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Verkehr

Die vielen Formen des Radarkastens

Bisher sind Radargeräte zur Geschwindigkeitskontrolle meist als klobige, graue Kästen neben der Straße bekannt, in deren Eingeweiden man kaum den neuesten Stand der Technik vermutet. Wie man auf der Fachmesse Intertraffic in Amsterdam beobachten kann, sieht die Zukunft anders aus.

Radargeräte werden entweder stylisch oder immer kleiner. Die meisten der neueren Radargeräte erfassen dutzende Fahrzeuge, auf vier oder mehr Fahrspuren. Dazu gibt es Touchscreens, WLAN und Web-Interfaces. Geblitzt wird bei einigen Geräten nur noch im nicht sichtbaren Infrarot-Bereich.

Radar und Ampel-Check in einem
Besonders im Radar-Trend liegen integrierte und höchst leistungsfähige Lösungen, wie etwa das T-Series-Gerät der niederländischen Firma Gatso. Dieses sieht in einer Farbkombination aus Schwarz, grün und grau zunächst einmal deutlich schicker als bekannte Radarkästen aus. Montiert wird es auf jeder Art von Leitungs- oder Beleuchtungs-Mast. Im Inneren verbergen sich zwei Radar-Antennen in leicht versetztem Winkel, die jeweils bis zu 12 Fahrzeuge gleichzeitig erfassen können. Ein Messestand-Mitarbeiter spricht gar von bis zu 70 Zielen - aber auch auf Fachmessen erhält man widersprüchliche Aussagen.

Die Straßen-Szenerie erfasst das T-Series-Radar auf einem Video, das mit 30 Bildern pro Sekunde von einer 20-Megapixel-Kamera mit CMOS-Sensor aufgenommen wird. Herz der Anlage ist ein Rechner mit vier Intel Atom Prozessoren. An Bord sind sowohl ein Xenon-Blitz als auch ein Infrarot-Strahler. Gesteuert werden kann das Gerät über eine Web-Software. Neben der Geschwindigkeits-Kontrolle beinhaltet das System auch eine Rotlicht-Kontrolle. Also auch Fahrzeuge, die bei Rot in die Kreuzung einfahren, werden geblitzt.

 

Säulen statt Kästen
Neben dem T-Series-Radar nehmen sich die Radarfallen des australischen Unternehmens Redflex geradezu gigantisch aus. Auf der Intertraffic sieht man hohe, aber elegante, schwarze Säulen mit gemustertem, grauen Mantel im Alu-Look. Schon die Basis-Version ist deutlich höher, aber schlanker als die typischen heimischen Kästen. Je nach Anforderung wachsen die Säulen. Die Technik dahinter kann bis zu sechs Fahrspuren erfassen und wie der Konkurrent aus Holland Rotlicht-Sünder überführen. Redflex versucht seine Kundschaft allerdings eher für so genannte Point-to-Point-Systeme zu begeistern, in Österreich bekannter unter dem Namen "Section Control".

Section Control sieht auch der deutsche Radar-Hersteller Jenoptik als wichtige Alternative für die Zukunft. Die einzige mobile Section-Control-Anlage in Österreich stammt von Jenoptik. Top-Produkt der Deutschen ist derzeit aber das TraffiStar S350 System. In puncto Sichtbarkeit übertrifft dieses Österreichs Radarkästen bei weitem. Die dicke, vier bis fünf Meter hohe Säule in Schwarz und Weiß beinhaltet je nach Kundenwunsch beliebig viele so genannte Flächenlaser-Sensoren, die circa auf Hüftniveau untergebracht sind.

Flächenlaser-Technik
Der Flächenlaser hat gegenüber einem Radar-Sensor den Vorteil, dass damit verschiedene Fahrzeugklassen besser unterschieden werden können. Damit kann man etwa unterschiedliche Geschwindigkeits-Limits für PKWs und LKWs überwachen. Auch das TraffiStar S350 kann mehrere Fahrspuren abtasten, allerdings können - bedingt durch die geringe Montagehöhe und die Fächer-Charakteristik des Flächenlasers - Fahrzeuge in weiterer Entfernung durch nähere Fahrzeuge verdeckt werden.

