OPEN DATA

"Offene Daten stärken den Wirtschaftsstandort"

"Was passiert mit meinem Steuergeld?" Antworten auf diese Frage erhalten britische Bürger auf der Website WhereDoesMyMoneyGo.org, die übersichtlich darüber Auskunft gibt, nach welchen Regionen und Ressorts sich die Staatsausgaben aufgliedern. Die Datenbasis für den von der britischen Open Knowledge Foundation bereitgestellten Dienst bieten Daten der britischen Verwaltung, die in Großbritannien seit Anfang dieses Jahres über die Website data.gov.uk verfügbar gemacht werden.

Auch in den USA, wo ausgewählte Datenbestände der Regierung seit April 2009 in menschen- und maschinenlesbarer Form frei zur Verfügung stehen, sind zahlreiche Applikationen aus den von der öffentlichen Hand erhobenen Datenbeständen entstanden. Durchschnittliche Flugzeiten zwischen US-Städten je nach Wetterbedingungen lassen sich über Smartphone-Apps und Online-Dienste ebenso erfragen wie regionale Gesundsheitsdaten oder standortbezogene Werte zur Luftverschmutzung.


Innovative Anwendungen

In Österreich steht der freie Zugang zu den Daten der öffentlichen Hand noch ganz am Anfang. Die Forderung nach der Öffnung von Regierungsdaten ist aber auch hierzulande bereits zu hören. Die im vergangenen April gegründete Initiative Open Government Data Austria (OGD Austria) setzt sich dafür ein, dass öffentliche, nicht personenbezogene Daten - wie etwa Geo-, Verkehrs-, Haushalts- und Umweltdaten - der Öffentlichkeit automatisiert verarbeitbar zugänglich gemacht werden.

Dadurch würden innovative Anwendungen ermöglicht und die Bürgerbeteiligung an politischen Prozessen gefördert werden, so die Argumentation der Open-Data-Verfechter. Erste Erfolge zeigen sich bereits. Im Wiener Regierungsübereinkommen zwischen SPÖ und Grünen werden Open Government Data als Zielsetzung genannt. Die FUTUREZONE hat Peter Parycek, den Leiter des Zentrums für E-Government an der Donau-Universität Krems und Mitstreiter von OGD Austria, zu offenen Regierungsdaten in Österreich befragt.

Futurezone: Welchen Nutzen bringt Open Government Data der Gesellschaft?

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Parycek: Open Government Data bringt der Gesellschaft mehr Transparenz. Auf Basis von in maschinenlesbarer Form bereitgestellten Daten können aus Gesellschaft und Wirtschaft durch neue Intermediäre - wie etwa Vereine, Nichtregierungsorganisationen, Universitäten und Fachhochschulen - wunderbare neue Applikationen entstehen. Auch die Wissenschaft profitiert von diesen Daten. Sie können statistisch verwertet und mit anderen Datensätzen kombiniert werden.

Offene Daten stärken auch den Wirtschaftsstandort. Viele der Applikationen, die es in anderen Ländern bereits gibt, haben einen hohen lokalen Bezug. Damit wird für die lokale Wirtschaft Wertschöpfung generiert und die Lebensqualität verbessert.
Man darf auch nicht vergessen, dass der Nutzen dieser Daten mit jedem Datensatz, der dazu kommt, exponentiell steigt. In der Kombination der unterschiedlichen Daten können innovative Anwendungen, Websites und wissenschaftliche Analysen entstehen.

Futurezone: Warum wird Open Data jetzt zum Thema?

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Parycek: Dazu hat sicherlich beigetragen, dass offene Regierungsdaten sich durch die Initiativen der US-Regierung unter Barack Obama und der britischen Regierung erstmals in offiziellen Staatsstrategien wiedergefunden haben.

