Quantum Break im Test: Das Zeitreisen ist ein Hund
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Von der ersten Ankündigung bis zum Release war Quantum Break vieles: Ein Krimi mit Zeitanhalte-Funktion, die neue Form des Entertainments, bei der die Handlungen des Spielers auf eine TV-Serie Einfluss nehmen und der wahrscheinlich wichtigste Xbox-One-Titel des Jahres 2016.
Herausgekommen ist ein Spiel, das unpoliert wirkt und von vier 25-Minütern begleitet wird, die den zweifelhaften Charme eines Fan-Movies haben, anstatt einer Multi-Millionen-Dollar-Produktion. Quantum Break hat zwar seine Momente, aber nicht das Flair, das ein Game des Studios Remedy (Max Payne, Alan Wake) haben sollte.
Zeitfrage
Der Spieler übernimmt die Rolle von Jack Joyce. Bei einem Experiment mit einer Zeitmaschine erhält dieser Zeitkräfte und muss damit künftig gegen die Söldner der bösen Firma Monarch kämpfen.
Im Herzen ist Quantum Break ein Third-Person-Shooter. Jack geht automatisch in Deckung, wenn er nahe genug an einer Wand oder einem Hindernis dran ist. Ein echter Deckungs-Shooter ist es aber nicht, da die Gegner sehr aggressiv vorgehen und man deshalb immer in Bewegung bleiben muss.
Zeitblase
Das sind die Momente, in denen Quantum Break brilliert. Im Spielverlauf gibt es einige Situationen, in denen die Zeit aufgrund einer Anomalie still steht – außer für Jack und Feinde mit Chrono-Anzug. In dieser Zeitblase kämpft man gegen Chrono-Soldaten, die ähnliche Kräfte haben. Dazu gehört etwa das blitzschnelle Bewegen, weshalb die Feinde plötzlich neben oder hinter einem stehen können.
Daraus ergibt sich ein Katz-und-Maus-Spiel. Das Herumflitzen, versuchen den Gegner zu flankieren, das taktische Platzieren einer Zeitbombe oder das Aufbauen des Zeitschilds im letzten Moment macht Spaß und fühlt sich erfrischend anders an als Shooter, bei denen es lediglich eine Bullet Time (die Remedy mit Max Payne „erfunden“ hat) oder ähnliche Funktion gibt, bei der alles kurz in Zeitlupe abläuft. Zerstört man die Chrono-Tanks der Feinde, bleiben sie in ihrer Sterbeanimation in der Zeit stecken, was ein beeindruckender Effekt ist.
Zeit zum Sammeln
Die Kämpfe außerhalb der Anomalien sind weniger spannend. Hier ist Quantum Break einfach ein Shooter, bei denen der Held ab und zu eine Superkraft einsetzt. Mühsam sind die Plattform-Abschnitte. Das System des Games ist nicht zum Springen und Klettern gedacht, entsprechend nervig sind solche Passagen.
Die Levels sind strickt linear, alternative Routen gibt es nicht. Lediglich einige Chronosplitter sind ein paar Schritte abseits des Wegs versteckt. Per Zeitblick taucht ein kleines Radar auf, das verrät, wenn ein Chronosplitter in der Nähe ist. Mit genügend Splittern können die Zeitkräfte aufgerüstet werden.
Neben den Splittern gibt es Beweise und Hintergrundinformationen zu sammeln. Diese sollen erläutern, was zwischen den Zeitreisen passiert ist und welche Motivation einige Charaktere für ihr Handeln haben.
Alan Wake auf Zeitreise
Dass Remedy (zurecht) stolz auf sein früheres Werk Alan Wake ist, ist auch im Spiel zu sehen. Allerdings hat das Studio es mit den Easter Eggs etwas übertrieben. Ein oder zwei wären ok gewesen, aber nach dem vierten, etwa in der Hälfte des Spiels, habe ich aufgehört mitzuzählen.
Die Handlung von Quantum Break versucht ähnlich mysteriös wie Alan Wake zu sein. Es wirkt aber es so, als hätte Remedy den Spielern nach Alan Wake nicht zugetraut, selbstständig Zusammenhänge zu erkennen. Im frühen Spielverlauf rätselt man noch mit und spekuliert, was dieser Hinweis und jene Anspielung für den Verlauf der Story bedeuten.
Doch später, wenn diese Sachen aufgeklärt werden, ist es nicht ein anerkennendes: „Hey, du hast Recht mit deiner Vermutung gehabt“ der Entwickler, sondern eher ein: „Siehst du, was wir gemacht haben? Wir haben den Hinweis dort platziert, weil wir damit auf das hier hingedeutet haben. Siehst du? Jetzt schau doch hin!“
Zeit zu entscheiden
Nach den Akten 1 bis 4 gibt es eine Entscheidungsmöglich zwischen A und B. Die Entscheidungen sind nur Details, die den Spielverlauf kaum beeinflussen. Es bleiben die gleichen Levels, ein Charakter wird vielleicht ausgetauscht oder ein kurzer Kampf ist anders.
