Die Terrorgruppe ISIS nutzt soziale Medien, um ihre Botschaft im Internet zu verbreiten
Die Terrorgruppe ISIS nutzt soziale Medien, um ihre Botschaft im Internet zu verbreiten
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Terrorgruppe ISIS im Irak

Islamisten führen Dschihad im Internet

Die militante Gruppierung Islamischer Staat im Irak und Syrien - abgekürzt ISIS - nutzt wie andere terroristische Organisationen gerne das Internet, um sich zu repräsentieren. In YouTube-Videos, Instagram-Fotos und Twitter-Postings können Unterstützer und Gegner in die erschreckende Welt des Dschihads eintauchen. Ob Aufnahmen von Plünderungen, Selbstporträts von Kämpfern mit abgeschnittenen Körperteilen ihrer Gegner oder Beschreibungen des "ersten Males" (der erste eigenhändige Mord) - alles wird mit der Handykamera aufgezeichnet und online weiterverbreitet.

Maskierte und unmaskierte Kämpfer, sowie Fahnen dominieren die meisten Bilder des IS. Sie sollen Stärke und ein Gemeinschaftsgefühl demonstrieren. (Archivbild)

Motive

Mit dem massiven Einsatz von sozialen Onlinemedien werden verschiedenste Ziele verfolgt. Gezeigte Erfolge im Eroberungskrieg um Territorien motivieren die eigenen Unterstützer und helfen bei der Rekrutierung neuer Kämpfer. Potentieller Widerstand in noch nicht eroberten Gebieten soll im Keim erstickt werden. Die kriegsmüde Bevölkerung wird davon überzeugt, dass es besser ist, sich zu unterwerfen oder überzulaufen.

Laut Medienpsychologe Peter Vitouch könnte die Motivation der hauptsächlich sunnitischen ISIS-Anhänger, ihre Erfolge online zu präsentieren, mit der langjährigen Unterdrückung der Sunniten im Irak zusammenhängen. "Das ist vollzogene Revanche, ein Wohlgefühl, jetzt auch Inhaber der Macht über Leben und Tod zu sein."

Ein 61 Minuten langes Video, das von ISIS vor einigen Tagen ins Internet gestellt wurde, soll Angst und Schrecken unter den Gegnern der Organisation verbreiten. Darin gezeigt werden unter anderem brutale Hinrichtungen von Polizisten, Drive-by-Schießereien oder Ermordungen von schiitischen Zivilisten. Feindliche Soldaten sollen eingeschüchtert werden, wenn sie sehen, wie ein gefangener Kommandeur das eigene Grab schaufelt und dann vor der Kamera umgebracht wird.

Die Terrormiliz Islamischer Staat hat zwei Geiseln freigelassen.

Kompetenz

Social-Media-Plattformen, auf denen Grausamkeiten dieser Art landen, bemühen sich, die jeweiligen Konten zu sperren und Inhalte zu löschen. Doch die ISIS-Kämpfer sind online genau so hartnäckig wie offline. Beim Katz'-und-Maus-Spiel zwischen den Überwachern der Nutzungsbedingungen und Portal-Nutzern, die sich unter neuen IP-Adressen immer wieder ein neues Konto zulegen können, sind letztere immer einen Schritt voraus.

Dass Terroristen gut mit neuen Medien umgehen können, ist ein bekanntes Phänomen. Im Mai veröffentlichte der US-Forscher Gabriel Weimann einen Bericht mit dem Titel "New Terrorism and New Media". Darin hält er fest, dass gerade Twitter beliebt ist. Der Kurznachrichtendienst erlaubt schnelle, einfache, anonyme Kommunikation. ISIS hat es wie keine andere Terror-Organisation verstanden, Twitter in ihren Dienst zu stellen. Bei ihrer Social-Media-Strategie ist ISIS anderen Terror-Organisationen überlegen.

