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"Die Cloud ist ein Billig-Produkt"

Mit dem rasanten Wachstum von Cloud-Diensten haben sich neben neuen Möglichkeiten auch zahlreiche Fragen aufgetan. Wie sicher sind Daten bei Cloudspeicherdiensten wie Dropbox eigentlich und welche Personen dürfen darauf zugreifen? Während letztere Frage

wird, kümmert sich Philipp Reisner undsein Unternehmen Linbitum das Verhindern von Datenverlusten bei derartigen Systemen.

Hochverfügbarkeit
Die Netzwerkspeicherlösung DRBD wird zur Sicherung von Systemen eingesetzt. Dabei werden diese "gespiegelt", fällt ein System aus, kann das andere nahtlos einspringen. Derartige Hochverfügbarkeitslösungen werden vor allem in der Industrie eingesetzt, die freie Software kann aber von jedem Interessierten verwendet werden. Mit der neuesten Version DRBD 9 soll die Verlässlichkeit von 99,999 auf 99,9999 Prozent steigen, da nun auf viele Server gleichzeitig gespiegelt werden kann. Die futurezone hat sich mit Linbit-CEO Philipp Reisner über Linus Torvalds, das Linux-Projekt und den Preisdruck bei Cloud-Anbietern unterhalten.

futurezone: Wie würden Sie ihre Software einem Laien erklären?
Philipp Reisner: Alle Daten einer Festplatte werden über das Netzwerk auf eine exakte Kopie des Computers auf einer zweiten Festplatte gespiegelt. Das macht man insbesondere dann, wenn das eigene Geschäft von der EDV abhängig ist, sei es im Online-Handel oder der Industrie. Beispiel Industrie: wenn die Datenbank zur Erfassung der Chargennummer ausfallen würde, müssten diese die Produktionsmaschinen anhalten. Das wäre natürlich ein Irrsinn. Es ist vergleichbar mit einem RAID1-System über das Netzwerk.

Welche Dienste setzen auf DRBD?
Leider darf ich viele Dienste, vor allem die bekanntesten davon, nicht nennen. Aber bei all jenen Cloud-Diensten, die irgendwas mit Verfügbarkeit versprechen, kann man zumindest vermuten, dass das etwas mit uns zu tun hat.

Cloud-Dienste haben in den letzten Jahren einen ziemlichen Boom erfahren - haben Sie das anhand der Verbreitung von DRBD mitbekommen?
In der Verbreitung schon, im direkten Geschäft ist es relativ schwer mit den Cloud-Dienstleistern. Alle Cloud-Dienste sind eigentlich Billig-Produkte. Jeder bietet im Prinzip das Gleiche an, der einzige Unterschied besteht vielleicht in der Verfügbarkeit. Der Kampf erfolgt über den Preis in diesem Markt und da versuchen die Hersteller klarerweise so lange wie möglich ohne Support auszukommen und dann, wenn einmal genug dranhängt, holt man sich doch jemanden, der deutlich mehr Erfahrung mit dieser Software hat.

Das übernimmt dann Linbit?
Genau, es ist vergleichbar mit den Modellen von Red Hat oder MySQL. All unsere Software ist vollkommen frei, aber so wie Red Hat von ihren Subscriptions lebt, leben wir auch von unseren Supportverträgen. Dazu kommen dann auch noch Trainings und Consultings.

Wozu eigentlich Support? Bei einer Hochverfügbarkeitslösung mit 99,9999 Prozent Verlässlichkeit sollte doch eigentlich fast nie etwas passieren.
Angenommen die Administratoren wissen, sie haben eine Stromabschaltung und müssen ihre Services von einem Rechner auf den anderen migrieren. Die wollen dann bereits vorab jemanden haben, den sie für derartige Fälle befragen können. Die meisten Anfragen kommen nicht in kritischen Ausfallsituationen sondern sind ganz einfach Fragen zur richtigen Konfiguration.

Das heißt, viele setzen die Software nicht richtig ein?
Ja, aber das ist durch die weite Verbreitung generell der Fall. Wie viele Linux-Installationen gibt es, wo nicht alles passt? Das selbe gilt für uns auch. Viele Installationen von unserer Software wurden nun einmal nicht ordentlich gemacht. Die werden dann auch nicht die besten Ergebnisse erzielen, aber damit muss man leben, wenn man Open-Source-Software macht.

