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Wien Energie testet Blockchain-Technologie für Handel

Wien Energie testet Blockchain-Technologie für Handel

Strom von Nachbars Photovoltaik-Anlage oder einer privaten E-Ladestation für Elektroautos mit einem einfachen Transaktionssystem: Derartige Szenarien wäre mit sogenannten Blockchain-Lösungen in Zukunft möglich – und zwar ganz ohne Energieversorger. Bei Blockchain handelt es sich um ein dezentrales Register in einem Personen-zu-Personen-Netzwerk. Durch die Nutzung dieser Technologie können Teilnehmer Transaktionen ohne eine zentrale Autorisierungsstelle durchführen und bestätigen. Eigentlich wird damit die Rolle des Energieversorgers, der Strom liefert, so gut wie obsolet.

Erste Tests bei Energieversorgern

Die Blockchain-Technologie ist unter Digitalisierungsbeobachtern bereits seit längerem im Gespräch als großer Trend für die Energiewirtschaft. Der Außenwelt ist sie aber noch wenig bekannt. Dabei werden dadurch Geschäftsmodelle ganzer Branchen komplett auf den Kopf gestellt – wie eben das der Energiebranche. „Die Energieindustrie sollte sich aktiv mit der Blockchain-Technologie beschäftigen. Die Auswirkungen auf bestehende Prozesse und Märkte könnten enorm sein“, sagt Andreas Freitag, Manager bei Ernst & Young (EY) Österreich dazu. „Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, die Technologie zu erproben und das eigene Unternehmen auf die kommenden Veränderungen einzustellen.“

Blockchain- so funktioniert es

Wien Energie gehört jetzt, wie die futurezone exklusiv vorab in Erfahrung bringen konnte, zu den Vorreitern beim Testen der neuen Technologie. Gemeinsam mit anderen internationalen Energieunternehmen beteiligt sich der Wiener Energielieferant an einem von der BTL Group LTD durchgeführten Blockchain-Pilotprojekt von Ernst & Young (EY). Das kanadische Start-up wird auf Basis ihrer bestehenden Interbit-Handelsplattform ein Pilotprojekt für den Gashandel durchführen.

Trading im Gashandel

Bei der Evaluierung und Prüfung der erstellten Lösung unterstützend zur Seite steht dabei das Beratungsunternehmen EY. Das Projekt ist vorerst auf drei Monate beschränkt. Damit soll der Einsatz der Blockchain-Technologie für den Energiehandel, konkret anhand einer Tradingplattform im internationalen Gashandel, erprobt werden. „Mit dem von uns initiierten und koordinierten Pilotprojekt schaffen wir die Möglichkeit, die Technologie kennenzulernen und die künftigen Potenziale noch besser einschätzen zu können. Am Ende des Projekts werden wir wieder einen Schritt weiter sein, um beurteilen zu können, wie das Blockchain-Protokoll die Energiewirtschaft beeinflussen wird“, sagt Freitag von EY Österreich.

Wien Energie hat unter der Geschäftsführung von Michael Strebl damit begonnen, die Digitalisierung des Konzerns weiter voranzutreiben. „Die Blockchain-Technologie ist ein weiterer Digitalisierungstrend, der auf die Energiewirtschaft zukommt. Als Österreichs größter Energiedienstleister wollen wir die Chancen dieser Technologie aktiv für unsere Kunden und uns nutzen“, sagt Strebl. Im Rahmen des Pilotprojekts soll Know-how im Blockchain-Bereich aufgebaut werden. „Ebenso wollen wir analysieren, wie daraus neue Geschäftsmodelle entstehen können“, sagt Peter Gönitzer, Geschäftsführer für Handel und Finanzen bei Wien Energie.

Neue Marktchancen

Wenn sich die Energiebranche clever anstellt, kann sie Blockchain-Technologie für sich nutzen anstatt dadurch aus dem Markt gedrängt zu werden. Es ergeben sich neue Marktchancen für Dienstleistungen und Anwendungen. Diese gehen vom Energiehandel, der E-Mobilität bis zum Strom-Sharing oder dem Internet der Dinge. PwC Österreich geht etwa davon aus, dass in drei bis vier Jahren bereits ein gewisser Reifegrad bei Energie-Blockchain-Projekten erreicht sein wird.

In Deutschland testen ebenfalls erste Energieversorger diese neuen Möglichkeiten. Dazu gehören Deutschland Vattenfall und RWE, die ein vollautomatisiertes Bezahlmodell für das Laden von Elektroautos ausprobieren. Über erste Ergebnisse wird derzeit auf dem zweitägigen Blockchain Energy Summit in Wien gesprochen.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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