Es hat aber im angloamerikanischen Raum schon seit längerem Bewegungen und Initiativen gegeben, die mit Rohdaten arbeiten wollten. Etwa die britische Open Knowledge Foundation oder die Tageszeitung "The Guardian", die Open Data zum Thema gemacht haben, bevor die Thematik von den Regierungen aufgegriffen wurde. Da gab es schon gewisse Vorarbeiten.

Es ist auch kein Zufall, dass Obama Vivek Kundra als Chief Information Officer (CIO) ins Weiße Haus geholt hat. Der hat diese Funktion zuvor in Washington D.C. ausgeübt. Washington war unter den ersten Städten weltweit, die Rohdaten angeboten haben - von Excel-Listen bis hin zu Echtzeitabfragen aus Datenbanken.


Futurezone: Die Vorreiter von Open Government Data finden sich im angloamerikanischen Raum - warum dort?

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Parycek: Der Transparenzansatz ist in den USA oder den skandinavischen Ländern generell stärker ausgeprägt als in Österreich und Deutschland. Das zeigt etwa der Freedom of Information Act in den USA, welcher die Behörden zur aktiven Publikation der Informationen verpflichtet oder das Öffentlichkeitsprinzip in Schweden aus 1756, dies sind ideale Ausgangspunkte für Open Data.

In Deutschland wurde das Informationsfreiheitsgesetz, das jetzt auf Länderebene umgesetzt wird, erst vor wenigen Jahren eingeführt. In Österreich heißt es Auskunftsgesetz - ich darf also nachfragen. Die Unterschiede sind anhand dieser Begriffe erkennbar. In Österreich ist es Holschuld der Bürger, in den angloamerikanischen oder skandinavischen Ländern hingegen eine Bringschuld der Behörde.

Futurezone: Welche Hürden und Widerstände sehen Sie für Open Data in Österreich?

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Parycek: In Österreich ist einer der Diskussionspunkte, ob Open Data auch Free Data sein soll, das heißt, ob Daten auch frei abgegeben werden sollen. Gewisse Daten, etwa im Bereich der Justiz und Geodaten, werden bereits erfolgreich verkauft. Das würde Einnahmenverluste für die Verwaltung bedeuten. Durch die freie Abgabe der Daten würden vermutlich auch Mitarbeiter demotiviert, die sich gewisse Freiheiten erarbeitet haben, indem sie Teile des Budgets selbst verdienen. Da ist Widerstand zu erwarten.

Mit den Forderungen nach der freien Verfügbarkeit dieser Daten würde man den Bogen überspannen und vermutlich Trotzreaktionen in der Verwaltung hervorrufen. Es geht darum einen Mittelweg zu finden. Man könnte etwa sagen, dass Daten, die momentan erfolgreich verkauft werden, etwa im Justiz- oder Geodatenbereich, vielleicht in schlechterer Qualität oder im geringeren Umfang frei verwendet werden können. Eine weitere Variante wäre, dass die Daten bis zu einer gewissen Transaktionshöhe frei zur Verfügung stehen. Wenn die Applikation ein Erfolg ist, müssen die Anbieter dafür aber auch bezahlen.

Wichtig ist, dass diese Daten zu vernünftigen Bedingungen zur Verfügung stehen. Mit prohibitiven Preisen hemmen wir die Innovationskraft. Wenn ich bei jedem Experiment fragen muss, ob sich das rechnet, werden viele Sachen nicht probiert.

Futurezone: Lässt sich abschätzen, wie hoch die Kosten für die Aufbereitung der Daten wären?

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Parycek: Nein. Wir wissen nicht einmal genau, welche Daten auf Bundes-, Landes- und Gemeindebene überhaupt vorhanden sind und in welcher Qualität sie verfügbar sind. Dazu kommt ein zusätzliches Problem. Die Verwaltung weiß, dass ihre Daten nicht immer korrekt sind. Sie hat aber sehr hohe Ansprüche an sich selbst und wird sich vermutlich sträuben, diese Daten überhaupt herauszugeben.
In den USA und Großbritannien hat man das in Kauf genommen. Man hat gesagt, Hauptsache die Daten sind nach außen hin verfügbar. Ich würde mich auch in Österreich für einen solchen pragmatischen Ansatz aussprechen und am Anfang die Latte nicht zu hoch legen.

