EU-Terrorismusrichtline mit Netzsperren auf Schiene
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Am Montagabend winkte der EU-Innenausschuss (LIBE) eine neue EU-Richtlinie zur Terrorismus-Bekämpfung durch. Sie soll ein altes Papier aus dem Jahr 2002 ablösen. Eingebracht wurde der Entwurf dazu direkt nach den Terroranschlägen in Paris am 2. Dezember 2015. Entsprechend hart fiel bereits der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission aus, der im Schnellverfahren ohne Folgenabschätzung erfolgt ist.
Netzsperren
Insgesamt gab es zudem 438 Abänderungsanträge, die in geheimen Verhandlungen durch sogenannte "compromise amendments" ersetzt wurden. Mit den Änderungen werden die EU-Mitgliedstaaten etwa dazu angeregt, terroristische Online-Propaganda aus dem Netz zu entfernen oder den Zugang zu diesen Inhalten zu blockieren. Das soll einerseits durch Selbstverpflichtungen der Diensteanbieter geschehen, andererseits durch staatliche, sanktionsbewehrte Anordnungen. Damit werden Netzsperren ohne richterlichen Beschluss in Europa salonfähig gemacht.
Der LIBE-Ausschuss spricht sich außerdem für eine Ausweitung der Ermittlungsbefugnisse bei der Verfolgung terroristischer Aktivitäten aus. So werden beispielsweise auch Auslandsreisen per se unter dem Verdacht stehen, terroristischen Motiven zu dienen. Bereits die Intention soll unter Strafe stehen und Handlungen werden zumindest theoretisch unter Strafe gestellt, die unter geltender Rechtssetzung keiner Straftat entsprechen, da sie noch gar nicht verübt wurden.
Schwammige Definitionen
Ähnlich verhält es sich bei der Definition von „Terrorismus“ und „radikalisierten Personen“: Es gibt keine trennscharfen Definitionen dieser Begriffe. Die vagen Formulierungen könnten auch auf anderes regierungskritische Verhalten innerhalb und außerhalb der EU umgedeutet werden, kritisieren Bürgerrechtsorganisationen sowie etwa die EU-Parlamentarierin Cornelia Ernst von „Die Linke“.
Kritische Proteste der Zivilgesellschaft, die Occupy Bewegung, Umstürze von Diktaturen oder schlicht die „radikale Linke“ (radical left) könnten damit ebenso gemeint sein. „Das widerspricht der EU-Grundrechtecharta, dem Recht auf Privatsphäre und dem Recht auf den Schutz personenbezogener Daten“, heißt es seitens Ernst.
Keine Online-Durchsuchung
Der Ausschuss hat zwar dagegen entschieden, ausdrücklich die Durchsuchung privater Computer, heimliche elektronische Überwachung oder Bild- und Tonaufzeichnungen von Personen in privaten oder öffentlichen Fahrzeugen zu fordern, aber auch hier ist der verabschiedete Text so unscharf formuliert, dass sich derartige Maßnahme hinein lesen lassen.
Scharfe Kritik
„Wer in blindem Aktionismus Freiheiten opfert, spielt den Terroristen in die Hände. Es ist schlicht verantwortungslos, massive Grundrechtseingriffe im Namen der Terrorbekämpfung durchzuwinken, ohne dass es irgendeinen Nachweis für die Wirksamkeit der Maßnahmen gibt“, kritisiert Alexander Sander, Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft.
"Geschwindigkeit wird der Qualität gegenüber bevorzugt", sagt Joe McNamee, geschäftsführender Direktor der Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi)
"Die Rechnung scheint zu sein, dass es besser wäre, wenn die EU als etwas tuend wahrgenommen würde, anstatt sich die Zeit zu nehmen, sinnvolle Gesetze zu schaffen, die auch tatsächlich den vorliegenden Anforderungen entsprechen", fügt er hinzu.
Wie es jetzt weitergeht
Nach der Abstimmung am Montagabend werden nun acht EU-Parlamentarier sowie Mitgliedstaaten und Kommission in sogenannten „Triloggesprächen“ weiter diskutieren. Diese finden freilich hinter verschlossenen Türen statt. Diese Verhandlungen werden dazu genutzt, um einen Kompromiss zu erarbeiten. Danach wird das Gesetz von Parlament und Rat verabschiedet werden.
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