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Kobuk: “Wir sind keine Profis“

“Ich habe damit gerechnet, dass es ein Thema wird und es im Blätterwald raschelt, aber dass es eine so große Sache wird, habe ich nicht gedacht”, sagt Helge Fahrnberger (sein Blog, auf Twitter), der Kobuk.at 2010 ins Leben gerufen hat. In den ersten 24 Stunden nach der Veröffentlichung des Artikels “Wenn die Ukraine Hunde tötet, stirbt bei uns die Wahrheit” des Linzer Bloggers Hans Kirchmeyr (auf Twitter) verzeichnete Kobuk 70.000 Besucher, der Server war zeitweise überlastet. Mehr als 90 Prozent der Zugriffe seien von Facebook gekommen, zehntausende Österreicher hätten den Kobuk-Artikel dort - teilweise sehr heftig und emotional - diskutiert.

Idee und Ziele
Fahrnberger - hauptberuflich beim Online-Karten-Anbieter Toursprung tätig - hat Kobuk nach dem Vorbild Bildblog.de gegründet, als er vor zwei Jahren vom Wiener Institut für Publizistik gebeten wurde, eine Vorlesung zum Thema “Online-Journalismus” zu halten. Seither schreiben neben fixen Autoren wie Kirchmeyr pro Semester auch 20 Studenten für die Webseite. Denn Fahrnberger verfolgt zwei Ziele: Unter dem Motto “Wir lesen Zeitung und schauen fern” will er den Medien auf die Finger schauen und angehenden Journalisten Praxis zu vermitteln.

“Wir sind keine Profis, sondern Medienkonsumenten”, sagt Fahrnberger. “Wir müssen das konsumieren, und manches zipft uns an. Das machen wir öffentlich und schießen zurück.” Am häufigsten würden Artikel in Boulevard-Zeitungen wie Krone und heute behandelt, “aber es ist schon vorgekommen, dass wir auch Qualitätsmedien zerlegt haben”, so Fahrnberger. Ist Kobuk nach der Ukraine-Story einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden, haben Medienleute die Webseite schon länger auf dem Radar. “Ich glaube schon, dass der Journalistenanteil unseres Publikums sehr groß ist. Da kann es schon sein, dass jemand peinlich berührt ist, wenn sein Artikel bei uns vorkommt”, sagt Fahrnberger.

Kobuk schreibt sich auch auf die Fahnen, die Medienlandschaft zu beeinflussen. Fahrnberger: “Ich glaube schon, dass Kobuk einen Hygiene-Effekt hat. Die ganz derben Fehler erlauben sich nur mehr die wenigsten, weil sie offensichtlich fürchten, auf Kobuk verewigt zu werden.” Was aber überhaupt nicht abgenommen habe, sei Schleichwerbung in “peripheren Themen wie Reisen und Gesundheit.”

Kein WikiLeaks für Österreich
Nach der großen Veröffentlichung am Dienstag meinten Beobachter schon, dass Kobuk sich zu einem “WikiLeaks von Österreich” entwickle. Das sieht Fahrnberger anders.  “Es gibt zwar eine Schnittmenge zu WikiLeaks: Ein Autor, der auf Kobuk zweitveröffentlicht hat, hat schon einige interne Dokumente eines Tiroler Mediums bekommen”, so Fahrnberger. “Aber es gibt auch wesentliche Unterschiede, weil wir Medienkritik machen.” Eine Kooperation mit OpenLeaks, die eine technische Infrastruktur zum anonymen Einreichen von brisanten Dokumenten bietet, schließt Fahrnberger aus. Anonyme Autoren hingegen könnte sich der Kobuk-Gründer künftig aber vorstellen. “Wir würden das absolut transparent machen und darauf hinweisen, dass da gerade ein Insider schreibt.”

