„WikiLeaks hat nichts verändert“
„WikiLeaks hat nichts verändert“
© Franz Gruber

Lebenswelten

Domscheit-Berg twittert jetzt vom Land

Überall grüne Strünke, war das nun Rosenkohl oder Brokkoli? Für einen Moment stehen Anke und Daniel Domscheit-Berg ratlos in ihrem Gemüsebeet in Nordbrandenburg. So viel Botanik, da kann man schon mal den Überblick verlieren. Zum Glück gibt es ein Spezialprogramm fürs Handy: „Damit kann man unzählige Pflanzen bestimmen", sagt Daniel Domscheit-Berg. Zum Grünen Daumen passt heute eben auch ein Smartphone - jedenfalls für Technikfreaks wie die Domscheit-Bergs.

Die beiden gehören zu Deutschlands bekanntesten Netzaktivisten. Ihre Basis hatten sie bislang in Berlin-Mitte. Neuerdings aber wohnt das Ehepaar auf dem Land. In Fürstenberg/Havel an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern haben sich die Domscheit-Bergs ein Haus im Grünen gekauft, mit großem Garten. Das Gemüsebeet haben sie selbst angelegt, jetzt beginnt die erste Ernte. „Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so glücklich", sagt Anke Domscheit-Berg.

Vom "wilden Leben" und Burnouts
Die 43-Jährige klingt wie eine Aussteigerin, die mit dem früheren Leben abgeschlossen hat. 15 Jahre arbeitete Anke Domscheit-Berg in der Informationstechnik-Branche, für Unternehmensberatungen und auch für Microsoft. „Mein Leben hat sich nur in Hotels und in Konferenzräumen abgespielt", sagt sie. Ihr Mann Daniel war Sprecher der Enthüllungsplattform WikiLeaks, die politische Skandale auf der ganzen Welt aufdeckte. Zudem gründete er OpenLeaks als Konkurrenz-Plattform.

„Wir haben ein wildes und umtriebiges Leben geführt, mit hoher Drehzahl", sagt Anke Domscheit-Berg. Sie sei auch schon mit Burnout im Krankenhaus gewesen. Auch Ehemann Daniel ging oft ans Limit. „Das Problem war, dass ich nie körperlich erschöpft war, sondern immer nur intellektuell", erinnert er sich. Jetzt gehen beide in ihren Garten, wenn der Stress zu groß wird. Ein bisschen harken und Unkraut jäten, „das entschleunigt und erdet", meinen sie.
Heute twittert und bloggt Anke eine Menge, engagiert sich für Frauen in der Wirtschaft und offenere Verwaltungsprozesse. Daniel hält oft Vorträge, gerade ist er von einer Menschenrechtskonferenz in Südkorea zurück.

Aber um im Alltag Kontakt zur den Mitstreitern zu halten, muss man nicht mehr in einer Großstadt leben. Twittern und bloggen geht auch im Schatten einer alten Blutbuche, per WLAN. Dazu zwitschern echte Vögel, manchmal setzt sich ein Schmetterling aufs Notebook: Die Domscheit-Bergs lieben ihr „Home Office".

Offenes Haus mit Technik-Workshops
Im Frühling traten beide den Brandenburger Piraten bei. Bald soll in ihrem Garten ein Sommerfest des Kreisverbands steigen, der inzwischen fast 80 Mitglieder hat. Zudem überlegt das Ehepaar, einmal im Monat ein „offenes Haus" für junge Leute zu machen, sagt Daniel Domscheit-Berg. Den Kids könnte man dann den „sinnvollen und kreativen Umgang" mit Technik näherbringen.
Dieser „kreative Prozess" sei das eigentliche „Hacking", erklärt der 34-Jährige. Viele denken bei „Hacking" ja eher an etwas Illegales im Bereich von Computern und Internet. Daniel Domscheit-Berg bastelt aber gerade etwas ziemlich Harmloses, und zwar für den Gemüsegarten: Eine solarbetriebene Messstation, die die Bodenfeuchtigkeit kontrolliert und bei Bedarf mit Regenwasser aus der Zisterne nachwässert. „Das Monitoring funktioniert dann natürlich auch online", sagt Daniel Domscheit-Berg. So kann er auf Auslandsreise sehen, ob die Tomaten daheim mehr Wasser brauchen.

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