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Smartphone

HTC One S im Test: Das heimliche Flaggschiff

Vor zwei Jahren lieferte der taiwanische Smartphonehersteller HTC mit dem Desire eines der beliebtesten Smartphones des Jahres 2010 ab. Durch den schnellen Qualcomm-Prozessor, den 3,7 Zoll AMOLED-Bildschirm (spätere Modelle mit Super-LCD) und den vergleichsweise geringen Preis wurde das Smartphone schnell zu einem der beliebtesten Modelle der aktiven Android Entwickler-Community. Auch heute noch gibt es regelmäßig neue Custom-ROMs für das mittlerweile betagte Modell. HTC konnte nie wieder ein derart beliebtes Modell liefern, auch der direkte Nachfolger Desire S hatte keine Chance gegen das Samsung Galaxy S. Doch nun schickt sich HTC mit dem One S an, einen würdigen Nachfolger des Desire zu liefern. Wie der futurezone-Test zeigt, ist das mehr als gelungen - denn das "mittlere" Modell der neuen One Serie ist das derzeit schnellste Smartphone auf dem Markt.

Haptik
Das Gerät liegt gut in der Hand und lässt sich durch seine dünne Bauweise (8,9 mm an der dicksten Stelle) recht angenehm in der Hosentasche tragen. Doch hier zeigt sich wiederum, wieso eine Rückkehr des klassischen "HTC-Knicks", der bei den älteren Modellen üblich war, durchaus von Vorteil wäre. Denn oftmals hat man das Smartphone durch die geringen Unterschiede der beiden Seiten genau verkehrt in der Hand und bemerkt das erst, wenn man nach dem Power-Knopf sucht. Nach einer Weile legt sich das aber und man bemerkt auch ohne Blick auf das Smartphone die feinen Unterschiede im Design.

Design
HTC hat bei der One S-Serie definitiv das Augenmerk auf ein ansprechendes Design gelegt. Das 4,3 Zoll große Super AMOLED-Display füllt den Großteil der Vorderseite und ist mit dem für Ice Cream Sandwich optimierten Drei-Knopf-Layout, der 1,3 Megapixel-Frontkamera sowie den Aussparungen für den Lautsprecher bewusst minimalistisch gehalten. Dabei hat es HTC sogar ein kleines Stückchen zu weit getrieben, denn hinter dem Lautsprechergitter verbirgt sich die Benachrichtigungs-LED, die in verschiedenen Farben verpasste Anrufe, Nachrichten oder andere Ereignisse anzeigen soll. Die LED ist allerdings etwas zu tief im Gehäuse, sodass ihr Betrachtungswinkel stark eingeschränkt ist und die blinkende LED leicht übersehen werden kann. Hier hätte man durchaus den großen Bereich über dem Display nutzen können, in dem lediglich der Helligkeitssensor verbaut ist.

Die Rückseite wird von der blau (in der schwarzen Variante rot) umrandeten 8 Megapixel Kamera dominiert, die wie ein Bullauge in der Mitte des Smartphones sitzt. Rechts daneben befindet sich der LED-Blitz. Highlight der One S-Serie ist aber definitiv der Aluminium-Unibody, der, je nach Farbvariante, mit unterschiedlichen Verfahren behandelt wird. Während die von der futurezone getestete metallic-grau Variante mit einer nur wenige Mikrometer dünnen Eloxalschicht überzogen ist, bietet die schwarze Version eine keramikähnliche Oberfläche, die durch das Micro Arc Oxidation-Verfahren (auch bekannt als Plasmakeramik-Technologie) erzeugt wird. Beide Verfahren sollen das Gehäuse vor Kratzern schützen. Doch gerade bei dem mit Micro Arc Oxidation-Verfahren behandelten Variante lehnt sich HTC weit aus dem Fenster: das Gehäuse sei nach der Behandlung dermaßen widerstandsfähig, dass man - "im Gegensatz zum iPhone 4S" - keine Schutzhülle benötigt. Dabei wird auch der komplette Unibody schwarz gefärbt - im Gegensatz zur metallic-grauen Variante, die auf der Rückseite einen leichten Farbverlauf hat.

Abmessungen
HTC spricht beim One S vom dünnsten Smartphone, das man je gebaut hat. Tatsächlich ist es mit seinen 7,8 mm (an der dicksten Stelle 8,9 mm) nicht weit vom derzeit dünnsten verfügbaren Smartphone, dem Motorola RAZR mit 7,1 mm, entfernt. Doch mittlerweile

ein noch dünneres Modell vorgestellt, das lediglich 6,7 Millimeter misst. Durch seinen 4,3-Zoll-Bildschirm lässt es sich am Besten mit dem Samsung Galaxy S II vergleichen, das unwesentlich kürzer (125,3 mm zu 130,9 mm) ist. Auch in der Breite gibt es nur marginale Unterschiede, wobei hier HTC (65 mm) den Abstand des Displays zum Rand etwas geringer halten konnte als Samsung (66,1 mm).
...doch eingeschaltet lässt es sich auch bei starker Sonneneinstrahlung gut lesen.