Es gibt keine großen Aufdeckungen, keine neuen Fähigkeiten, keine neuen Levels, kein alternatives Ende. Es ist genau so, wie es der Antagonist Paul Serene im Spiel sagt: Egal was man tut, man kann die Zeit nicht ändern. Es läuft immer auf das Gleiche hinaus.
Fernsehzeit
Nach den Entscheidungen gibt es eine 25-minütige Episode zu sehen, gedreht mit den echten Schauspielern, die auch die virtuellen Charaktere verkörpern. In den Episoden 1 bis 3 sind vielleicht drei bis fünf Minuten anders, je nachdem welche Entscheidung man getroffen hat. Lediglich in Episode 4 unterscheidet sich gut die Hälfte des Materials.
Die Handlung der Episoden dreht sich um Nebencharaktere, mit denen man während des eigentlichen Spiels nicht viel zu tun hat. Diese Charaktere sind aber uninteressant. Die deutsche Sprachausgabe der Episoden ist nicht gut. Zwischendurch klingen die Stimmen anders, an einigen Stellen in der ersten Episode wechselt die Sprache. Dieses Problem soll per Day-One-Patch behoben werden. Einige Synchronsprecher scheinen zudem ihren Job nicht ernst genommen zu haben.
Gepaart mit der teilweise laienhaften Performance der Schauspieler, wirken viele Szenen lächerlich. Die Kostüme, Special Effects und „dramatischen“ Kameraeinstellungen, vermitteln zudem den Eindruck, einen Fan-Movie zu sehen, anstatt eines offiziellen Tie-Ins für ein Spiel. Immerhin vermittelt das penetrante Product-Placement einen Hauch von Hollywood. Kaum eine Szene, in der nicht ein Lumia-Handy, Surface-Tablet oder Nissan-Auto zu sehen ist.
Die Episoden werden gestreamt. Keine Internetverbindung = keine Episoden. Selbst wenn die Internetverbindung ausreichend schnell ist und ein sauberes FullHD-Video zu sehen ist, stottert das Bild, was die Actionszenen furchtbar zum Anschauen macht. Mit dem Day-One-Patch wird es möglich sein, die Episoden vorab herunterzuladen. Selbst wenn man eine gute Internetverbindung hat sollte man das machen, damit es später keine Ruckler bei der Wiedergabe gibt.
Spielzeit
Im ersten Durchgang benötigte ich für Quantum Break achteinhalb Stunden, wovon 4x 25 Minuten auf die Live-Serie entfielen. Dabei habe ich versucht alle Extras und Hintergrundinformationen zu sammeln.
Über die Option Zeitstrang kann man das Game an den Stellen neu starten, an denen die Entscheidungen getroffen werden. So muss man nicht das gesamte Spiel von vorne starten, falls man etwa nur wissen will, wie sich Akt 2 oder Episode 4 verändern, wenn man sich für Variante B statt A entscheidet. Da die Auswirkungen auf das Game nur gering sind und es keine alternativen Enden gibt, ist die Motivation zum mehrmaligen Durchspielen eher gering.
Zeit für ein Resümee
Man kann das gute Konzept hinter der Zeitreise-Story des Spiels erkennen. Bei den Kämpfen in den Zeitblasen merkt man, wo die Stärken von Quantum Break liegen und wundert sich, warum es nicht mehr davon gibt.
Leider passt die Gangart von Quantum Break nicht. Die Action ist sehr schnell, die Erkundungspassagen dazwischen langsam und die 25-minütigen Episoden verdonnern den Spieler zur Inaktivität. Dafür wirkt dann wieder der Wechsel zwischen den Levels zu sprunghaft – als hätte man aus Zeitgründen etwas ausgelassen.
Zeit dürfte ein großes Problem bei der Entwicklung von Quantum Break gewesen zu sein. Es wirkt unfertig oder zumindest nicht ausreichend poliert. Einige Animationen sind hölzern, es gibt keinen Lipsync bei Ingame-Sequenzen mit der deutschen Sprachausgabe und die TV-Episoden hätten nicht nur mehr Zeit, sondern auch Budget erfordert.
Was bleibt ist gutes Mittelmaß. Quantum Break ist nicht beeindruckend genug, um Begeisterungsstürme wie damals Max Payne auszulösen und nicht markant genug, um die Spieler so zu spalten wie Alan Wake.
Quantum Break ist ab dem 5. April für Xbox One und PC erhältlich.
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