Die Zusammenarbeit mit der Linux-Community ist ja recht eng - frisst das Einpflegen des Codes in den Linux-Kernel eigentlich mehr Zeit als es Nutzen bringt?
Nein, das zahlt sich absolut aus. Ja, es ist sehr aufwändig, die Dinge nach Linux zu bringen, weil wir uns sehr streng an deren Spielregeln halten müssen. Der Linux-Kernel ist ein sehr, sehr großes Software-Projekt und es gibt einfach Regeln, die auf den ersten Blick unverständlich wirken. Wir leiden auch unter diesen strengen Regeln. Wir müssen unsere Patches nach bestimmten Regeln reviewen lassen, umordnen, umformatieren und erklären. Das ist für uns ein mühsamer Prozess. Aber der Nutzen, der dem gegenüber steht, ist wesentlich mehr wert, als diese Mühen und Kosten.

Woher ist die Bemühung gekommen, die Software in den Linux-Kernel zu integrieren?
Es ist einfach eine Frage der Akzeptanz. Wenn man mit seinem Source-Code außerhalb des Entwicklungszweigs steht, dann gibt es bei den Kunden immer die Frage "Ist das offiziell, wird es das immer geben?". In dem Moment, wenn man im Linux-Kernel drinnen ist, ist diese Frage einfach vom Tisch und wird nicht mehr gestellt.

Wie sieht die Zusammenarbeit aus - kommuniziert man lediglich online oder kommt man auch einmal in den Genuss, mit Linus Torvalds persönlich zu sprechen?
Ja, ich habe Linus Torvalds einmal auf einer Konferenz in Portland getroffen. Ein gemeinsamer Freund hat uns einander vorgestellt. Wer Interviews mit ihm liest, weiß, dass er

hat. Nachdem ich ihm kurz erklärt habe, was ich mache, hat er gesagt "Aha, bin ich froh dass ich mit Blocksystemen nichts zu tun habe." Ich nehme ihm das nicht übel, das ist einfach seine Art.

Im täglichen Geschäft hat man aber nichts mit ihm zu tun?
Torvalds wäre ja total überfordert, wenn er jetzt auch noch von mir Patches annehmen müsste. Für mich gibt es einen Subsystem-Maintainer, der für das Block-Subsystem in Linux zuständig ist. Das ist Jens Axboe, mit dem ich fast nur per E-Mail zusammenarbeite. Selbst die laufen dann schon in standardisierter Form ab. Wenn ich dann einmal versuche, dieses ganze Regelwerk zu dehnen, indem ich meine Contribution erst fünf Tage vor Öffnen des Merge-Window einreiche, dann gibt er mir natürlich eins mit der verbalen Keule drüber. Das darf ich nicht allzu übel nehmen, ich weiß selbst, dass ich das nicht tun sollte.

Wäre DRBD auch unter einer Closed Source-Lizenz ein Erfolg?
In unserem Fall würde es das Unternehmen mit einem Closed Source-Geschäftsmodell wohl nicht geben. Aus dem einfachen Grund, dass wir uns mit dem Storage-Markt in einem Bereich bewegen, der von vielen etablierten Playern wie NetApp oder HP dominiert wird und man da mit einem ähnlichen Produkt kaum wahrgenommen wird. Mit Open Source kann man eine gewisse Nutzerbasis vorweisen und wird auch eher angehört.

Der Wiener Software-Entwickler Linbit wurde 2001 gegründet ist vor allem für die Netzwerkspeicherlösungs-Software DRBD bekannt. Diese wurde von Firmengründer und CEO Philipp Reisner im Rahmen einer Diplomarbeit an der TU Wien entwickelt und ist mittlerweile weltweit im Einsatz. Die Software wurde 2010 in den Linux-Kernel aufgenommen und ist frei erhältlich. Das Geschäftsmodell von Linbit baut auf Support-Verträgen auf, neben der Firmenzentrale in Wien gibt es eine Niederlassung im US-Bundesstaat Oregon.

 

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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