Innovation in Östereich: "Sind nicht dort, wo wir sein könnten"
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"Wir sind in der Lage aus Österreich heraus für den Weltmarkt zu produzieren und China und den USA die Stirn zu bieten", sagte Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende von Infineon Austria. Sie nahm am Montagabend beim KURIER Gespräch zum Thema "Wie innovativ ist Österreich?" in Wien teil. Ihr Unternehmen investiert in Kärnten 1,6 Milliarden Euro in eine neue Chipfabrik. Hunderte Arbeitsplätze würden dadurch entstehen, erzählt die Infineon-Chefin: "Wir wollen die Kompetenz in Europa behalten. Wir brauchen das Know-how der Mitarbeiter."
Auch Siemens setzt von Österreich aus Akzente für den Weltmarkt. In der Wiener Seestadt Aspern werden etwa Smart City-Anwendungen für den Konzern entwickelt. Dazu gehören Häuser, die auf Basis der Wettervorhersage die Energieversorgung selbst organisieren, erzählte Wolfgang Hesoun, Generaldirektor von Siemens Österreich. "Wir haben gut ausgebildete Mitarbeiter aus den lokalen Universitäten, die solche Themen vorangetrieben haben." Es gebe auch viele innovative Betriebe, mit denen Siemens zusammenarbeite: "Wir sind gut unterwegs. Das ist aber kein Selbstläufer. Wir müssen ständig daran arbeiten neue Gebiete, wie etwa künstliche Intelligenz, zu entdecken."
Was kann man besser machen? "Von der Förderseite geschieht ein bisschen wenig", beklagte Robert Trappl, Experte für künstliche Intelligenz. Universitäten hätten es zunehmend schwer, geeignete Leute aus Österreich zu gewinnen und würden dadurch ins Hintertreffen geraten. Trappl forscht derzeit unter anderem dazu, wie die Fähigkeiten von Menschen und Säugetieren in der Navigation auf Roboter übertragen werden können. Er sprach sich dafür aus, Fächer wie Digital Humanities (Digitale Geisteswissenschaften) stärker zu fördern. "Das ist ein wichtiger Zweig, der in Österreich langsamer ins Laufen kommt, als anderswo."
Wer in technische Innovationen investiere, müsse auch in soziale Innovationen investieren, forderte die Umwelthistorikerin und Wissenschaftlerin des Jahres 2013, Verena Winiwarter. Die Effizienzmaße der Wissenschaft, die sich etwa an der Anzahl der Publikationen orientieren, seien für langfristige Untersuchungen auch nicht geeignet, meinte Winiwarter. Defizite sieht sie auch in den Sprachkenntnissen. "Eine frühere Internationalisierung des Spracherwerbs ist notwendig", sagte sie. "Man sollte spätestens mit sechs Jahren anfangen, mit 38 kann man das nicht mehr aufholen."
Verbesserungspotenzial
Österreich liege bei der Innovation nicht so schlecht, befand Henrietta Egerth, Geschäftsführerin der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG): "Wir sind aber nicht dort, wo wir sein könnten."
Verbesserungspotenzial sieht sie in der Verwertung von Ergebnissen aus der Grundlagenforschung. "Wir müssen es schaffen, mehr aus dem Wissen zu übersetzen, das wir an den Universitäten generieren", meint Egerth: "Da haben wir eine Schwäche. China kann mit weniger Forschung wesentlich mehr umsetzen."
Egerth mahnte auch eine Fokussierung auf Forschungsschwerpunkte ein. Österreich sei beispielsweise in der Quantenphysik, in Bereichen der Mathematik oder in den Biowissenschaften gut. Die internationale Sichtbarkeit sei aber gering. "Es braucht mehr Mut Exzellenz zu fördern."
Braucht es mehr Ausgründungen aus Universitäten? Wird dort zu wenig kaufmännisches Wissen vermittelt? Unis hätten zu wenig Anreize, das zu forcieren, meinte Egerth. Nicht jeder Student wolle auch an der Uni bleiben. Es gebe auch viele, die unternehmerisch tätig werden wollten. Würde es mehr Ausgründungen geben, würden auch mehr internationale Kapitalgeber ins Land kommen, zeigte sich Egerth überzeugt.
"Mir ist das unheimlich", sagte KI-Experte Trappl. "Die Ökonomisierung der Wissenschaften beunruhigt mich. Studenten sollten nicht als erstes überlegen müssen, wie sie einen Business-Plan erstellen." Leute, die gut seien, hätten auch ohne Ausgründungen keine Probleme weiterzukommen.
"Hinaus aus der Komfortzone"
Universitäten aus anderen Ländern würden aktiver auf Unternehmen zugehen, meinte Infineon-Chefin Herlitschka. Infineon werde etwa häufig von Forschungsinstitionen aus den USA kontaktiert, die Kooperationen anbieten würden. "Das kenn ich aus Österreich nicht."
Hierzulande habe sich eine Kultur entwickelt, die auf Anreize setzt. Wir müssen aber den nächsten Schritt gehen und die Zusammenarbeit zwischen Grundlagenforschung und Unternehmen aus dem Interesse heraus stärken, mahnte Herlitschka: "Das funktoniert woanders besser. Wir stehen als kleine Volkswirtschaft im globalen Wettbewerb. Wir müssen hinaus aus der Komfortzone."
Vieles was gesellschaftlich wünschenswert wäre, aber zu keinem Produkt führe, werde an den Rand gedrängt, sagte Winiwarter. In Österreich sei etwa die weltweit erste empirische Studie entstanden, die untersuchte, welche Wirkungen es auf Kinder habe, wenn sie bestimmte Süßigkeiten im Film sehen. In einer Zeit, in der viel über Ernährung gesprochen werde, sei dies hochrelevant. Daraus lasse sich aber nur schwer eine Firma machen, meinte Winiwarter: "Es muss aber solche Forschung geben, die im Interesse der Öffentlichkeit ist und auch öffentlich finanziert gehört."
Thema beim KURIER Gespräch waren auch der Fachkräftemangel und die Abwanderung von Wissenschaftlern. Ihr Unternehmen habe bereits vor zehn Jahren damit begonnen, Maßnahmen zu entwickeln, mit denen Leute berufsbegleitend für neue Jobprofile qualifiziert würden, sagte Infineon-Chefin Herlitschka. In Österreich gelinge es allerdings zu wenig, junge Leute und Frauen für Technik zu begeistern. Mehr als ein Viertel der Infineon-Mitarbeiter hierzulande würden nicht aus Österreich kommen. "Wir richten uns nach außen, um Experten nach Österreich zu bekommen." Das Fehlen personeller Ressourcen beklagte auch Siemens-Chef Hesoun. "Es stellt sich die Frage, ob wir es schaffen, aus dem eigenen Bildungssystem Menschen heranzuziehen."
"Wir haben das Problem, dass zu wenig Frauen in der Technik sind", meinte die Umwelthistorikerin Winiwarter. Das beschäftige beispielsweise die Gender Studies, die dafür Lösungen finden könnten. Winiwarter: "Das kann man nicht wirtschaftlich abbilden, ist aber wichtig für den Wirtschaftsstandort."
Wir müssen weiterhin mit verbesserten Bedarf in Innovation investieren und das nachhaltig und mit Kontinuität", sagte FFG-Chefin Egerth. "So können wir die Talente, die abgewandert sind auch wieder zurückbekommen."
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