Unbekannte Gefahr: Warum Forscher vor zu vielen Satelliten warnen
Die Menschheit ist in einer Zwickmühle. Immer mehr Satelliten erreichen den Erdorbit, Megakonstellationen mit Tausenden Objekten entstehen. Allein für Starlink von SpaceX wurden in den vergangenen 5 Jahren über 7.000 Satelliten ins All gebracht.
Damit sie am Ende ihrer Dienstzeit nicht zu Weltraumschrott werden, der eine zerstörerische Gefahr für andere Satelliten ist, treten sie wieder in die Atmosphäre ein. Dort verglühen sie und das Problem löst sich buchstäblich in Luft auf - denkt man zumindest.
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So einfach ist das aber nicht. Denn nur weil etwas verbrennt, ist es nicht weg. Stattdessen können die dabei entstehenden Partikel Auswirkungen auf die Erdatmosphäre haben. 100 Forscher haben deshalb ihre Bedenken geäußert und fordern in einem offenen Brief, neue Satellitenstarts zu pausieren, bis die Auswirkungen ausreichend untersucht wurden.
Menge an menschengemachten Material ist Grund zur Sorge
Denn was ihnen und vielen anderen Wissenschaftlern weltweit Sorge bereitet, sind die unbekannten Auswirkungen der verglühenden Satelliten auf die Atmosphäre. „Wir wissen noch nicht, ob es ein Problem gibt. Es gibt aber Hinweise, die uns beunruhigen“, beschreibt Leonard Schulz von der TU Braunschweig gegenüber der futurezone die Situation.
Asteroid, Meteor oder Meteorit?
- Asteroiden sind kleine Gesteinskörper in der Umlaufbahn der Sonne
- Kometen erzeugen im Unterschied zu Asteroiden einen leuchtenden Schweif, ausgelöst durch Gase
- Ein Meteoroid ist ein kleinerer Partikel eines Asteroiden oder eines Kometen
- Von einem Meteor spricht man dann, wenn die Objekte in unsere Atmosphäre eindringen und verglühen
- Ein Meteorit ist es dann, wenn das Objekt nicht völlig verglüht, sondern auf den Erdboden trifft
Er untersuchte 2019 zusammen mit seinem Kollegen Karl-Heinz Glaßmeier, wie viel Masse die Menschen durch Satelliten und Raketenteile künstlich in die Atmosphäre bringen. Das wurde mit dem Material verglichen, das von natürlich vorkommenden Meteoroiden stammt. Damals machten die künstlichen Teile 3 Prozent aus. „Das hört sich erstmal nach wenig an, aber Satelliten bestehen größtenteils aus Metallen und wir haben damals schon mehr Aluminium künstlich in die Atmosphäre gebracht als durch natürliche Prozesse“, sagt Schulz.
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Satelliten-Material könnte Ozonschicht angreifen
Neben Aluminium bringen Satelliten z. B. Kupfer, Lithium und Blei in die Atmosphäre. „Im Gegensatz zu natürlichen Meteoren haben die in Raumfahrzeugen vorhandenen Materialien wie Aluminiumlegierungen, Beschichtungen und Elektronik andere Verbrennungseigenschaften“, bestätigt auch Stijn Lemmens, Senior Space Debris Mitigation Analyst beim Forschungs- und Technologiezentrum (ESTEC) der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) der futurezone.
Die wenigen Studien, die es in den vergangenen Jahren dazu gab, haben ein ganz bestimmtes Problem im Fokus: das Ozonloch. So nahmen US-Forscher 2023 mithilfe eines Flugzeugs Atmosphärenproben über dem Nordpol. Sie fanden in der Stratosphäre in 20 km Höhe menschengemachtes Aluminium aus Satelliten - also dort, wo die Ozonschicht ist. Da Satelliten in der Mesosphäre, also in zirka 80 km Höhe, verglühen, muss das Material nach unten transportiert worden sein.
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„Auf diesem Weg reagieren die Partikel mit Schwefelsäure zu komplexeren Partikeln und könnten die Bildung polarer Stratosphärewolken fördern“, erklärt Schulz. In diesen Wolken, die aufgrund ihres schillernden Aussehens auch „Perlmuttwolken“ genannt werden, entstehen Chlorradikale. „Ein Chlorradikal ist in der Lage, 100.000 Ozonmoleküle zu zerstören. Für diesen katalytischen Prozess brauchen wir also gar nicht so viel Material, um Auswirkungen auf die Ozonschicht zu haben. Das Gefährliche ist, dass wir noch nicht wissen, ob und wie stark das passiert“, so Schulz.
Erste Beobachtung eines Wiedereintritts im September
Bisher wurde überhaupt erst ein einziges Mal der Wiedereintritt eines Satelliten wissenschaftlich begleitet. Am 8. September 2024 verglühte der erste von 4 Cluster-Satelliten der ESA. Der Prozess wurde von einem Flugzeug aus beobachtet und erfasst, die Auswertung steht noch aus. „Wir müssen Laborexperimente machen, Wiedereintritte und die atmosphärischen Schichten beobachten und dann können wir langsam verstehen, wie groß der Einfluss ist“, sagt Schulz.
Dazu gehöre es auch zu verstehen, wie groß die Partikel sind, die beim Verglühen entstehen. Je größer sie sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht lange in der Atmosphäre bleiben, sondern absinken. Sind es aber Gase und winzige Nanopartikel, sinken sie nicht ab, sondern werden durch die Atmosphäre zu den Polen transportiert, weshalb die Ozonschicht dort besonders gefährdet ist.
1.084 Tonnen Material in 10 Jahren
Die Forschung hat eine entsprechende Dringlichkeit. Mit aktuellem Stand befinden sich 13.230 Satelliten im All, 10.200 davon sind noch aktiv. 7.700 Objekte befinden sich im niedrigen Erdorbit (LEO) und werden definitiv irgendwann abstürzen. Würde man heute aufhören, neue Satelliten ins All zu bringen, würden in den nächsten 10 Jahren laut Lemmens Flugkörper mit einem Gesamtgewicht von 1.084 Tonnen wieder eintreten. Allerdings ist das nicht der Höhepunkt, da die meisten Satelliten länger aktiv sind. 2034 dürfte sich die Menge verdoppelt haben.
Allein Starlink hat insgesamt Genehmigungen für 30.000 Satelliten. Sie sind nicht die einzigen, die sogenannte Megakonstellationen planen. Auch von Amazon und OneWeb sind Tausende Satelliten geplant. Ein Stopp ist nicht in Sicht - ganz im Gegenteil.
"Wir dürfen nicht erst etwas tun, wenn es zu spät ist"
„Bevor ein Medikament auf den Markt kommt, wird akribisch getestet, welche Auswirkungen es hat. Diese Herangehensweise haben wir bei Umweltproblemen nicht. Wir machen erstmal und wenn die Hütte brennt, stellen wir fest, dass wir ein Problem haben“, unterstreicht Schulz die Wichtigkeit der Forschung. Vergleichbar sei das mit den Auswirkungen von Plastikverschmutzungen. Die Ozeane sind voller Mikroplastik, das ist jetzt bekannt – verhindern kann man das nicht mehr, so Schulz. „Wir dürfen nicht erst etwas tun, wenn es zu spät ist“.
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