Wie sich Kobuk mittelfristig weiterentwickeln wird, ist offen. “Die Ansprüche an uns sind natürlich gestiegen, und einige Artikel von früher würde ich heute nicht mehr veröffentlichen”, sagt Fahrnberger. “Ich mache die Lehrveranstaltung, so lange ich das Gefühl habe, am Ende des Semesters derjenige zu sein, der am meisten dazugelernt hat.” Fahrnberger würde Kobuk aber an einen anderen Lehrenden abgeben, der die Lehrveranstaltung und den Kobuk-Betrieb übernimmt.

Studenten und ständige Schreiber
Seine derzeit 20 Studenten müssen pro Woche einen Artikel für Kobuk.at liefern. “60, 70 Prozent der Artikel gehen aber nie online”, sagt Fahrnberger. “Bei Kobuk gilt das Vier-Augen-Prinzip: Ich will jeden Artikel zuerst gesehen haben, bevor er veröffentlicht wird.” Bei der Qualität der abgelieferten Beiträge gebe es eine große Bandbreite. “Ich bekomme oft gute, kurzweilige und intelligente Texte, die man ohne Änderung veröffentlichen kann, und dann gibt es Leute, die die Aufgabe gar nicht kapieren.” Nur drei Autoren, darunter “Kobuk-Star” Kirchmeyr, haben das Recht eingeräumt bekommen, ohne Zustimmung eines anderen zu publizieren.

Größere Probleme hat sich Kobuk mit seiner Medienkritik bis dato noch nicht eingehandelt. Erst einmal wurde von einem Medium gefordert, dass ein Kobuk-Artikel offline genommen wird (die Zeitung Österreich wegen diesem Artikel) - was aber nicht gemacht wurde. “Wenn eine Klage kommt, machen wir einfach einen Spendenaufruf”, sagt Fahrnberger. “Aber klein zu sein und trotzdem viel Aufmerksamkeit zu haben, hat einen Vorteil: Man ist in der David-Goliath-Situation, und es käme sofort zu einer Solidarisierungswelle.” Der nicht-kommerzielle Charakter der Seite sei wohl ein Milderungsgrund, wenn man selbst einmal einen Fehler machen würde.

Deswegen will Fahrnberger auf der immer populäreren Webseite auch keine Werbung schalten. “Geld macht vieles komplizierter”, so der Kobuk-Gründer. “Unser unprofessioneller Zugang bietet eine unglaubliche Freiheit. Abgesehen von den Domain-Gebühren ist alles gratis - auch die Aufmerksamkeit.”

Wordpress als kostenfreie Plattform
Geld braucht Fahrnberger für den Betrieb - abgesehen von den Domain-Gebühren - auch nicht. Die Webseite läuft auf der kostenlosen Blogging-Software Wordpress, die den Autoren alle notwendigen Funktionalitäten zum geregelten Veröffentlichen gibt. Das Berechtigungssystem von Wordpress teilt die Schreiber in “Autor” (darf eigene Beiträge publizieren), “Contributor” (darf Artikel zur Revision vorlegen) und “Editor” (darf Artikel der Contributors editieren und publizieren). Die zwei Wordpress-Plugins “Peter´s Collaboration Notes” und “Peter´s Collaboration E-mails” sorgen dafür, dass die Kobuk-Schreiber sich gegenseitig Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge einfach zuschicken können.

Bei der Gestaltung der Beiträge gibt es strikte Vorgaben: Bebilderung, auf den Punkt gebrachte Texte, Hyperlinks sollen für Transparenz sorgen. “Das schwierigste für die Studenten sind die Titel”, sagt Fahrnberger. “Ein Titel muss auch losgelöst von Text, Bild und dem Medium funktionieren, damit die Leute den Link auf Google, Twitter oder Facebook anklicken. Der Schritt von den feuilletonistischen zu den erklärenden Titeln ist sehr schwer.” Einige der begabten Studenten wären bereits in großen und renommierten Redaktionen untergekommen.

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