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Live aus Sunnyvale

Valley Blog: Die Suche nach Geschäftspartnern

Wenn Google shoppen geht...
Neulich habe ich auf einem Event den Kontakt zur Firma Wildfire hergestellt. Eine Social Media Agentur mit internationaler Spannweite. Die Gesprächsdichte in etwa: „Ah ha, klingt interessant. Das ist ja spannend. Dass es so was gibt!", Visitenkarten tauschen und weiter zum nächsten Small Talk. Ich denke mir, gut als Übung, aber vermutlich nix dahinter.  Insofern unerwartet, bekomme ich zwei Tage später eine Email: „Wir würden gerne mehr über PoolParty erfahren. Kannst Du zu uns kommen?". Darüber freue ich mich, prüfe meinen Terminkalender und lege mir eine Präsentationsstrategie zurecht. Zwei Tage später muss ich lesen, dass Google in Shopping-Laune war und mir meinen Kontakt für $250 Millionen weggekauft hat. Danke Google.

 

Mir dünkt es. Brav setze ich mich vor den Rechner und recherchiere. Das Resultat: auch zwei weitere Firmen auf meinem Terminkalender gehören in der Zwischenzeit einem der großen Shopping-Süchtigen. Das Spiel geht von vorne los. Was bedeutet: Ran an`s Telefon: Kalt-Akquise. Wobei man hierzulande nicht einmal von der Telefonzentrale abgewimmelt wird, sondern von einem Anrufbeantworter: „Wenn Sie die Durchwahl Ihrer Kontaktperson kennen, wählen Sie jetzt. Ansonsten schreiben Sie uns eine Email." Das habe ich probiert - mein Email-Eingang bleibt natürlich still. Mir rutscht die rosa Brille von der Nase: Das sprichwörtliche "anything goes" ist auch hier mit Dämpfern verbunden.

... wo das WWW auf geheiligtem Boden steht ...
Das Silicon Valley ist der Ort der modernen Technologien. Da darf es nicht wundern, dass es hier eine Organisation mit dem Mission Statement gibt: "universal access to all knowledge". Die Rede ist vom archive.org, gefördert mit jährlich 10 Millionen Dollar (unter anderem vom Ehepaar Gates). Ich treffe Roger MacDonald, den Semantic Leader der Organisation und er führt mich durch die heiligen Hallen im Hauptsitz in San Francisco. Heilig im wörtlichen Sinne, weil es sich beim archive.org-headquarter um eine ehemalige Kirche handelt, der irgendwann die Mitglieder ausgeblieben sind. Im Jahre 2009 hat das Archive das Gebäude gekauft (man stelle sich vor, jemand kauft die Karlskirche) und nun arbeiten nicht nur der Großteil der Mitarbeiter hier, sondern auch die physikalischen Speicher für die utopische Mission stehen hier. Das Archive fast derzeit 6,5 Petabyte (6.5 Millionen Gigabytes) Daten, die verteilt im ehemaligen Kirchenschiff stehen. Die Festplatten heizen praktischerweise gleichzeitig den Raum, keine Lüftung, kein hermetisches Irgendwas, einfach so. Den meisten IT-Spezialisten würde sich bei diesem Anblick wohl der Magen umdrehen.

... warum das Valley das Valley ist ...
Guido Appenzeller (CEO bei Big Switch Networks und Consulting Professor an der Stanford University) ist einer der Vorzeige-Deutschen im Silicon Valley. Er hat unter anderem seinen Teil zum ersten Businessplan des heutigen Google-Imperiums beigetragen. Sehr lehrreich war seine Keynote bei einer Veranstaltung der German American Business Association (GABA) in Palo Alto. Appenzeller sieht die Beziehung zwischen Europa und den USA in etwa so: Der hohe Ausbildungsstandard und die Verfügbarkeit von Experten in Europa sei in den USA undenkbar. Die Expertise in Strategie, Sales und Marketing aus den USA auf der anderen Seite sucht auch Seinesgleichen. Ein erfolgreiches Unternehmen schaffe es nun, eine Synergie aus dem Besten der beiden Welten zu nutzen. Ein weiterer Grund für den Erfolg des Valley-Soziotops: Die Stanford University als Seed-Engine für Top-Leute. Die Gründer von Google, Cisco, VMware und HP kommen alle von der Stanford University. Dort werden schon in einem sehr frühen Stadium die zukünftigen Konzernlenker gefordert und gefördert - von einer Universität und Professoren die unternehmerisches Denken in den Vordergrund stellen.

... und wieder unter`s Völkchen ...
Ich komme gerade von einer Veranstaltung der Meetup-Gruppe SVNewTech in Palo Alto. 195 Teilnehmende und 284 auf der Warteliste... Speed-Dating für Startup-Geeks. Wie das geht? Man wählt sich einen passenden Ort für so viele Kontaktsüchtige, stellt 30 Pizzaschachteln und diverse Getränke auf den Tisch und lässt 4 Startups je 5 Minuten präsentieren - quasi als Small Talk Grundlage für den folgenden Networking-Pow-Wow, der ca. 1,5 Stunden dauert.

Neben der Pizza wurde kredenzt:
1) Flowtab: eine Lösung für die Bestellung und Bezahlung von Getränken als mobile App
2) MovieLaLa: eine Social Media Plattform für die Vermarktung von Hollywood-Filmen
3) Alicanto: ein All-In-One CRM Lösung für Kleinunternehmen mit Templates für alles Mögliche
4) Clickberry: eine Video-Software für den Social-Media Alltag zur Vermarktung von Produkten

Die Qualität der Präsentation variiert von Hui bis Pfui, die Audienz ist nicht gerade zimperlich und attackiert mit ungemütlichen Fragen. Vor allem aber freuen sich alle, wenn dieser Teil vorbei ist, denn jetzt werden die Visitenkarten gezückt. Es finden sich ganze Gruppen von jungen, talentierten Hackern, Strategen, Visionären und Allgemein-Experten für alles. Mein persönliches Fazit: Eine Jobbörse mit Unterhaltungswert.

Unverhofft lerne ich dann doch zwei für mich spannende Personen kennen, die sich wundern, dass ich mich im B2B bewege und dass wir sogar schon Kunden haben. Zuhause angekommen stelle ich sofort den Kontakt via LinkedIn her und vereinbare einen Termin. Vielleicht bleiben die Firmenverhältnisse für die nächsten Tage stabil.

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