Eigene App

Der Schlüssel zur Dominanz auf Twitter ist eine App namens "Dawn", die unter den ISIS-Fans verbreitet wird. Ist die App auf Smartphone oder Tablet installiert, erhält sie die Erlaubnis, fertig formulierte Tweets, die von ISIS generiert werden, über das eigene Twitter-Konto zu posten. Parallel werden Hashtags generiert und in Postings von ISIS-Unterstützern beworben. Beide Schritte führen dazu, dass offizielle ISIS-Werbebotschaften unter den ersten Suchergebnissen zur Thematik landen und ISIS-Konversationen regelmäßig zu den "Trending Topics" - den beliebtesten Gesprächsthemen auf Twitter - zählen.

Neben Twitter bieten aber auch andere Dienste entscheidende Vorteile bei der Kommunikation. "Facebook ist besser als Foren. Statt auf Leute zu warten, um sie zu informieren, gehst du zu ihnen und bringst ihnen Dinge bei", lautet ein Zitat aus einem islamistischen Forum.

Sehr verbreitet sind auch Bilder von weißen Toyotas, die durch die Wüste im Irak und in Syrien fahren.

Unterstützung

Unter den Kämpfern der ISIS befinden sich viele Personen, die solche Erkenntnisse schon längst erzielt haben. Sie kommen aus westlichen Staaten und kämpfen in Syrien und dem Irak, um ihre lokalen Gesinnungsgenossen zu unterstützen. Sätze auf Facebook mit "LOL" zu beenden ist ihr Alltag. Auch wenn damit blutverschmierte "Selfies" kommentiert werden. Der Dschihad wird zum Spaß-Trip. Um diesem Eindruck entgegenzuwirken, hat das Center for Strategic Counterterrorism Communications des US-Innenministeriums einen eigenen Twitter-Auftritt eingerichtet.

Unter dem Motto "Denk noch einmal darüber nach, wende dich ab" lässt sich @ThinkAgain_DOS auf dem Kurznachrichtenportal auf Diskussionen mit Unterstützern von ISIS und Al-Kaida ein. In Bildern und Videos werden die Gräueltaten der Terrororganisationen gegen ihre vermeintlich eigene Bevölkerung aufgezeigt. Außerdem werden abschreckende Beispiele präsentiert, wie jenes eines deutschen Rappers Denis Cuspert, genannt "Deso Dogg", der den Krieg als lustiges Freizeitvergnügen darstellte und nun vermutlich tot ist.

"Ausländische Kämpfer unter Terroristen könnten durchaus ähnliche Motive wie die Lokalbevölkerung haben, nur in einem weniger kollektiven Sinn. Viele leiden unter einem gescheiterten Leben, der Unfähigkeit, sich in einer Gesellschaft einzuordnen, zu reüssieren", meint Medienpsychologe Vitouch. "Mit der Waffe in der Hand werden sie dann endlich anerkannt und erhalten eine Gelegenheit, vor den ganzen Schwierigkeiten in der eigenen sozialen Gruppe zu fliehen."

Die Terrorgruppe ISIS droht mit neuen Waffen (Archivbild).

Blockadeversuch

Die irakische Regierung will der trickreichen Taktik von ISIS im Social Web mit einer vollständigen Blockade ein Ende bereiten. Am Freitag, 13. Juni, hat sie eine Sperre über Facebook, Twitter, YouTube, WhatsApp und andere Dienste im Land verhängt. Am Montag, 16. Juni, forderte die irakische Regierung die fünf größten Internetprovider des Landes auf, den Internetzugang für die Provinzen, in denen ISIS die Kontrolle übernommen hat, komplett zu sperren.

Laut Medienpsychologie Peter Vitouch, ist die Taktik, die Nachrichtenverbreitung möglichst zu unterbinden, bekannt und bewährt. "Für Terroristen wäre nichts unangenehmer, als nicht beachtet zu werden. Früher hat man auch bei Flugzeugentführungen überlegt, ob man solche Angelegenheiten verschweigen sollte, um Terroristen das Podium zu entziehen, um Angst und Schrecken zu verbreiten."

Der Verlust an physischem Boden gegenüber ISIS bedeutet jedoch auch einen Verlust der vollständigen Kontrolle über den landesweiten Internetzugang. In einigen Regionen des Irak können die gesperrten Seiten weiterhin aufgerufen werden. Der Internetzugang wird teilweise über Satellitenverbindungen oder direkte Anschlüsse zu benachbarten Ländern hergestellt.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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