Budgetfahrplan wurde präsentiert

Budgetfahrplan wurde präsentiert

© Frog 974 - Fotolia/Frog 974/Fotolia

Slush Festival

"Am bedingungslosen Grundeinkommen führt kein Weg vorbei"

Die zunehmende Digitalisierung macht viele Jobs überflüssig. Wovon und wie Leute leben werden, die ihren Arbeitsplatz an einen Roboter oder ein Computerprogramm verloren haben, wird seit längerem diskutiert, auch und vor allem in der Techwelt. "Weil wir uns intensiv mit Technik beschäftigen, sehen wir die Zukunft schneller auf uns zukommen", sagt der aus Deutschland stammende US-Risikokapitalgeber Albert Wenger, bei einer Diskussion zum bedingungslosen Grundeinkommen beim Start-up-Festival Slush am Donnerstag in Helsinki.

Experiment in Kalifornien

Erste Pilotprojekte zum bedingungslosen Grundeinkommen gibt es bereits. Eines davon wird seit zwei Monaten im kalifornischen Oakland vom US-Gründerzentrum YCombinator durchgeführt. Zehn Leute erhalten 1500 Dollar im Monat. YCombinator begleitet das Experiment mit einer Studie. "Wir sehen uns an, wie sich ein solches Grundeinkommen auf das Leben der Menschen auswirkt, wie sie ihre Zeit verbringen und wie sie ihr Geld ausgeben", sagt Krisiloff Matt, der bei YCombinator an dem Projekt mitarbeitet.

Langfristig gehe es darum, ein soziales Sicherheitsnetz zu schaffen. Das Pilotprojekt soll in den nächsten Jahren sukzessive ausgeweitet werden. Das Grundeinkommen habe es einigen Teilnehmern des Pilotversuchs ermöglicht, zum ersten Mal ein Bankkonto zu haben, erzählt Matt. Das sei ein interessanter Nebeneffekt: "In den USA gibt es viele Leute, die keinen Zugang zu einem Konto haben."

Pilotprojekt in Finnland

Auch in Finnland wird im 2017 ein Pilotprojekt zum bedingungslosen Grundeinkommen beginnen. 2000 Leute werden dabei 550 Euro im Monat erhalten. Die Beweggründe hinter dem finnischen Experiment sind freilich ganz andere. Das Sozialsystem in dem nordischen Land ist gut ausgebaut. Für viele Leute würde das Grundeinkommen weit unter den sozialen Leistungen liegen, die sie im Falle von Arbeitslosigkeit oder Bedürftigkeit derzeit vom Staat erhalten. "Die Regierung will Leute in den Arbeitsmarkt bringen", erzählt Roope Mokka vom Thinktank Demos Helsinki, der die finnische Regierung in Frage des Grundeinkommens berät.

Viele Sozialsysteme seien so gestaltet, dass Leistungen wegfallen, wenn Leute wieder zu arbeiten beginnen, sagt Wenger. "Sie verlieren dann die Ansprüche." Ein bedingungsloses Grundeinkommen halte aber niemanden davon ab, zu arbeiten.

Heute gebe es viele Jobs, bei denen es nicht schade sei, wenn sie von Maschinen übernommen werden. "Autos zu waschen oder bei McDonalds zu kassieren, habe keinerlei Wert", meint Wenger. Für viele Menschen seien solche Jobs demütigend. Andere Bereiche wiederum ließen sich nicht automatisieren, so der Investor. Als Beispiel nennt er Berufe im Bildungs- und Pflegebereich. Ein Grundeinkommen könnte es Leuten ermöglichen unternehmerisch tätig zu werden und solche Dienstleistungen anzubieten. Man könne ein solches Grundeinkommen durchaus als "Seed Money für alle" verstehen, sagt Wenger.

"Freiheit, Neues zu versuchen"

In den USA ließen sich vergleichbare Systeme bis in die Gründungszeit zurückverfolgen. Einwanderer hätten bei der frühen Besiedlung Nordamerikas Land erhalten. Dass dies den Ureinwohnern weggenommen wurde, sei eine andere Geschichte, sagt der Investor. "Es hat den Leuten aber die Freiheit gegeben, Neues zu versuchen."

Arbeit sei für Menschen ein Bindeglied zur Gesellschaft, sagt Mokka. Wenn man über ein bedingungsloses Grundeinkommen diskutiere, müsse man auch zur Debatte stellen, wie gesellschaftliche Integration jenseits der Erwerbsarbeit möglich sei. Die Einführung eines Grundeinkommens müsse mit geeigneten Maßnahmen begleitet werden, meint Wenger. In den vergangenen 200 Jahren sei die Arbeit ein integrativer Bestandteil der Gesellschaft geworden. "Diese Verbindung aufzulösen sei nicht von heute auf morgen möglich."

Wann werden erste Grundeinkommensmodelle auf breiter Basis kommen? In drei bis fünf Jahren seien erste abgestufte Modelle möglich, meint Mokka. Bis es sich durchsetze werde es aber wohl 15 Jahre dauern. Er werde es vermutlich nicht mehr erleben, meint Wenger: "Langfristig führt an einem garantierten Grundeinkommen aber kein Weg vorbei."

Disclaimer: Die Reiskosten zum Slush Festival und die Kosten für die Unterkunft in Helsinki wurden von der finnischen Agentur Finnfacts übernommen.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

mehr lesen
Patrick Dax

Kommentare