Roboter soll auf Österreichs Almen Schadpflanzen bekämpfen
Almlandschaften gehen vielen Österreichern nahe. Sie erinnern uns an die ursprüngliche, bäuerliche Arbeit der Vergangenheit und haben einen festen Platz in der Tradition.
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Gewisse Pflanzen gehören genauso zur alpinen Kulisse wie weidende Kühe, Ziegen und Wildtiere. Enzian, Latschenkiefer und Wacholderbüsche bekommen am Berg aber zunehmend Gesellschaft von invasiven Pflanzen (siehe Infobox).
Bauer und Bobo
Künftig könnten diese ungebetenen Gäste mit Robotern vernichtet werden, wenn es nach österreichischen Forschern geht. Eine Inspiration für das im Juli gestartete Projekt RoboAlm war der Film „Der Bauer und der Bobo“, in dem Journalist Florian Klenk ein „Praktikum“ beim steirischen Bergbauern Christian Bachler macht.
„Dort gibt es eine Sequenz, wo sich der Bauer darüber beschwert, dass er seine Almen nicht mehr bewirtschaften kann, weil er kein Personal hat und es zu teuer ist“, erklärt Projektleiter Gerald Steinbauer-Wagner von der TU Graz. Er überlegte sich dann, dass man die Bewirtschaftung teilweise automatisieren könnte.
Navigation ist herausfordernd
Während selbstfahrende Autos auf präzise Straßenkarten zugreifen können, gilt das nicht für Roboter in entlegenen Gebieten. Die autonome Navigation ist schwierig, weil es viele Problemstellen gibt, die nicht auf Karten abgebildet sind. Etwa, wenn das Gelände von Kühen zertrampelt oder alles zugewachsen ist. Steinbauer-Wagner hat aber langjährige Erfahrung mit Robotik in entlegenen Gebieten.
Auf 2 Testalmen soll bald ein bereits erprobter autonomer Roboter Menschen assistieren. „Einerseits möchte man die Alm offenhalten. Auch mit heimischem Pflanzen soll sie nicht ganz zuwachsen, damit man sie noch für die Alm- bzw. Viehwirtschaft nutzen kann. Sonst wird sie irgendwann ein Wald“, erklärt der Forscher. Andererseits soll das Gerät am Berg auch gegen invasive Pflanzen kämpfen.
Ein Mensch soll den Roboter auf die Alm bringen und starten. Dann fährt er autonom los und könnte in Zukunft invasive Pflanzen abmähen. Diese soll er mit einer KI-Software erkennen, die zuvor mit Bildern heimischer Pflanzen trainiert wird.
Zur Fortbewegung nutzt der Roboter Kettenlaufwerke, die auch im abschüssigen Terrain Halt finden. „Er hat einen Laserscanner, mit dem er die Umgebung abtastet“ erklärt der Wissenschafter. Zudem nutzt er 3-D-Kameras und Sensoren zur Navigation, per LTE-Mobilfunk verbindet er sich mit dem Internet.
Den Weg findet der Roboter dank Satellitenaufnahmen, zusätzlich werden Drohnenbilder verwendet – wegen ihrer höheren Auflösung. Der Akku soll den Roboter bis zu 8 Stunden mit Energie versorgen, danach muss er händisch an die Stromversorgung angeschlossen werden. „Die Energieversorgung haben wir uns im Detail noch nicht angeschaut. Aber dort oben gibt es Photovoltaik und Kleinkraftwerke“, erklärt Steinbauer-Wagner.
