Ein Teststand für Smartphone-Akustik im Huawei-Forschungszentrum bei Stockholm
Ein Teststand für Smartphone-Akustik im Huawei-Forschungszentrum bei Stockholm
© Huawei

Forschung

Huawei will Chance statt Konkurrenz für Europa sein

Wer die Schlagzeilen zu Huawei in diesem Jahr durchsucht, sieht den ständigen Kampf, den Huawei führt, um Sorgen, bei dem Unternehmen handle es sich um den verlängerten Arm der chinesischen Regierung, zu zerstreuen. "Wir sind ein multinationales Unternehmen" , ist ein Satz den man bei einem Besuch im Forschungszentrum nahe Stockholm oft hört. Huawei hat rund 30 Journalisten aus ganz Europa nach Schweden eingeladen, um zu zeigen, wohin die Reise in Zukunft gehen soll und warum Europa dabei eine Schlüsselposition einnimmt.

Europa als Talentepool

Europa ist für Huawei sowohl als Absatzmarkt als auch als Forschungs- und Entwicklungs-Region (R&D) hochinteressant. In der EMEA-Region werden 35 Prozent des Huawei-Umsatzes erwirtschaftet. Gleichzeitig betreibt der Konzern 13 R&D-Center in acht europäischen Ländern. Das erste und bis heute größte dieser Entwicklungszentren ist jenes im Stockholmer Vorort Kista. Warum Huawei so gerne in Europa R&D betreibt ist schnell erklärt: "Europa ist ein erstklassiger Ort um Fachkräfte in IKT-Technologien zu gewinnen", meint Jim Lu, Huaweis Präsident für Zentral- und Nordeuropa.

Huawei konnte in den vergangenen Jahren rasante Wachstumsraten aufweisen. Das Hauptgeschäft macht das Unternehmen mit der technischen Ausstattung von Telekommunikationsanbietern (73 Prozent der Einnahmen). Eine immer wichtigere Rolle spielt die Konsumentenelektronik (22 Prozent) und Dienstleistungen für Großunternehmen, etwa in den Bereichen Datencenter oder Cloud Computing (5 Prozent). Um das Wachstum weiter voranzutreiben, werden jedes Jahr größere Summen in R&D gesteckt. Derzeit fließen 13 Prozent des Gewinns in diesen Bereich.

5G

Im Forschungszentrum in Kista forscht Huawei vor allem an Mobilfunkkomponenten. Ein Team von hochqualifizierten Mitarbeitern (Mindestvoraussetzung PhD) arbeitet etwa an Komponenten von 5G, dem Nachfolger von LTE. Die Anforderungen an 5G sind derzeit noch relativ unklar. Huawei geht jedenfalls davon aus, dass der Mobilfunkstandard der Zukunft eine ca. 1.000 Mal höhere Datenübertragungs-Kapazität als bisher aufweisen soll, 90 Prozent weniger Energieverbrauch und keinerlei Downtime.

Rund sieben Billionen Drahtlos-Geräte für sieben Milliarden Menschen sollen mit 5G versorgt werden können. Fest steht auch, dass 5G, anders als bisherige Mobilfunk-Generationen, von Anfang an auf eine möglichst hohe Reichweite ausgelegt sein soll. Ländliche Gebiete sollen auf diese Weise nicht mehr gegenüber dichten Ballungsräumen benachteiligt werden.

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LTE

In Kista wird auch direkt an der Hardware für Konsumenten getüftelt, angefangen beim mikroskopischen Aufbau von Chips bis hin zu Batterieeffizienz und Industrial Design. Huawei steckt große Anstrengungen in den Bereich, um sich als Technologieführer profilieren zu können. Einen großen Meilenstein bei Mobilfunk hat das Unternehmen im Jahr 2009 gesetzt. Zusammen mit dem schwedischen Mobilfunkanbieter Teliasonera wurde damals das erste LTE-Netzwerk der Welt gestartet.