Ein klassisches Radargerät nimmt dagegen ein 3D-Bild auf, kann dadurch höher montiert werden und einen größeren Aufnahmebereich abdecken. Der Flächenlaser ist im Übrigen nicht mit dem Punktlaser zu verwechseln, der meistverbreiteten Technik bei Laserpistolen, auch in Österreich. Bei einem Punktlaser wird meist der am stärksten reflektierende Teil eines einzelnen Fahrzeugs anvisiert - das Kennzeichen.

Verkleinerung
Neben der immer besseren technischen Ausstattung spielt auch die Verkleinerung von Geschwindigkeits-Messgeräten eine immer größere Rolle. Das schwedische Unternehmen Sensys forciert etwa mobile Standradars. Wie das Unternehmen betont, bieten mobile Geräte vor allem einen deutlichen Kostenvorteil für die Betreiber. Das Mobile Speed Safety System (MSSS) von Sensys tastet automatisch bis zu drei Fahrspuren ab.

Je nach Einsatz-Ort und -Zeit lassen sich ein zusätzliches Blitzgerät und eine zusätzliche Batterie-Einheit - im selben Retro-Design - an das MSSS anschließen. Das Gerät besitzt einen integrierten WLAN-Sender und kann aufgezeichnete Geschwindigkeits-Delikte mit wenigen Klicks auf die Mobilgeräte der Verkehrswächter übertragen. Zusätzlich beherrscht das MSSS Nummerntafel-Erkennung und kann somit zur Fahndung eingesetzt werden.

Bei der Miniaturisierung von Radar-Geräten tun sich zur Zeit vor allem russische Hersteller hervor. Das St. Petersburger Unternehmen Olvia hat mit seinem Radargerät Merlin einen der Innovationspreise der Fachmesse Intertraffic gewonnen. Merlin ist ein Radar-Kästchen, das an Stangen oder Masten montiert wird. Bis zu vier Fahrspuren werden damit erfasst und auf Video mit 25 Bildern pro Sekunde festgehalten. Den geringen Geräte-Ausmaßen ist es allerdings zu verdanken, dass man noch einen zusätzlichen Rechner für den Betrieb benötigt. Olvia bietet ein Windows-basiertes Software-Paket an. Merlin wird momentan noch zertifiziert. Die Auslieferung soll erst 2013 beginnen.

Radar-Pistolen aus Russland
In Russland bereits im Einsatz ist die kleinste Radarpistole der Welt. Diese wird von der russischen Firma Simicon hergestellt und nennt sich Radis. Das äußerlich einem Taser sehr ähnliche Gerät wiegt nur 240 Gramm und misst die Geschwindigkeit jedes Objektes, das anvisiert wird und sich zwischen 10 und 300 km/h schnell bewegt. Befinden sich mehrere Fahrzeuge im Zielbereich, wird automatisch das schnellste ausgewählt. Optional lassen sich auch nur auf den Geräte-Träger zufahrende oder davonfahrende Fahrzeuge auswählen.

Wie die Simicon-Vertreter auf der Intertraffic stolz betonen, bewährt sich das Gerät bereits seit 2005. Nicht nur die Geschwindigkeit von PKWs und LKWs wird damit gemessen. Mit Radis werden auch hie und da rasende Schnellboot-Piloten sowie der eine oder andere ungeduldige Straßenbahn-Fahrer ertappt. Die Radarpistole ist in Russland nicht nur der Polizei vorbehalten, sondern frei am Markt erhältlich und kostet rund 600 Euro.

Das neueste Simicon-Produkt ist eine fortschrittlichere Radar-Pistole namens Binar. Diese beinhaltet zwei Kameras (eine Weitwinkel-Farbkamera und eine Schwarz-Weiß-Kamera mit hoher Zoomstufe), sowie ein Touchscreen. Binar erlaubt eine präzisere Ausrichtung auf ein einzelnes Zielobjekt. Die doppelte Kamera-Ausstattung macht die klare Aufzeichnung von Kennzeichen aus einer Entfernung von 150 Metern möglich. Videos werden auf einer SD-Karte aufgezeichnet. Das Gerät kann per Bluetooth mit einem optionalen GPS-Sender verbunden und in fahrenden (Polizei-)Fahrzeugen verwendet werden.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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