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Magnetisch

Induktionsladen: Marketing-Gag ohne Nutzen

Hochauflösende Displays hat mittlerweile jeder, zwei oder gar vierkernige Prozessoren zählen ebenso schon zum Standard. Wer die Spezifikationen aktueller Smartphones vergleicht, wird feststellen: Im Inneren sind die Handys mehr oder weniger alle gleich.

Um sich von der Masse an immergleichen Smartphones abzuheben, muss also etwas Neues her. Eine Funktion, die cool klingt, praktischen Nutzen verspricht und sich auch noch gut vermarkten lässt. Bei den Flat-TVs war dies die vergangenen Jahre die 3D-Funktion. Bei Handys droht nun das induktive Laden diese Rolle einzunehmen. Nokia hat mit seinen kommenden Windows Phone 8 Geräte vorgelegt, LG und Google ziehen nun nach.

Die Drahtlos-Lüge
Nach NFC scheint sich das „kabellose" Laden via Induktion zum nächsten Standard-Feature zu entwickeln. Die Prämisse: Man braucht keine lästigen Kabel mehr, man legt stattdessen das Telefon einfach hin und es beginnt zu laden. In der Theorie klingt das zweifellos reizvoll, in der Praxis ist diese Art der Energieübertragung jedoch einzig und alleine unpraktisch – wie die Nutzung eines Palm Veer nach knapp zwei Jahren zeigt.

Die Idee, Handys mittels Magnetismus zu laden ist nicht neu. Seit Jahren bewerben Zubehör-Hersteller, aber auch Batterie-Konzerne wie Duracell (Powermat) diese Art des Ladens. Über eine übergestülpte Hülle kann ein Handy seit vielen Jahren „drahtlos" geladen werden, indem es auf eine Induktionsfläche gelegt wird. Der mittlerweile nicht mehr existente Smartphone-Hersteller Palm hat als einer der ersten die für das Laden notwendigen Spulen in die Geräte direkt eingebaut. 2010 war dies beim Palm Pre+ der Fall. Er wurde mit einem induktiven Ladegerät ausgeliefert.

Kabellos mit Kabeln
Bei der Präsentation auf der CES in Las Vegas sorgte das für viel Ahs und Ohs. Nach zwei Jahren Praxis-Einsatz hat sich diese Art der Stromversorgung jedoch als alltagsuntauglich erwiesen. Denn das Versprechen, kabellos laden zu können, ist schlicht eine Lüge. Ja, die Energie fließt tatsächlich kabellos von der Ladestation zum Handy. Nur: Die Ladestation selbst braucht weiterhin den Anschluss an die Steckdose. Man spart sich also lediglich einen Handgriff, nämlich das MicroUSB-Kabel in das Smartphone zu stecken.

Das ist keine zeitliche Ersparnis. Bequem ist es auch nicht, da man das Handy auf der Ladestation genau positionieren muss. Ein Zentimeter zu tief oder zu hoch und schon setzt der Ladeprozess nicht ein. Deutlich schwerwiegender ist jedoch, dass man freiwillig auf jede Kompatibilität verzichtet. Will man via Induktion laden, muss man immer das sperrige Ladegerät mit sich tragen. Denn im Gegensatz zu MicroUSB oder Apples Steckerformat sind die Ladepads kaum verbreitet und zu anderen Herstellern nicht kompatibel.

Keine Vorteile
Als Palm Veer Besitzer heißt das im Alltag: Immer den Touchstone inklusive MicroUSB-Kabel(!) und Netzstecker(!) im Reisegepäck mitnehmen – was beim Sicherheitscheck am Flughafen regelmäßig zu Extra-Checks führt. Einzig zu Hause scheint auf den ersten Blick eine fix verbaute Induktionsladestation als sinnvoll. Doch auch hier hat sich schnell gezeigt: Ob man das Handy auf die Ladestation legt oder direkt ans Kabel hängt, macht keinerlei Unterschied. Auch das Argument, dass via Induktion effizienter geladen wird, konnte nicht bestätigt werden, weshalb das „kabellose" Laden via Induktion als Marketing-Gag verbucht werden darf.

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