Mittlerweile sind angeblich 94 Prozent Netzabdeckung mit LTE in Schweden erreicht. In den nächsten Jahren soll auch die Sprachübertragung, die derzeit noch über 3G läuft, ins LTE-Netz integriert werden (Voice over LTE, kurz VOLTE). Geforscht wird auch an Übertragungstechnologien im Sendernetz. In den Weiten Schwedens funktioniert das so genannte "Backhauling" teilweise über Richtfunk statt über Glasfaserverbindungen. Mit hochfrequenten Mikrowellen (bis zu 80 GHz) wurden in ersten Versuchen bis zu 2,5 Gbit/s erreicht. Glasfaser ist dagegen noch weitaus leistungsfähiger. Huaweis R&D-Abteilung erreicht hierbei bis zu 400 Gbit/s.

Vernetzte Autos

Um das Angebot für Telekommunikationsanbieter zu verbessern forscht Huawei auch an der Netzwerkarchitektur der Zukunft. Hier schwebt dem Unternehmen etwa eine Cloud-Plattform für Anbieter (Carrier Cloud Platform) vor, die möglichst offen, einfach und erweiterbar gestaltet werden soll. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt auf M2M-Lösungen, etwa im Automobil-Bereich. Mit mehreren Autoherstellern arbeitet Huawei an seiner Vision eines vernetzten Autos.

Im Geschäft mit Großunternehmen nimmt Huawei bereits eine bedeutende Rolle ein. Bei Enterprise Routing ist Huawei die Nummer zwei weltweit, hinter Konkurrent Cisco. Auch bei Telepräsenz belegt Huawei den globalen Rang zwei. Große Fortschritte gibt es im Geschäft mit Servern und Datenspeichern. Als Technologie-Provider stattet Huawei unter anderem das europäische Kernforschungszentrum CERN mit einer speziellen Speicherlösung aus. Diese muss zuverlässig erweiterbar sein. Der Speicherbedarf des CERN wird laut Huawei in den nächsten Jahren in den Peta- und Exabyte-Bereich wachsen.

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Neue Sicht auf Handelspartner

Als Unterstützung im eigenen Expansionsprozess beschäftigt das chinesische Unternehmen eine Reihe von hochrangigen Beratern. Einer der Vertreter des "Advisory Council" ist unter anderem Kevan Watts, Non-executive Director des britischen Premier-League-Vereins Tottenham Hotspur. Bei seiner Rede vor den nach Kista eingeladenen Journalisten betont Watts, wie sehr Huawei an konstruktiver Zusammenarbeit mit internationalen Partnern interessiert sei.

"China und Europa müssen separate Herausforderungen bewältigen, die aber in einer engen Verbindung stehen", meint Watts. "Statt Handelskriege auszutragen, sollte man eine positive Agenda schaffen. Europa sollte die Möglichkeit von mehr Wettbewerb nutzen und chinesische Unternehmen willkommen heißen. Europa muss ja schließlich seine Wettbewerbsfähigkeit steigern." China im Gegenzug habe sich bisher zu sehr auf die USA als Handelspartner konzentriert. Europa wurde "ein wenig übersehen."

Image verbessern

Wie man den Aussagen von mehreren Vortragenden in Kista entnehmen kann, ist Huawei durchaus bewusst, dass es einer Aufwertung der Marke bedarf. Bei Smartphones will man etwa vom Budget-Bereich zu Mittel- und Oberklasse-Smartphones vorstoßen. Bei mobilem Breitband (u.a. Datensticks für Laptops) will man die Position als Weltmarktführer konsolidieren.

Mit negativen Annahmen, die gegenüber chinesischen Unternehmen auch oft generell vorgebracht werden, soll hingegen aufgeräumt werden. Das Unternehmen befürworte intellektuelles Eigentum absolut, meint Berater Watts. Jährlich würden 300 Millionen Dollar an Lizenzkosten bezahlt. Und auch Watts trägt eines der Kernanliegen in der Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens vor: "Huawei ist kein staatsgelenkter Konzern."

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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