Smarte Lüftung macht Studenten leistungsfähiger
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
In Büros, Schulen und anderen produktiv genutzten Räumlichkeiten kann es durch schlechte Luft oft zu Konzentrationsstörungen bei Menschen kommen. Automatische Gebäudesteuerungssysteme können diesen Trend noch verstärken, weil sie darauf ausgelegt sind, Gebäude möglichst energiesparend zu betreiben. An der FH Campus Wien werden Wege gesucht, einen Kompromiss zwischen Energiesparen und der Berücksichtigung menschlicher Bedürfnisse zu finden. “Wir wissen, dass sich hohe CO2-Anteile in einem Raum negativ auf die Lernfähigkeit von Studenten auswirken. Das wird bei neuen Gebäuden aber zu wenig berücksichtigt. Hier geht es meist um Energiesparen. Wir möchten auch das Nutzungsverhalten miteinbeziehen”, sagt Christian Hölzl von der FH Campus Wien im Gespräch mit der futurezone.
Um dieses Ziel zu erreichen, wird an der FH derzeit an Modellen gearbeitet, die das Verhalten von Studenten in Hörsälen vorhersagbar machen. Dazu haben Forscher zuerst das Verhalten von Studenten analysiert und auf dieser Basis ein Modell erstellt. “Jeder Student wird im Computermodell zu einem Agenten. Diese machen, wenn eine gewisse Temperatur-Toleranz überschritten wird, beispielsweise die Fenster auf”, erklärt Hölzl. Solche Eingriffe durch Nutzer werden in Haussteuerungen üblicherweise nicht berücksichtigt, etwa wenn im Winter bei aufgedrehter Heizung Fenster zum Lüften geöffnet werden. Im Modell produziert zudem jeder Agent CO2, basierend auf Messungen, die Edmund Spitzenberger an der FH durchgeführt hat.
Lernluft
“Im Bildungsbereich kann das heißen, dass neue Kompromisse gefunden werden müssen. Es kann hier Sinn machen, etwas öfter zu lüften, um die Leistungsfähigkeit hoch zu halten. Dann muss man aber mehr heizen”, erläutert Hölzl. Die Anforderungen der Nutzer können sich hier allerdings stark unterscheiden. “Es macht einen Unterschied, ob ein Raum von Informatik- oder Physiotherapiestudenten genutzt wird. Mehr Bewegung lässt den CO2-Gehalt schneller steigen. Am Ende sollte immer der Mensch im Mittelpunkt stehen”, sagt Hölzl. Ein höherer CO2-Gehalt in einem Raum kann nicht nur der Konzentration abträglich sein, sondern sogar die Gefahr der Verbreitung von Krankheiten erhöhen. Das Modell der FH-Forscher, dass Temperatur, CO2-Gehalt und relative Luftfeuchtigkeit berücksichtigt, soll hier eine optimale Abstimmung erlauben.
“Wir sind derzeit auf halbem Weg. Wir haben ein Modell für Ausstoß und Akkumulation von CO2. Am Ende sollen aber auch Dinge wie die Wahrscheinlichkeit für einen Toilettenbesuch oder eine Rauchpause für jeden Agenten berücksichtigt werden. Oder die Tatsache, dass bei 80 erwarteten Studenten meist nur etwa 60 tatsächlich anwesend sind”, sagt Hölzl. An der FH soll das System schon bald umgesetzt werden. “Das wird tatsächlich Auswirkungen auf die Raumbelegung und bauliche Aspekte haben”, ergänzt Spitzenberger. Bis dahin wird es aber noch ungefähr ein Jahr dauern. In dieser Zeit wollen die Forscher mehr Daten sammeln und ihr Modell verbessern. Wenn Kooperationspartner gefunden werden, soll die Arbeit an dem System auch darüber hinaus weitergeführt werden.
“Das Ziel wäre, dass unser Ansatz in Steuerungssystemen für Gebäude eingebettet wird, vor allem im Bildungsbereich. Für die CO2-Konzentration gilt ein Grenzwert von 500 bis 800 ppm. Wir haben in Hörsälen teilweise bis zu 1500 ppm gemessen. Das merkt man dann auch im Unterricht. Hier ergibt das Energiesparen um jeden Preis einfach keinen Sinn”, ist Spitzenberger überzeugt. Auch für Privathaushalte werden Lösungen angedacht. “Man könnte etwa künstliche Blumen kreieren, die bei zu hohen CO2-Werten die Blätter hängen lassen. Dann wüssten die Besitzer, dass es Zeit wird, zu lüften”, schlägt Spitzenberger vor.
Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und FH Campus Wien entstanden.
Kommentare