Marcus Grausam
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Digital Life

"Viele Firmen wissen gar nicht, was mit IoT möglich ist"

Das Internet der Dinge wird Unternehmen in den kommenden Jahren vielfältige Chancen eröffnen. Der Markt rund um vernetzte Geräte und Sensoren wächst und Technologien wie der neue Mobilfunkstandard 5G beschleunigen den Trend. Wir haben mit Marcus Grausam, dem CEO von A1 über die Möglichkeiten und Herausforderungen des Internet of Things (IoT) gesprochen.

futurezone: Der Begriff Internet of Things stammt ursprünglich aus der Logistikbranche. Welche Bedeutung hat er heute?
Marcus Grausam: Am Beginn wurde der Begriff in der Logistik verwendet, aber jetzt ist er viel weiter zu fassen. Er steht dafür, Abläufe und Prozesse intelligenter, smarter zu machen. Als Mobilfunker haben wir früher Menschen mit Menschen verbunden, jetzt verbinden wir auch Dinge mit Dingen. So gut wie jedes Ding kann in das Internet eingebunden werden. Wenn man die dadurch gesammelten Daten analysiert, kann man Abläufe und Prozesse verbessern.

Welche Branchen werden durch IoT wahrscheinlich am meisten profitieren?
IoT ist definitiv ein Treiber der Digitalisierung und die wird so gut wie jede Branche erfassen, nicht nur in der Industrie, sondern auch im Privatbereich. Smart Home wird von IoT profitieren sowie unter anderem auch der Pflegebereich. Durch neue Kommunikationsgadgets wie Sturzsensoren kann viel Zeit bei Rettungseinsätzen gespart werden. Sensoren in Medikamentenpackungen könnten künftig darauf hinweisen, wenn der Packungsinhalt zur Neige geht. Ein weiterer Anwendungsbereich wäre noch Smart City. Dazu gibt es unzählige Beispiele für Pilotprojekte, die wir bereits umsetzen: In Villach erfassen wir etwa, wie viele Autos in die Stadt fahren und wo sie parken. Das gestaltet Verkehrswege in einer Stadt wesentlich effizienter. In Graz läuft ein Experiment zur Erfassung der Luftgüte durch Sensoren auf Öffis. Im Bereich Smart Logistics haben wir etwa gemeinsam mit der Rail Cargo Group Güterwaggons mit einer intelligenten Telematiklösung ausgerüstet. Durch die damit verbundene Positionserkennung, Bewegungssensorik und Stoßerkennung weiß man immer wo die Waggons sind, in welchem Zustand sie sich befinden und - noch wichtiger - in welchem Zustand sich die zu transportierende Ware befindet. Beim Lebensmitteltransport kann sogar die Kühlkette besser überwacht werden.

Wie schwierig oder einfach ist es, IoT zu nutzen?
Bei manchen Menschen gibt es die Erwartung, man legt einen Schalter um und IoT ist da. So einfach ist das allerdings nicht, es ist ein Entwicklungsprozess. Eine Voraussetzung ist schon mal Konnektivität, 5G und die Entwicklung von geeigneten Sensoren. Erst wenn diese Basis vorhanden ist, können Anwendungen entstehen. Um diese Entwicklungen zu unterstützen haben wir ein IoT-Ökosystem kreiert, zu dem unter anderem das A1 IoT Labor zählt, zu dem unsere Partner, Start-ups und jeder, der eine Anwendung testen möchte, Zugang hat. Jede Sparte steht da vor anderen Herausforderungen.

Laut einer A1-Umfrage von 2018 sehen die meisten heimischen Firmen IoT als Chance. Gleichzeitig erscheint ihnen Österreich bei dem Thema eher unterdurchschnittlich entwickelt. Woran liegt das?
Einige Länder sind bei IoT besser vorbereitet als Österreich - etwa Südkorea, wo früher mit dem Aufbau von 5G begonnen wurde. Viele Unternehmen in Mitteleuropa stehen einer Herausforderung gegenüber, die sie nicht ausreichend verstehen. Sie kennen ihre Produktionsprozesse, aber die Technologie für das IoT nicht. Sie wissen außerdem oft gar nicht, was mit IoT alles möglich ist. Wir bringen hier unser Know-How ein und unterstützen bei diesen Digitalisierungsprozessen, denn das Thema ist sehr komplex. Einer alleine kann das nicht lösen. Deshalb sind Partnerschaften so wichtig.

