Zum Einsatz kamen in Allensteig unter anderem Drohnen des österreichischen Herstellers Schiebel.

Zum Einsatz kamen in Allensteig unter anderem Drohnen des österreichischen Herstellers Schiebel.

© Schiebel

Science

Drohnen erkennen giftige und radioaktive Stoffe in der Luft

Manche Substanzen sind extrem gefährlich. Nach einem Chemieunfall im italienischen Seveso mussten 1976 mehrere hundert Menschen ihre Häuser verlassen, Tausende Tiere starben. Bis heute ist auch das Gebiet um das ehemalige Atomkraftwerk Tschernobyl ein radioaktives Sperrgebiet. Sehen, hören oder riechen kann man solche Gefahren oft nicht.

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Die EU-Kommission suchte deshalb nach technischen Lösungen, wie sich solche Belastungen schneller und besser erkennen lassen. Deshalb beauftragte sie eine internationale Forschergruppe mit der Entwicklung eines solchen Systems. Geleitet wurde das Projekt „CBRN-RSS“ vom Österreichischen Bundesheer und dem AIT Austrian Institute of Technology.

Unfälle und Terroranschläge

„Das Ziel war, bei chemischen, biologischen, radioaktiven oder nuklearen Gefahrenlagen rascher reagieren zu können“, erklärt der Projektleiter Michael Hofstätter vom AIT. „Etwa bei einem Unfall in einem Atomkraftwerk oder einer Explosion in einer Chemieanlage, wo Gase freigesetzt werden. Im schlimmsten Fall kann es sich auch um eine terroristische Attacke handeln“. 

In solchen Fällen gelte es, sehr schnell viele Sachverhalte zu klären: „Wo die Stoffe sind, um welche es sich handelt, wie die Gefahrenlage ist und wo man die Einsatzkräfte hinschicken soll“, erklärt er.

Einsatz kann lebensgefährlich sein

Werden solche Stoffe in einem Gebiet vermutet, müssen geschulte Einsatzkräfte dorthin ausrücken. Zunächst müssen sie vor Ort das Ausmaß der Verseuchung bestimmen, damit passende Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung in die Wege geleitet werden können. Diese Einsätze sind gefährlich, weil man für Messungen und Proben die kontaminierte Zone betreten muss. Bei weitläufigeren Gebieten ist zusätzlich oftmals das konkrete Ausmaß der Verseuchung schwieriger auszumachen. 

Im Rahmen des europäischen Projekts untersuchte man nun 30 Monate lang, ob man für diesen Zweck Drohnen und Bodenroboter einsetzen könnte. Dazu wurde ein mehrstufiges, hochkomplexes System entwickelt, bei dem man Drohnen und einen Bodenroboter in ein kontaminiertes Gebiet schickt. Gesteuert werden die Geräte von einer Kontrollzentrale außerhalb dieses Gebietes – so müssen sich zunächst keine Personen mehr in die Gefahrenzone begeben.

So sieht ein Sensorkopf aus, der an der Drohne befestigt wird und dann Schadstoffe messen kann.

So sieht ein Sensorkopf aus, der an der Drohne befestigt wird und dann Schadstoffe messen kann.

Fakten

ABC-Gefahrstoffe
Atomare, biologische und chemische Gefahrstoffe können durch Industrieunfälle und kriegerische Anschläge in die Umwelt gelangen, aber auch durch natürliche Ereignisse wie Vulkanausbrüche oder Pilzwuchs

CBRN
Die Abkürzung steht für „chemical, biological, radiological and nuclear“, also chemisch, biologisch, radiologisch (strahlende Stoffe) und nuklear (Atomwaffen)

Lagebilder
bündeln lokale Echtzeitdaten aus verschiedenen Quellen, um eine Situation besser einschätzen zu können. Im militärischen Kontext ermöglichen sie schnelle, faktenbasierte Einschätzungen

Die Drohnen werden mit Sensorköpfen bestückt.

Die Drohnen werden mit Sensorköpfen bestückt.

Sensorköpfe je nach Bedrohungslage

„Unser System kann mit mehreren Sensoren parallel bestückt sein und viele unterschiedliche Stoffe gleichzeitig detektieren. Dann sagt es, ob eine Gefahr besteht“, erklärt Hofstätter. „Weil man vorher meistens weiß, wo der Austritt war, kann man die Stoffe einschränken und die richtigen Sensorköpfe anbringen“. Insgesamt könne man damit eine zweistellige Liste an Chemikalien detektieren. Zusätzlich nimmt ein Roboter vor Ort Bodenproben. 

