Terror-Finanzierung am Pokertisch
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
Sie sitzen irgendwo in Asien oder Osteuropa vor ihren Computern und machen nichts anderes, als Daten gestohlener Kreditkarten einzutippen. Sie füllen damit ihre Konten in Online-Pokerräumen auf, nur um die Beträge gleich wieder zu verlieren. An jene Mitspieler in anderen Erdteilen, die sie gewinnen lassen müssen.
"Die Organisierte Kriminalität (OK) und Terroristen haben die Online-Pokerwelt entdeckt und transferieren über diesen Kanal Geld von A nach B", erzählt Michael Mrak, Leiter der Datensicherheits- und Anti-Geldwäsche-Abteilung bei den Casinos Austria. Österreichische und europäische Plattformen sind für die Terrorszene zum Glück uninteressant, da es bei uns die Vorab-Identifizierung gibt. Aber es gebe weltweit noch eine Fülle von Online-Poker-Anbietern, denen es schlicht um Umsatz geht.
!
startimg454;endimg"Die sogenannten 7/7-Bombenattentäter waren alle Mitglieder in Online-Casinos und wurden über Pokerräume mit Geldmittel für ihre Anschläge versorgt", bestätigt Simon Dilloway, der bei New Scotland Yard die Geldflüsse der Terrorszene untersucht hatte und heute beim Sicherheitsunternehmen Lopham Consultancy beschäftigt ist. Am 7. Juli 2005 (daher 7/7) wurden Bombenanschläge in drei Londoner U-Bahnen und einem Bus verübt.
Der Geldfluss am Pokertisch
Wie die Terroristen Geld via Pokerräume transferieren, ist relativ einfach erklärt. Sie suchen sich zuerst Plattformen aus, auf denen mit "Anonymität" geworben wird, sprich, auf denen sie unerkannt bleiben. Meist gibt es in diesen Pokerräumen auch keine oder sehr hohe Spiellimits, daher können hohe Summen transferiert werden.
Die Spieler loggen sich in diesen Pokerräumen ein und spielen dann gegen die Gesinnungsgenossen, die das Geld über gestohlene Kreditkarten oder Kreditkarten-Informationen (Stichwort Phishing) besorgt haben. Mrak: "Da die einen ständig verlieren, wandert das Geld auf die Konten der anderen, die sich den Gewinn dann über den globalen Geldtransferdienst Western Union auszahlen lassen." Eine dieser Plattformen war www.freedom-cards.com, dort wurde, wie Dilloway mit einem Screenshot dokumentiert, mit dem Slogan "we do not require your ID or real name" geworben. Als Online-Casino wurde Freedom-Cards mittlerweile geschlossen.
Auftragsarbeit
Besonders stark ist - so haben Auswertungen der IP-Adressen der Spieler ergeben - die Ost- und asiatische Mafia in diesem Geschäft, so Mrak. In Südkorea etwa gebe es sogar Unternehmen, die solche Transaktionen übernehmen. Die Mitarbeiter tippen tagein, tagaus die Daten gestohlener Kreditkarten in Computer "oder sie spielen den ganzen Tag Poker, mit der Aufgabe, das Geld zu verlieren", erklärt Mrak. "Sie sind mitunter auch via Skype mit ihren Gegenspielern verbunden, damit nichts schiefgeht."
(Gerald Reischl)
1:1-Kopie: Mit kopierten Logos und Homepage-Designs wirken die Phishing-Seiten so, als stammten sie von seriösen Geldinstituten. Kreditkartendaten sind besonders begehrt, da sie im Cyberspace bares Geld bedeuten.
Reklamation Karteninhaber müssen im Missbrauchsfall binnen 30 Tagen ab Erhalt der Monatsabrechnung handeln, um die Reklamationsfrist zu wahren.
Phisher-Alltag: Im Blog von ha.ckers.org etwa wurde schon 2007 der Fall eines 18 Jahre alten Phishers beschrieben, der in seiner 5-jährigen Karriere mehr als 20 Millionen Kreditkartendaten gefischt hat. Er arbeitete im Schnitt drei bis vier Tage pro Woche und verdiente bis zu 4000 Dollar pro Tag.
Kommentare