Wie Klarnamen in Online-Foren überprüft werden sollen, ist immer noch nicht klar
Wie Klarnamen in Online-Foren überprüft werden sollen, ist immer noch nicht klar
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Medien

profil.at kann Klarnamen nicht überprüfen

Seit ein paar Monaten hat sich in der österreichischen Medienlandschaft eine hitzige Debatte über verpflichtende Klarnamen in Zeitungsforen (neu) entfacht. Während das Thema international sowie bei den deutschen Nachbarn vielfach vom Tisch ist - weil sich die Idee kaum umsetzen lässt, Hasspostings nicht verhindert und der Privatsphäre unbescholtener User schadet - wettern hierzulande einige Medien- und PR-Vertreter ganz massiv gegen “anonyme Postings”.

Seit vergangenem Freitag sind nun bei profil.at offiziell nur noch “Klarnamen” in den Foren erlaubt. Herausgeber Christian Rainer begründete den Schritt damit, dass “die Grenze des Erträglichen” in Bezug auf Hasspostings erreicht sei, schon in den Wochen davor war er einer jener Medienvertreter, die besonders laut nach dem Ende der Anonymität im Netz gerufen hatten. "Wir sind der Meinung, dass allen potenziellen Verbrechern, allen Idioten und allen charakterfreien Gestalten kein Freibrief ausgestellt werden darf", legt Rainer im Interview mit der futurezone (siehe unten) nach.

Doch die propagierte Klarnamenpflicht bei profil.at ist de facto keine. Wenig überraschend fehlen dem Medium nämlich die Mittel, um die Klarnamen auch entsprechend zu überprüfen. Wie Kritiker bereits seit Jahren aufzeigen, lassen sich die Namen der User nicht so einfach verifizieren, will man nicht zu drastischen Mitteln wie einer Ausweiskontrolle greifen.

Christina Rainer und Max Payne

Die futurezone hat sich aus Neugier darüber, wie die Verifizierung im Forum verläuft, in den vergangenen Tagen mit mehreren Accounts bei profil.at registriert, bei denen sämtliche Angaben (inkl. Telefonnummer und Adresse) falsch sind - die User wurden dennoch sofort freigeschaltet und können auch posten. Damit zeigt sich: Wer trollen oder seine Hassbotschaften unbedingt loswerden will, kann das auch weiterhin - nun eben nicht mehr nur unter Nicknames, sondern unter falschen Namen wie Christina Rainer oder Max Payne.

“Ein Zeichen setzen”

Damit drängt sich ein weiteres Mal die Frage auf: Was soll so eine Klarnamenpflicht bringen? “Wir wollten einfach einmal ein Zeichen setzen”, sagt Philip Dulle, Online-Leitung bei profil.at, im Gespräch mit der futurezone. “Uns ist schon klar, dass man das nicht wirklich verifizieren kann und dass Leute auch weiterhin Schabernack treiben könnten, wenn sie wollen.” Es gebe natürlich gewisse Möglichkeiten, etwa den Pass zu scannen, was einzelne Start-ups anbieten, so Dulle. Konkrete Schritte in diese Richtung habe man aber noch nicht gesetzt. “Wir denken natürlich darüber nach, wie man das in Zukunft besser verfizieren kann.”

Bisher gebe es jedenfalls wenig Beschwerden seitens der User, auch Einbrüche bei den Postings seien noch nicht zu beobachten. “Wobei uns natürlich klar ist, dass es in Zukunft dadurch auch zu weniger Postings kommen könnte”, so Dulle.

Privatsphäre der Nutzer gefährdet

Problematisch wirkt sich die Forderung nach Klarnamen möglicherweise auf jene User aus, die seit Jahren im Forum angemeldet sind, unter anonymem Nicknamen posten, aber ansonsten korrekte Namen und Daten angegeben hatten. Denn wer ab sofort einen Kommentar hinterlässt, wird auch mit diesem korrekten Namen ausgespielt. So kann es dann schon passieren, dass Nicknames, die viele Menschen bei mehreren Plattformen gleichzeitig nutzen, mit ein bisschen Googlen plötzlich zu einer echten Person zuordenbar werden.

Muss der eigene Chef unbedingt wissen, wenn seine Mitarbeiter bei einer Singlebörse angemeldet sind? Den Einwand, dass dadurch die Privatsphäre unbescholtener User aufs Spiel gesetzt wird, lässt Dulle durchaus gelten, will die Problematik aber auch nicht weiter kommentieren. “Wir weisen jedenfalls bei jedem Posting vor dem Abschicken darauf hin, dass der gesamte Name nun angezeigt wird. Der User kann somit immer noch selbst entscheiden, ob er noch einen Kommentar bei uns abgeben will oder nicht”, sagt Dulle. profil-Herausgeber Rainer legt besorgten Nutzer hingegen nahe, einfach einen neuen Nickname auszuwählen.

Moderation

Den Weg einer verstärkten Moderation, die einerseits Hasspostings fernhält, andererseits die Privatsphäre von Nutzern wahrt und die mittlerweile recht erfolgreich auch in Deutschland und der Schweiz bertrieben wird, beschreitet man bei profil.at derzeit nicht. Laut Dulle gibt es eine verantwortliche Person für alle Plattformen unter News Networld, die bei gröbsten Verstößen nachträglich einschreitet.

Die futurezone hat auch bei Christian Rainer noch einmal nachgefragt, wie es um eine sinnvolle Umsetzung der Klarnamenpflicht bestellt ist.

futurezone: Wie sinnvoll ist diese „Klarnamenpflicht“, wenn sie offenbar überhaupt nicht überprüft wird?
Christian Rainer: Wir sind der Meinung, dass die auch bei Klarnamenpflicht eingeschränkten Möglichkeiten, strafrechtlich relevante Sachverhalte aufzuklären und moralisch verwerfliches Verhalten dem Urheber zuordnen zu können, nicht dazu führen dürfen, dass allen potenziellen Verbrechern, allen Idioten und allen charakterfreien Gestalten ein Freibrief ausgestellt wird. Die Gegner der Klarnamenpflicht wollen offensichtlich nicht einmal klarstellen, dass Anonymität unerwünscht ist, wir schon. Da divergieren die Auffassungen über die Funktionsweise des Rechtsstaates und der Gesellschaft.

Wird über eine strenge Verifizierung nachgedacht, wenn ja, wie sollte die in Zukunft aussehen?
Ja. Wir werden das Ausmaß des Missbrauchs evaluieren und dann handeln.

Wäre eine intensivere Moderation des Forums keine Alternative?
Ein Blick auf die nach Eigenauskunft bestmoderierten Seiten des Landes bei standard.at sollte gezeigt haben, dass Moderation nur eine Begleitmaßnahme sein kann: Sie finden dort regelmäßig eine Anhäufung von rechtlich dubiosen und moralisch unerträglichen Postings.

Wie gehen Sie mit unbescholtenen Usern um, die bisher Nicknames nutzten - diese vielleicht auch woanders im Netz - und deren Privatsphäre nun dadurch gefährdet wird, weil sie plötzlich zuordenbar werden – etwa wenn jemand nach diesen Nutzern googelt? (Beispiel: Der Chef muss vielleicht nicht wissen, wenn jemand bei einer Singlebörse angemeldet ist.)
Falls die Anmeldung bei einer Singlebörse zu einem Problem würde und in allen anderen Fällen, kann ich empfehlen, einen neuen und unverbrauchten Nickname zu verwenden.

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Claudia Zettel

ClaudiaZettel

futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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Claudia Zettel

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