© Benjamin Sterbenz

Verbraucherschutz

Smart Meter: Energiedaten auf Vorrat

Sie ist nur knapp über zwei Seiten lang: die DAVID-Verordnung der E-Control. Sie soll die Anforderungen an die Datenübermittlung vom Netzbetreiber zum Energie-Lieferanten festlegen sowie die Verbrauchsinformationen, die Endkunden von ihren Smart Metern bekommen sollen. Denn die intelligenten Zähler sollen uns künftig dabei helfen, Energie zu sparen. Doch obwohl der erste Entwurf der Verordnung nur so kurz ausgefallen ist, ist die Liste der Kritik, die bis zum 6. Juli eingebracht werden konnte, recht lang.

Im Wesentlichen geht es der E-Control in der Verordnung darum, "zu regeln, dass die gemessenen Stromwerte transparent und nachvollziehbar dargestellt werden", erklärt Martin Graf, Vorstand der E-Control, gegenüber der futurezone. "Damit Endkunden künftig nachhaltig Energie einsparen können." Dazu wurde festgelegt, dass künftig die Netzbetreiber den Endverbrauchern ihre Stromdaten im Internet mittels Website zur Verfügung zu stellen hätten. Davon betroffen sollen "alle Verbrauchsdaten (in kWh) und Lastkurven (in kW)" in der "kleinstverfügbaren Zeiteinheit" sein.

Kritik: Keine verbindlichen Regeln
Die ARGE Daten kritisiert in ihrer Stellungnahme, dass der Entwurf über weite Teile allgemeine Formulierungen statt klaren, verbindlichen Regeln enhalte. Zudem wird angemerkt, dass man es nicht gut finde, den Netzbetreibern die Entwicklung von Internet-Portalen zu überlassen. Die Begründung dafür: "Einigen Pilotprojekten zur Einführung von Smart Metern zufolge ist die Art der Darstellung des Stromverbrauchs ausschlaggebend, ob Konsumenten dazu angeregt werden, Strom zu sparen oder nicht." Demnach würde der Erfolg beim Energiesparen "entscheidend davon abhängen", wie Konsumenten ihren eigenen Stromverbrauch sehen.

Zentrale oder dezentrale Speicherung?
Die ARGE Daten wünscht sich stattdessen eine "zentrale, unabhängige Smart-Meter-Webplattform". "So könnte ein zentrales Portal geplant werden, in das sämtliche Netzbetreiber und Lieferanten ihre Daten einspielen und Konsumenten der Verbrauch präsentiert wird", heißt es seitens der Datenschutzplattform. Der Vorteil: Konsumenten könnten unmittelbar feststellen, ob sich der Wechsel von Netzbetreiber oder Energielieferant auszahlen würde. Zudem würde eine zentrale Stelle weniger Kosten verursachen als die verschiedenen Eigenentwicklungen der Netzbetreiber. "Auch Probleme der IT-Sicherheit lassen sich an einer zentralen Stelle leichter beherrschen als bei vielen unterschiedlichen Lösungen", heißt es.

"Nicht notwendig, Daten zentral zu speichern"
"Man muss nicht gleich ein zentrales Daten-Moloch aufbauen, sondern es gibt viel harmlosere Eingriffe", meint Georg Markus Kainz vom Verein "quintessenz", der sich der Wiederherstellung von Bürgerrechten im Informationszeitalter verschrieben hat. So könne man die Daten beispielsweise nur lokal speichern. Das sieht auch der österreichische Datenschützer Andreas Krisch, der in einer

zu den Themen Privatsphäre, Datenschutz und Datensicherheit in Smart Grids mitarbeitet, ähnlich. "Es ist nicht notwendig, die Daten überhaupt zentral zu speichern. Stattdessen können Endkunden diese direkt vom Gerät abziehen", erklärte Krisch gegenüber der futurezone.

Dies sei auch - zusätzlich zur geplanten Speicherung bei den Netzbetreibern - möglich, sagte Graf von der E-Control. "Die Zähler müssen verpflichtend über eine entsprechende Schnittstelle verfügen", so Graf. "Über diese ist es z.B. möglich In-House-Displays (Anmerkung: das sind Bildschirme, über die man den Stromverbrauch ablesen kann) anzuschließen. Diese schreiben wir allerdings nicht verpflichtend vor, da wir die Bedenken der Bevölkerung im Bezug auf mögliche gesundheitliche Risiken durch WLAN-Netze oder PLC-Verbindungen sehr ernst nehmen", sagte Graf.