Die Geräte senden die Messdaten dann an ein Kontrollgerät, das sich an der Grenze zur Gefahrenzone befindet. Im nächsten Schritt werden die Daten an eine mobile Zentrale außerhalb der Gefahrenzone weitergeleitet. „Das ist ein Raum, der 1 bis 50 Kilometer außerhalb der kontaminierten Zone aufgebaut wird“, erklärt Stefan Ringsmuth, vom Projektpartner CNS Solutions & Support, einer Tochterfirma des österreichischen Technologie-Unternehmens Frequentis

In dieser „Datenfusionszelle“ kommen alle Daten in Echtzeit zusammen. „Dort wird dann die potenzielle Gefahrenzone errechnet und auf einer Karte visualisiert“, erläutert Ringsmuth. Weitere Informationen, etwa zu Wind und Wetter, vervollständigen das Echtzeit-Lagebild. Sogar Empfehlungen, wo die Einsatzkräfte hingeschickt werden sollen, gibt das Programm.

Das passiert auf dem Bildschirm in der mobilen Zentrale: Die bunten Spuren zeigen die Flugbahn der Drohnen. Die Farbpunkte markieren die erkannten Gefahrenstoffe. Der gelbe Kreis ganz außen links ist der ursprünglich angenommene Gefahrenbereich. Die vom Programm berechnete Gefahrenzone ist schließlich in der grauen Polygonform innen - das betroffene Gebiet ist tatsächlich viel kleiner.

Das passiert auf dem Bildschirm in der mobilen Zentrale: Die bunten Spuren zeigen die Flugbahn der Drohnen. Die Farbpunkte markieren die erkannten Gefahrstoffe. Der gelbe Kreis ganz außen links ist der ursprünglich angenommene Gefahrenbereich. Die vom Programm berechnete Gefahrenzone ist schließlich grau markiert. 

Praxistest in Allentsteig

Im April wurde das ausgetüftelte System bereits einem Praxistest unterzogen: In Allentsteig (NÖ) wurde der gesamte Ablauf durchgespielt:  „Diese Tests sind sehr gut gelaufen. Wir konnten die Funktionstüchtigkeit eines solches Systems beweisen, indem wir kleine Mengen an echten radioaktiven Quellen und Gasen ausbrachten, die kein Problem für Umwelt und Mensch darstellten“, sagt Hofstätter. „Wir konnten zeigen, dass moderne Technologien die Reaktionszeit drastisch verkürzen und die aktive Probeentnahme durch unbemannte Fahrzeuge möglich ist“, sagt Ringsmuth. 

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Aktuell wird die Projektfortsetzung geplant. Das System soll nun zur militärischen Einsatzreife weiterentwickelt werden. Ab 2028 soll es dann für das Bundesheer einsatzbereit sein. „Mit diesen Technologien können wir die Einsatzzeit auf 40 bis 45 Minuten verkürzen und müssen die Soldaten nicht mehr direkt zum Gefahrenherd bringen“, sagt Oberst Jürgen Schlechter, Kommandant des ABC-Abwehrzentrums Österreich. Derzeit würde das noch 2 Stunden dauern. 

Robotische Schnüffelnasen

Echte Hunde werden seit jeher aufgrund ihres besonderen Riechers geschätzt. Nun kriegen sie aber Konkurrenz in Form von Roboterhunden, die als potenzielle Helfer der Zukunft vorgestellt werden.

Solche Geräte haben einige Vorteile gegenüber zweibeinigen oder fahrenden Robotern. Sie gelten als sehr beweglich und werden für die Fortbewegung auf unebenen und schwierigen Böden entwickelt. Wegen ihrer 4 Beine können diese Maschinen die Balance vergleichsweise besser halten, sich geschmeidiger und schneller bewegen und Hindernisse überwinden als.  

Proben sammeln, Stoffe detektieren

Forscher aus den USA statteten einen vierbeinigen Roboter mit einem Arm aus, der in gefährlichen Zonen Luftproben sammelt und diese dann ins Labor bringt. Der wohl berühmteste Roboterhund „Spot“ von Boston Dynamics wird bereits jetzt in kontaminierten Gebäuden oder anderen verseuchten Zonen eingesetzt, wo er mit Sensoren und Kameras verschiedene Gefahrstoffe detektieren kann. Spot soll Chemikalien erkennen und Daten in Echtzeit übermitteln.

In Dänemark wird der Roboter testweise schon von der Polizei für Razzien in Drogenlaboren eingesetzt, die als sehr gefährlich gelten, weil es dabei oft zu Explosionen kommt und man gefährlichen Chemikalien ausgesetzt ist. In Zukunft will die dänische Polizei mit Spot Echtzeitdaten sammeln und eine Karte der Drogenlabore erstellen sowie Proben gefährlicher Chemikalien einsammeln. 

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Jana Unterrainer

Überall werden heute Daten verarbeitet, Sensoren gibt es sogar in Arktis und Tiefsee. Die Welt hat sich durch die Digitalisierung stark verändert. Das interessiert mich besonders, mit KI und Robotik steigt die Bedeutung weiter enorm.

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Jana Unterrainer

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