Wahlen in Ecuador: Assange bangt um Asyl
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Nach zehnjähriger Amtszeit des linken Präsidenten Rafael Correa bestimmt Ecuador am Sonntag in einer Stichwahl einen neuen Staatschef. Es ist eine grundlegende Richtungsentscheidung, zudem muss Wikileaks-Gründer Julian Assange um ein Ende seines seit 2012 bestehenden Asyls in der ecuadorianischen Botschaft in London fürchten. Rund 12,8 Millionen Bürger haben die Wahl zwischen Correas früherem Vizepräsidenten Lenín Moreno von der Partei Alianza País (AP) und dem konservativen Oppositionsführer Guillermo Lasso von der Partei Creando Oportunidades (Chancen schaffen). Lasso hat bereits angekündigt, dass er bei einem Wahlsieg das Asyl für Assange beendet.
Bei der Wahl zwischen Moreno und Lasso geht es darum, ob das Land am Äquator weiter vor allem auf Verstaatlichungen und einen Ausbau der Sozialprogramme für ärmere Schichten setzt - oder ob es wie in anderen Ländern Südamerikas eine Wende mit weniger Staat und einer stärkeren Öffnung für private Investoren bevorzugt. Der nach einem Raubüberfall seit 1998 an den Rollstuhl gefesselte Moreno lag in den letzten Umfragen knapp vorn. Er will Correas weitgehend linksorientieren Kurs fortsetzen. Zugleich will er eine etwas unternehmerfreundlichere Politik einschlagen. Lasso verspricht Steuererleichterungen und eine Million neue Arbeitsplätze.
Assange auf Nadeln
Wenn Assange die Botschaft in London verlassen muss, droht ihm die Auslieferung an Schweden oder die USA und eine lange Haftstrafe. Schon die erste Wahlrunde, die Moreno gewann, verfolgte er intensiv über Twitter. Lasso wurde mit deutlichem Abstand in der ersten Runde Zweiter - er ist Eigentümer einer der größten Banken des Landes, der Banco Guayaquil - 2013 unterlag er bei der Wahl bereits Correa.
Ecuador, das sind nicht nur Vulkane, der Yasuní-Nationalpark und die Galapagos-Inseln, sondern es wurde unter Correa auch zu einem linken Laboratorium. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler krempelte es um, er sagte den Eliten den Kampf an und rief die Bürgerrevolution aus. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf stieg jährlich um 1,5 Prozent - verglichen mit nur 0,6 Prozent in den 25 Jahren davor. Zuletzt lag es bei rund 6200 Dollar im Jahr. Die Armutsquote konnte um 38 Prozent reduziert werden. Aber die Abhängigkeit vom Ölpreis ist eine Bürde, und die Umweltprobleme im Amazonasgebiet durch die Förderung sind dramatisch. Viele Indígenas mussten dort ihre Heimat verlassen.
Scheideweg
Dank der staatlichen Öleinnahmen hatte Correa auch stark in den Bau von Straßen, Kraftwerken und Krankenhäusern investiert. Auch außenpolitisch spielte Ecuador nicht nur wie im Falle Assange eine stärkere Rolle, es vermittelte Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der ELN-Guerilla. Viele Bürger blicken aber in diesen Tagen sorgenvoll auf die Krise Venezuelas unter der dortigen Linksregierung - die von Ecuador bisher gestützt wurde.
Wenn Moreno gewinnen sollte, werde er wohl eine weniger autoritäre Form der Bürgerrevolution mit vermutlich geringeren Staatsleistungen einleiten, meint der Lateinamerikaexperte Wolf Grabendorff, der als Gastprofessor an der Universidad Andina Simón Bolivar in Quito lehrt. Die Opposition hat sich aber schon darauf eingestimmt, dass ein Sieg Lassos nur durch Wahlfälschung verhindert werden kann, und will in diesem Falle das Land mit Demonstrationen lahmlegen. Ob und wie das Militär dann reagieren würde, das sei eine der ungewissen Fragen.
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