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Infobox zum Projekt RoboAlm
Grundlage für das Projekt sind viele Jahre Forschungsarbeit der TU Graz zur Verwendung von Satellitendaten für die Navigation in schlecht oder nicht kartierten Gebieten sowie im Bereich der Robotik
8.400 Almen gibt es hierzulande derzeit laut dem Verein Almwirtschaft Österreich
20 Prozent der Staatsfläche sind laut Almwirtschaft Österreich almwirtschaftlich geprägt. Sie seien deshalb von wirtschaftlicher, touristischer und ökologischer Bedeutung
Proof-of-Concept ist der Fachbegriff für Technologie-Demonstrationen, die beweisen sollen, dass etwas in der Praxis funktionieren kann. Damit lässt sich auch rechtzeitig erkennen, ob ein Roboter oder eine andere Technologie für eine bestimmte Aufgabe doch nicht geeignet ist
Insekten wegblasen
„Wir müssen aber auch schauen, dass wir auf der Alm nichts kaputtmachen“, sagt der Forscher. Denn solche Flächen seien besonders empfindliche Ökosysteme. Deshalb soll der Roboter auch immer wieder Inseln stehen lassen, wo schützenswerte Pflanzen, Tiere oder Insekten leben.
Außerdem lassen sich die Forscher von einem Wildtierökologen beraten, damit ihr Gerät nicht versehentlich ein im Dickicht verstecktes Rehkitz erwischt. „Für Motormäher gibt's sogar eigene Vorrichtungen, mit denen man Insekten verscheucht und wegbläst, bevor man wo hineinmäht. Sonst werden sie, so blöd es klingt, halt gehäckselt“, erklärt der Forscher.
Eingewanderte Pflanzen werden zum Problem
Manche Pflanzenarten sind bei uns ursprünglich nicht heimisch, aber sie verbreiten sich rasch. Die auch Neophyten genannten „Eindringlinge“ können ganz hübsch aussehen. Deshalb kam das drüsige Springkraut im 19. Jahrhundert nach Europa – als Zierpflanze für Gärten. Ähnliche Ursprünge haben der japanische Staudenknöterich und die Goldrute aus Kanada.
Die meisten werden bereits Bekanntschaft mit den purpurfarbenen Blüten des Springkrauts gemacht haben: Dessen reife Samenkapseln explodieren, wenn man sie berührt und es verströmt einen intensiven, süßlichen Duft. Die sonnengelbe kanadische Goldrute kann bis zu 2 Meter hoch werden und ganze Lichtungen zuwuchern. Dort setzt sie im Boden Chemikalien frei, die andere Pflanzen schädigen.
2 Drittel der Neophyten kamen laut Naturschutzbund als Kultur- und Nutzpflanzen zu uns, etwa ein Drittel wurde unbeabsichtigt eingeschleppt. 16 dieser Pflanzenarten breiten sich laut dem Umweltbundesamt in Österreich zu stark aus. Sie sind für heimische Ökosysteme gefährlich, weil sie ursprünglich vorhandenen Spezies ihren Lebensraum strittig machen – denn es gibt einen harten Wettbewerb um Wasser, Licht und Boden. Oft haben die Neophyten keine natürlichen Feinde, weshalb sie sich rasch ausbreiten und damit andere Pflanzen verdrängen.
Neophyten werden teilweise mit verschiedenen Mitteln bekämpft. In Österreich gibt es immer wieder Neophyten-Kahlschlag-Aktionen, die von Gemeinden oder Vereinen organisiert werden.
An dem von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG geförderten Projekt sind neben der TU Graz auch andere Organisationen und Unternehmen beteiligt. Darunter Pentamap aus der Steiermark, die Satellitendaten aufbereiten. Die Wiener Firma Micromacro wird als Spezialist für invasive Arten dazu beitragen, dass der Roboter einzelne Pflanzen identifizieren kann. Auch landwirtschaftliche Betriebe, wie die Vorarlberger Agrargemeinschaft Nenzing, sind mit an Bord. Am sogenannten Nenzinger Himmel soll der Almroboter getestet werden, der bis 2026 als Proof-of-Concept entwickelt wird.
Gestörte Almidylle
Die Vorstellung, dass Roboterscharen künftig idyllische Berglandschaften stören, löst vermutlich nicht bei allen Freude aus. Für Steinbauer-Wagner ist das nachvollziehbar. „Aber wir werden die Personen künftig nicht haben, die diese Arbeit machen“, meint der Forscher in Hinblick auf den erwarteten Arbeitskräftemangel. Zudem gehe es auch darum, die Biodiversität österreichischer Almen für künftige Generationen zu erhalten.
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*Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).
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