beinhaltet. MoodKit wurde sowohl zur alleinigen, als auch zur Nutzung als Teil einer professionellen Therapie entwickelt.

Die Anwendung ist in vier verschiedene Sektionen geteilt. In „Activities“ findet sich eine umfangreiche Auswahl an unterschiedlichsten Aufgaben, die sich einzig und alleine um die Verbesserung der eigenen Stimmung kümmern sollen. Die laut Entwickler rund 200 Aktivitäten beschäftigen sich dabei mit soziale Komponenten wie dem Vertiefen von sozialen Kontakten, Steigerung der körperlichen Fitness oder regelmäßiger Unterhaltung wie etwa einem Kinobesuch.

Um negative Gedanken identifizieren und auszuräumen, gibt es den „Tought Checker“. Dieser ähnelt dabei einer Therapiesitzung. Enttäuschende Situationen oder negativ wirkende Gefühle können niedergeschrieben werden um dann darüber reflektieren zu können. MoodKit liefert dazu auch Vorschläge, wie Probleme angegangen und negative Gedanken verbannt werden können.

Mit dem „Mood Tracker“ erinnert die App an Arya. Auch hier lässt sich auf einer Skala von 1-10 festhalten, wie gut oder schlecht die momentane Stimmung ist. Dieser geht dabei Hand in Hand mit dem vierten Modul von MoodKit, dem Journal. Dieses kann wie ein Tagebuch oder nur zum Festhalten einzelner Gefühle genutzt werden. Eigene Vorlagen bieten dabei für spezifische Situationen angemessen Hilfestellungen.

MoodKit ist für 5,49€ für iOS verfügbar.

Das Internet bietet mittlerweile einige Smartphone- und Online-Apps für psychologische Hilfe. Oft liegt der Fokus dabei auf Selbstreflektion und Änderung des Lebensstils. Auch gesprächsbasierte Anwendungen mit wissenschaftlichem Hintergrund finden sich unter den unzähligen Angeboten. Der Zugang ist hier aber oft recht kompliziert.

Wer weiterführende psychologische Beratung oder Hilfe benötigt, kann sich unter anderem an den Notfallpsychologischen Dienst unter der Nummer 0699/18 85 54 00 oder unter www.notfallpsychologie.at beraten lassen.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Amir Farouk

Early-Adopter. Liebt Apps und das Internet of Things. Schreibt aber auch gerne über andere Themen.

mehr lesen
Amir Farouk

Kommentare