"Festplattenabgabe": Der Wurm ist im System
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Wir brauchen keine "Festplattenabgabe", denn wir haben eine: Der Oberste Gerichtshof hat Ende 2013 die "Multifunktionalität" von Festplatten als keinen Hinderungsgrund für eine Vergütungspflicht erkannt und das Oberlandesgericht Wien im Frühjahr 2014 seinerseits die Vergütungspflicht für Smartphones. Die "Leerkassettenvergütung" ist also hinreichend zukunftssicher, sodass es in dieser Hinsicht eigentlich keiner legistischen Adaptierung bedarf.
Mit rechtswidrigen Tarifkriterien zu mehr Privatkopie-Vergütung
Auch mit Blick auf in der Gegenwart oder Zukunft anhängige Gerichtsverfahren wird eine Neuregelung des Urheberrechts keine Verbesserung erzielen: denn der Gesetzgeber legt keine Vergütungshöhen fest, greift also nicht in die Tarifautonomie der Verwertungsgesellschaften ein, sondern liefert lediglich Kriterien für die Tarifbemessung. Verwertungsgesellschaften und Gerätehersteller werden aller Voraussicht nach auch nach einer Novellierung weiterhin vor Gericht über Tarifhöhen streiten, wie das Beispiel Deutschland zeigt.
Zwei der schon im Arbeitspapier des Justizministeriums zur Urheberrechtsnovelle im Jahr 2012 aufgeführten Kriterien zur Tarifbemessung verstoßen gegen die InfoSoc-Richtlinie und damit europarechtswidrig sind: die Vergütung ist ausschließlich ein Ersatz für den Nachteil, den Rechteinhaber aus dem Recht zur Privatkopie erleiden, weder ein "Vorteil" für den privaten Nutzer, noch gar die wirtschaftliche Entwicklung des Gerätemarktes dürfen bei der Bemessung der jährlichen Schadenshöhe eine Rolle spielen. Im Extremfall würden private Nutzer und Konsumenten das Dreifache dessen zahlen, was angemessen wäre.
Private Nutzer sollten Vergütung zahlen – müssen sie aber nicht
Aber sind die Konsumenten wirklich von der "Festplattenabgabe" betroffen? Die austro mechana wird nicht müde zu betonen, dass die Vergütungen keinen oder einen kaum spürbaren Effekt auf die Endpreise von Geräten haben und haben werden: die von vielen befürchteten massiven Preissteigerungen seien nicht zu erwarten. Das ist aber eindeutig nicht im Sinne des Systems der Privatkopie-Vergütung, zu dem erst kürzlich der Europäische Gerichtshof erneut festgehalten hat, dass in jedem System letztlich nur die privaten Nutzer den Schadenersatz zu leisten hätten. Jede neue Vergütungspflicht und jeder neue Tarif müsste also systemkonform 1:1 im Geldbörsl der privaten Nutzer und Konsumenten spürbar sein. Dass die Verwertungsgesellschaften damit werben, dies sei nicht der Fall, ist ein klares Indiz dafür, wie weit Anspruch und Wirklichkeit sich inzwischen von einander entfernt haben.
Das komplexe Tarifsystem ist weder gerecht noch treffsicher
Wie realitätsfern das System der geräteabhängigen Privatkopievergütung geworden ist, zeigt sich auch an der Komplexität des Tarifsystems. Für eine 7-MB-Musikdatei zahlen private Nutzer laut Austro Mechana-Gerätetarifen rechnerisch im Durchschnitt 0,6 Cent Privatkopievergütung (bei angenommenen zehn Vervielfältigungen). Wer einen MP3/MP4-(Audio)-Player (< 512 MB) erwirbt, zahlt jedoch zwei Cent pro Kopie, 0, 1 Cent pro Kopie zahlt, wer eine interne oder externe Festplatte (500 GB bis 1 TB) erwirbt. Diese vordergründig sehr günstigen Tarifberechnung setzt jedoch voraus, dass sich auf den Speichermedien nichts anderes als Privatkopien befinden, was jedoch nicht zutrifft. Eklatant hingegen die Unterschiede, mit der in Abhängigkeit zur Kapazität die "Schadenshöhe" ermittelt wird: verursacht eine Privatkopie auf einem MP3/MP4-Player wirklich das 20fache des Schadens, den eine Privatkopie bspw. auf einem Tablet verursacht? Ist das treffsicher?
Keine Transparenz, keine Kontrolle, keine Zukunft
Die rechtlich gesehen Nutzlosbestimmung der übergangsweisen Deckelung des Gesamtaufkommens der Speichermedienvergütung 2015 bis 2018 auf jährlich 20 Millionen Euro (im Entwurf § 116 Abs 9), macht deutlich, wie freischwebend der "Schadenersatz" errechnet wird. Nicht das tatsächliche, empirisch fundiert erhobene Ausmaß an Privatkopien, die pro Jahr von österreichischen Nutzern erstellt werden, ist maßgebend, sondern das, was die Verwertungsgesellschaften ans vermeintliche Christkind Josef Ostermayer schreiben. Diese Gesamtsummen entstehen durch die simple Multiplikation von "Tarif" und "Anzahl verkaufter Geräte". Das System sieht jedoch den umgekehrten Weg vor. Der ermittelte jährlicher Gesamtschaden auf Basis empirischer Untersuchungen soll der in Durchschnittsbetrachtung auf die privaten Nutzer umgelegt werden. (Und nein, Studien wie die der GfK, deren Methodik geheim und deren Ergebnisse nur ausschnittsweise an die Öffentlichkeit gelangen, sind nicht hinreichend.)
Die Vielzahl der Geräte-Arten und -Kapazitäten am Markt macht die Tarifberechnung zu einer hochkomplexen und anfälligen Materie, deren Ergebnis weder im Einzelfall noch in der Gesamtschau plausibel ist. Da spielt die anscheinend geplante Einführung einer "PC-Abgabe" im Grunde auch keine Rolle mehr. Hingegen die vom Juristen Michel Walter kürzlich in der Fachliteratur als Vorschlag formulierte "Speicherplatz-Vergütung" (= "Cloud-Abgabe") zeigt die Unfähigkeit des geräteabhängigen Systems, auch in Zukunft der Realität gewachsen zu sein.
Anstelle einfach "a la mode autrichienne" so weiter zu wurschteln wie bisher und unsere Kräfte in gegenseitigen Lobbying-Aktivitäten zu verbrauchen, sollten wir gemeinsam an zukunftsfähigen, den gerechten Ausgleich zwischen Urhebern und privaten Nutzern wirklich herstellenden Alternativmodellen arbeiten. Und gleichzeitig die Finanzierung der sozialen und kulturellen Einrichtungen für Künstler und Kulturschaffende auf eine sichere Basis stellen. Von der bestehenden Regierung ist da jedoch nicht viel zu erwarten.
Joachim Losehand ist Kulturhistoriker, WissenschaftlicherLeiter der Studie „Gemeinnützige Medienarchive in Österreich“ und Vorstandsmitglied des Vereins für Internet-Benutzer Österreichs (VIBE)
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