© Wien Energie/Christian Hofer

Energieeffizienz

Fernkälte: Das ist Wiens größter Kühlschrank

Die Hitzewelle hat mittlerweile ganz Österreich erfasst – bis zu 39 Grad werden für Sonntag vorhergesagt, auch am Montag wird es noch vielerorts außergewöhnlich heiß. In den Büros, Hotels, Spitälern und vielen weiteren Gebäuden laufen die Klimaanlagen auf Hochtouren.

Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) ist die Klimatisierung und Kühlung von Gebäuden der am schnellsten wachsende Bereich neuen Energiebedarfs. Bei der Klimatisierung ist man dabei hauptsächlich auf Strom angewiesen. Doch das ist nicht überall so. In Wien setzt man in der Fernkältezentrale am Schottenring das Donaukanalwasser zur Kühlung ein.

Der größte Kühlschrank Wiens
Die Fernkältezentrale am Schottenring der Wien Energie, die Ende April diesen Jahres offiziell in Betrieb genommen wurde, wird als „der größte Kühlschrank Wiens" bezeichnet. 15 Megawatt (MW) Gesamtleistung erbringt die Kühlanlage in der Wiener Innenstadt, das entspricht einer Leistung von 100.000 handelsüblichen Kühlschränken – und das, obwohl es in der Betonhülle des „größten Kühlschrank Wiens" selbst Normaltemperatur hat.

Da die Zentrale vollautomatisch läuft, müssen allerdings keine Mitarbeiter schwitzen, erklärte man auf futurezone-Anfrage bei Wien Energie. Neben der Zentrale in der Wiener Innenstadt gibt es in Wien mit der Fernkältezentrale Spittelau noch einen Bau, der mit bis zu 17 MW eine noch höhere Leistung bringt.

Donaukanalwasser zur Kühlung
Bei beiden Fernkältezenralen wird zur Kühlung das praktisch vor der Haustür liegende Donaukanalwasser herangezogen. Der Prozess der Kühlung funktioniert dabei folgendermaßen: In der Kältezentrale wird das Wasser auf sechs bis sieben Grad abgekühlt. Dieses sogenannte Klimakaltwasser wird dann im Anschluss in gedämmten Rohrleitungen zu den in der Umgebung liegenden Kunden transportiert und in deren Klimaanlagensystem eingespeist. Das erwärmte Wasser wandert dann wieder in die Kältezentrale zurück, um dort wieder abgekühlt zu werden.

Die Energie für die Absorptions- und Kompressionskältemaschinen stammt dabei von der Müllverbrennungsanlage, die direkt angrenzt. Kälte, die auf diesem Weg erzeugt wird, braucht etwa die Hälfte der Primärenergie, wenn man sie mit einer herkömmlichen Kälteerzeugung vergleicht.

Die Kunden der Kältezentrale Spittellau umfassen dabei etwa das AKH Wien, das Immobilienprojekt Skyline, die Universität für Bodenkultur (BOKU), das Ö3- und ORF-ONLINE-Gebäude sowie Silver Server. Das Kältezentrum in der Wiener Innenstadt wird vom Hotel Kempinski, der Wiener Städtischen Versicherung sowie der Uni Rossau zur Kühlung genutzt.

Fernkältenetz-Ausbau schreitet voran
In Wien wird zudem eine weitere Kältezentrale am Areal des Hauptbahnhof Wiens gebaut, die 20 MW-Leistung bringen soll und die 2014/2015 in Betrieb gehen wird. Derzeit sind rund zehn Fernkälteexperten von Wien mit Projekten und dem Infrastrukturausbau beschäftigt. „Mit dem weiteren Ausbau von Fernkälte investiert Wien in eine zukunftsweisende Infrastruktur. Darüber hinaus leisten wir mit dem Fernkälteausbau einen wichtigen wirtschaftlichen Beitrag für Arbeitsplätze, Innovation und Klimaschutz", so Wiens Vizebürgermeisterin Renate Brauner.

Wiens Fernkältenetz umfasst etwa 2,4 Kilometer Trassenlänge. Bei voller Auslastung können rund 25.000 Personen von der umweltfreundlichen Gebäudeklimatisierung profitieren und es können rund 1447 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden. „Fernkälte ist eine Energieeffizienzmaßnahme. Sie spart gegenüber herkömmlichen Klimaanlagen elektrische Energie, CO2 und Geld", so der Wiener Stadtwerke-Energievorstand Marc Hall.

Smart City-Initiative
Das Fernkältenetz ist außerdem Teil der Smart City-Initiative der Stadt Wien, da es bei dem Projekt darum geht, nachhaltig Energie zu erzeugen. Die Stadt Wien hat zudem eine Kampagne unter dem Motto „bewusste Kühlung" gestartet, mit der sie die Bevölkerung auf den kontinuierlich wachsenden Endenergieverbrauch für Kühlanwendungen aufmerksam machen möchte. Private haben von der Fernkälte aber eigentlich nichts, denn für Wohnhäuser sind derzeit keine Fernkälteprojekte geplant, da die meisten Wohnhäuser kein Lüftungssystem haben. Dieses ist aber Voraussetzung.

Doch nicht nur in Wien finden sich derartige Kältezentralen. Das österreichische Fernkältenetz umfasst derzeit eine Länge von zehn Kilometern, insgesamt wurden im Jahr 2012 rund 74 Gigawattstunden Kälteenergie für gewerbliche Abnehmer zur Verfügung gestellt. Das sind rund 13 Prozent mehr als im Vorjahr, wie der Fachverband der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmen (FGW) vor kurzem mitteilte. Die installierte Kapazität der Fernkälte-Anlagen in Österreich betrug Ende 2012/Anfang 2013 laut Fachverband 60 MW.

Neben Wien gibt es z.B. in Niederösterreich mit dem Landesklinikum St. Pölten ein weiteres Vorzeigeprojekt. Dort wurden 14 MW Fernkälte installiert und die CO2-Einsparungen liegen bei rund 630 Tonnen pro Jahr. Weiters hängen das Musiktheater Linz sowie die Linzer Johannes Kepler Universität am Fernkältenetz.

Geschäft mit Fernkälte floriert
Die Energieersparnis ist jedoch nicht der einzige Vorteil von Fernkälte. Fernkälte spare zudem Platz, da Kältemaschine und Rückkühlung ausgelagert würden und das fertig aufbereitete Kaltwasser direkt beim Verbraucher eintreffe, wie der Fachverband mitteilte. Damit würden nicht nur Stromkosten gesenkt, sondern es würden auch keine gefährlichen Fluorkohlenwasserstoffe emittiert.

Das Geschäft mit der Fernkälte floriert daher trotz Wirtschaftsflaute. Laut dem FGW soll sich der Markt für Fernkälte bis 2018 verdreifachen. In Österreich sind in den nächsten Jahren Investitionen in der Höhe von 109 Millionen Euro geplant.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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