Marcus Grausam

A1-CEO Marcus Grausam (re.) beim futurezone-Interview

Zu IoT gibt es teilweise massive Sicherheitsbedenken. Wie kann man das Hacken von Geräten und Sensoren künftig möglichst effizient verhindern?
Genauso wie in der analogen Welt gibt es in der digitalen Welt schwarze Schafe. Durch die Anonymität im Netz trauen sich diese sicher mehr, deshalb ist es auch besonders wichtig Awareness zu schaffen. Security ist ein ernst zu nehmendes Thema. Wir haben eine Cybersecurity Range eröffnet, wo Experten mit simulierten Cyberangriffen trainiert werden. Im Wiener Arsenal haben wir unser Security Operations Center aufgebaut. Besonders wichtig dabei ist, dass der Sicherheitsaspekt durchgehend bedacht wird. Bereits bei der Konzipierung von Produkten sollte man ihn mit bedenken.

Wie interessant ist die Blockchain für A1?
Blockchain ist eine sehr spannende Technologie. Wir haben mit der A1 Paketstation eine Smart-City-Logistics-Lösung, bei der wir bereits damit arbeiten. Weitere Projekte sind geplant - noch nicht im Kerngeschäft, aber ich will nicht ausschließen, dass wir Blockchain künftig auch im Kerngeschäft einsetzen. Gemeinsam mit Partnern arbeiten wir etwa an der Entwicklung von Technologien, um Identitätsdiebstahl vorzubeugen.

Im Privatbereich verspricht IoT Komfort und Individualisierung, Kritiker sehen darin aber auch einen Verlust der Privatsphäre und befürchten zunehmende Überwachung. Wie sehen Sie dieses Spannungsverhältnis?
Da ist Aufklärung notwendig. Jeder einzelne von uns kann einen Beitrag leisten, um seine Daten zu schützen. Wenn ich etwa einen Fitnesstracker verwende, kann ich einstellen, was mit den Daten passieren darf. Wenn ich alles zulasse, darf ich mich nicht wundern. Die Datenschutzregeln in Österreich und Europa sind relativ scharf. Europäische Unternehmen halten sich auch daran. Wir arbeiten ausschließlich mit anonymisierten, aggregierten Daten. Da sehe ich eine relativ geringe Gefahr.

Welche neuen Möglichkeiten bei IoT eröffnen sich durch 5G?
5G wird die Verbreitung von IoT massiv beschleunigen. Die Architektur ist eindeutig für IoT ausgelegt. Das sieht man, wenn man sich die Kernmerkmale von 5G ansieht, wie die geringen Reaktionszeiten. Diese braucht man als Mensch beim Internet-Surfen eher nicht. Neben der Echtzeitkommunikation können im Unterschied zu 4G viel mehr Endgeräte in einer Mobilfunkzelle erfasst werden. Wir sprechen hier von einem Faktor eins zu einer Million. Außerdem verlangt 5G nur einen sehr niedrigen Energieverbrauch. Sensoren mit Batterien kommen dadurch auf eine sehr lange Lebensdauer.

Welche sind die größten Kunden von A1 im IoT-Bereich?
Die Zusammenarbeit mit den ÖBB bei den Smart Wagons ist eine kommerzielle Partnerschaft. Im Smart-City-Bereich gibt es derzeit Tests, aber wir sind kurz davor, hier kommerzielle Partnerschaften einzugehen. Es gibt großes Interesse österreichischer Unternehmen an Network Slices bzw. Campus-Netzwerken - etwa so, wie wir das bereits am Flughafen Wien umgesetzt haben. Da wird in den nächsten Monaten das eine oder andere Projekt folgen.

A1 hat das Digital IoT Labor gegründet. Wer kann das nutzen?
Nutzen kann das jeder, vom Start-up bis zum Riesenkonzern, der seine Geräte und Anwendungen in einer echten 5G-Umgebung testen will. Jeder ist herzlich eingeladen, uns zu kontaktieren, um seine Anwendungen alleine oder gemeinsam mit uns zu testen.

Gemeinsam mit der futurezone hat A1 die IoT Challenge ins Leben gerufen.
Genau. Die Challenge ist eine Spezialausgabe von Austria's Next Top Start-up, ein Projekt, das wir bereits seit Jahren durchführen, um zum einen an die richtigen Partner für unseren Start-up Campus zu gelangen und zum anderen, um gemeinsam mit Start-ups ihre Ideen weiter zu entwickeln und gemeinsam neue Lösungen zu schaffen. Diesmal haben wir das Thema auf IoT eingeschränkt, da wir das beste IoT-Start-up Europas finden möchten.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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