Wichtig ist, zu zeigen, was mit diesen Daten passieren kann und wieviel Kreativität in der Gesellschaft steckt. Die Politik vertraut ja nicht darauf, dass die Gesellschaft das Kreativitätspotenzial hat, um aus den Datensätzen vernünftige Dinge herauszuholen.

Ist erst einmal erkennbar, welches Potenzial in diesen Daten steckt, kann man nacharbeiten und die Datenqualität verbessern. Für die weitere Entwicklung von Open Data in Österreich sind Standards wichtig. Wenn alles läuft, wird das auch sehr schnell passieren.

Futurezone: Welche Signale vernehmen Sie aus der Politik und der Verwaltung?

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Parycek: Wir sehen, dass die Entscheider auf der Verwaltungsseite beginnen, über das Thema zu diskutieren. Teilweise aus persönlichem Interesse, teilweise weil es Anfragen aus der Politik - quer durch die Coleurs - gibt. Die Politiker sehen, dass sich in diesem Bereich etwas tut. Sie kennen die Entwicklungen in den USA und anderen Ländern. Viele von ihnen haben ein iPhone und sind mit Applikationen vertraut. Ich glaube durchaus, dass die weltweite Open-Data-Bewegung auch in die Köpfe der Politiker vorgedrungen ist.

Open Data wird etwa auch in der Vision 2020 auf der Plattform "Digitales Österreich", dem Koordinations- und Strategiegremium der Bundesregierung für E-Government in Österreich, bereits angedeutet. Insofern ist das Thema auf der tagesaktuellen Agenda und tauchet in einer offiziellen Strategie auf. Offene Regierungsdaten werden wohl im nächsten Jahr ein Punkt sein, mit dem wir uns intensiver beschäftigen werden.

Futurezone: Welche Art von Daten könnte in Österreich am ehesten freigegeben werden. Wo sehen Sie Bereitschaft in der Verwaltung und der Politik?

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Parycek: Ich glaube, es wird eine bunte Mischung sein. Im nächsten Jahr werden unterschiedliche Ministerien, aber auch Städte, damit beginnen, Daten, mit denen nichts verdient wird und die in guter Qualität vorliegen, erstmals freizugeben.

Ziel wäre es, dass wir im Laufe des nächsten Jahres ein schönes Portfolio an Daten zusammenkriegen und darauf aufbauend einen Wettbewerb um Applikationen starten können. Das macht aber erst Sinn, wenn die Daten da sind.

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(Patrick Dax)

Peter Parycek ist Leiter des Zentrums für E-Government der Donau-
Universität Krems und Vorsitzender der Projektgruppe E-Democracy & E-
Participation und Vorsitzender der Projektgruppe E-Government Schulung im
Präsidium des Bundeskanzleramtes. Zu seinen Forschungs- und Projektschwerpunkten zählen: E-Governance, Open Government, E-Democracy und Weiterbildung.

Links:

Donau-Uni Krems: Zentrum E-Government
Blog des Departments
Peter Parycek auf Twitter

Open Data in Österreich

Die im April gegründete Initiative Open Government Data Austria setzt sich für die Öffnung von Regierungsdaten in Österreich ein. Am Freitag, dem 3. Dezember, findet in in der Wiener Planungswerkstatt (1. Bezirk, Friedrich Schmidt Platz 9) ein Barcamp zum Thema statt. Tags darauf beteiligen sich die Initiative auch an einem globalen Open Data Hackday (Start um 11.00 Uhr im Raum D des Wiener MuseumsQuartiers). Im Juni ist in Wien eine Fachkonferenz zu Open Data geplant.

Links:

OGD Austria
Gov2.0camp
Open Data Hackaton

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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