"Darstellung der Kostenstrukur" nicht möglich
Auch die Mietervereinigung, die eine Petition gegen die Zwangseinführung von intelligenten Stromzählern in Österreich gestartet hat, stößt sich an dem Punkt, dass die Netzbetreiber für die Darstellung der Verbrauchsdaten zuständig sein sollen. "Um eine Verhaltensänderung zu bewirken, müsste die Darstellung der Kostenstruktur Priorität haben. So wie jeder Nutzer weiß, wie viel Liter sein Auto verbraucht, weil er selbst bei der Tankstelle tankt und für die nachzufüllende Menge unmittelbar bezahlt, und damit ein Gefühl dafür hat, was es bedeutet, wenn ein Auto einen Normverbrauch von sieben Liter auf 100 Kilometer hat, so kann ein Strombezieher erst dann einen Nutzen aus der Verbrauchsdarstellung ziehen, wenn ihm auch klar ist, welche Kosten damit verbunden sind. Da der Netzbetreiber selbst nur regulierte Fixkosten verrechnet, wird dieser keine dementsprechende Darstellung anbieten können", so die Mietervereinigung in ihrer Stellungnahme. Wenn, dann sei das Portal beim Energie-Lieferanten anzusiedeln, so die Mietervereinigung.

Dreijährige Vorratsdatenspeicherung der Energie-Daten
Diese stößt sich auch besonders an der Formulierung: "Dem Endverbraucher müssen auf dessen Wunsch alle Verbrauchsdaten und Lastkurven der letzten drei Jahre ab Zeitpunkt der Verfügbarkeit zur Verfügung gestellt werden". Wäre da nicht "auf dessen Wunsch" beigefügt, könnte man fast meinen, dass es sich dabei um eine dreijährige "Vorratsdatenspeicherung" der Energie-Verbrauchsdaten handelt. Natürlich ist es hier fraglich, ob sich Endkunden tatsächlich "wünschen" können, dass ihre Daten nicht "auf Vorrat" gespeichert werden, oder ob dies nicht in einem vorgefertigten Vertrag bereits festgelegt ist. Das sieht auch Kainz so: "Der Kunde wird hier sicherlich mittels Vertrag erpresst. Die Zustimmung wird Bestandteil der Verträge sein, wenn man beispielsweise Tarif wechseln will."

Die Mietervereinigung fordert daher, den entsprechenden Paragrafen aus "datenschutzrechtlichen Gründen" überhaupt zu streichen. Die Mietervereinigung kritisiert zudem, dass es keine Empfehlung für Signaturen für die zu übertragenden Daten gibt, um Verfälschungen bzw. die Authentizität zu gewährleisten bzw. einen Hinweis auf eine Verschlüsselung. Krisch fehlt zudem ein "genereller Zugang zum Datenschutzthema." Er würde eine Technikfolgenabschätzung für notwendig erachten.

Großversuch in Berlin gescheitert
Doch wie viel Energie lässt sich überhaupt realistisch einsparen, wenn den Endkunden ihr Verbrauch entsprechend "transparent" zur Verfügung gestellt wird? Laut einem Feldversuch des Fraunhofer Instituts, an dem insgesamt 2000 Haushalte teilgenommen haben, verbrauchte die Gruppe, die mit intelligenten Zählern ausgestattet war, rund 3,7 Prozent weniger Strom als die Kontrollgruppe mit den herkömmlichen Zählern. Graf verwies zudem auf Ergebnisse von "irischen Kollegen", die ein langfristiges und nachhaltiges Einsparpotenzial von 2,5 Prozent vermeldeten.

Das sind Einsparungskosten zwischen neun und 42 Euro pro Jahr und Haushalt, also zwischen weniger als ein und drei Euro pro Monat. Ob diese Summe ausreicht, um tatsächlich zum Stromsparen zu motivieren, ist mehr als fraglich. In Deutschland ist ein Smart-Meter-Großversuch in Berlin gerade kläglich gescheitert. Nur sieben Prozent der Haushalte sprachen sich für eine Projektverlängerung aus. Der Grund dafür: Es gab zu wenig Vorteile für die Verbraucher und das Einsparpotential war zu gering, um als Anreiz zu dienen.

Doch was bedeutet das nun? Dass uns die Stromzähler beim Energiesparen helfen sollen, ist nur ein vorgeschobenes Argument, das zuerst gut klingt. Aber wer ist tatsächlich bereit, bei Einsparungsmöglichkeiten von weniger als einem Euro im Monat Abstriche beim Stromverbrauch in Kauf zu nehmen? In einem zweiten Teil der Serie zu "Smart Metering" wird erläutert, wozu die intelligenten Zähler tatsächlich gebraucht werden.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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