Display
Als einziges Gerät der One-Serie verfügt das S über ein Super AMOLED-Display des südkoreanischen Konkurrenten Samsung. Die Auflösung beträgt 540 x 960 Pixel (qHD), wodurch das Display auf eine Pixeldichte von 256 ppi kommt. Damit liegt es aber deutlich hinter dem iPhone 4S (330 ppi) und dem Samsung Galaxy Nexus (316 ppi). Aus der Distanz (mehr als 30 cm) wirkt das Bild des One S gestochen scharf. Rückt man allerdings etwas näher, so sind - im Gegensatz zur Konkurrenz von Apple und Samsung - deutlich Pixel erkennbar und die Schrift wirkt relativ scharfkantig.

Die Farben sind, wie bei Super AMOLED-Displays üblich, kräftig und wirken zeitweise etwas überzeichnet. Ein eindeutiger Farbstich lässt sich aber nicht erkennen. Offenbar scheint HTC die Probleme mit den Samsung PenTile RGBG Displays unter Kontrolle bekommen zu haben, da diese ansonsten, wie auch beim Galaxy Nexus, zu einem leichten Blaustich neigen. Das Display enttäuscht nur in einem Punkt: die Helligkeit. Diese ist zwar für ein Lesen im Freien ausreichend, hätte aber bei einem Smartphone dieser Preisklasse doch etwas höher sein dürfen.

Laufzeit
Auch wenn der Unibody des One S einen echten Blickfang darstellt und das Smartphone robuster macht, so gibt es auch ein großes Manko. Denn ähnlich wie beim iPhone ist auch beim One S der 1650 mAh starke Akku fest verbaut und für den normalen Benutzer nicht zugänglich. Im futurezone-Test hielt eine volle Akkuladung knapp acht Stunden bei verstärkter Nutzung (Telefonie, SMS, Internet, automatische Helligkeit) durch. Das ist zwar ein normaler Wert für ein Smartphone dieser Größe, doch hier hätte man durchaus, wie beim One X, einen 1800 mAh Akku verbauen und das Smartphone dafür einen Millimeter dicker machen können. Bei moderater Nutzung (nur Telefonie, SMS, keine Hintergrunddienste) hält das One S knapp eineinhalb Tage durch.

 

Kamera
Mit der neuen One-Serie liefert HTC auch erstmals seine hauseigene ImageSense-Technologie aus. Dazu setzt man auf einen eigens entwickelten Kamerachip, den ImageChip, der für den Autofokus nach eigenen Angaben lediglich 0,2 Sekunden benötigen soll. Dank der geringen Auslösezeit und dem schnellen Dual-Core-Prozessor kann das One S auch Bilder im Serienmodus schießen. Dazu hält man einfach den Finger auf den Auslöser und kann sofort danach in einem neuen Fenster das Bildmaterial sichten und gegebenenfalls löschen. Die verbaute f/2.0 Linse mit 28 mm Brennweite soll knapp 40 Prozent lichtempfindlicher sein als die Kamera des iPhone 4S. Die Ergebnisse der Kamera können sich dementsprechend sehen lassen - auch bei schwachen Lichtverhältnissen lassen sich mit der 8 Megapixel-Kamera ordentliche Schnappschüsse machen. Bei Bedarf unterstützt ein LED-Blitz die Kamera bei Aufnahmen, allerdings hat dieser nur einen schwachen Nutzen und erweist sich als Taschenlampe oder zusätzliche Beleuchtung bei der Videoaufnahme als hilfreicher.

Instagram auf Android - wozu?
Die Kamera-App des One S kommt dank Sense 4.0 mit einigen zusätzlichen Funktionen daher. So gibt es 15 eingebaute Softwarefilter, die bereits bei der Vorschau angewandt werden. Dabei gibt es neben dem klassischen Sepia-Filter auch einen Verzerrungsfilter und einen Filter, der die 8 Megapixel Aufnahme in kleine Punkte und deren dominante Farben zerlegt. Die Fülle der Filter erinnert

, die nahezu idente Funktionen bietet.

Videofunktion
Von dem flotten Dual-Core-Prozessor profitiert auch die Videoaufnahme, die in FullHD (1080p) bei 30 Bildern pro Sekunde möglich ist. Die Aufnahme geht ohne Ruckeln von statten, auch schnelle Bewegungen und rasche Wechsel des Fokus stellen für das One S kein Problem dar. Beim Filmen sollte man allerdings eine ruhige Hand haben, denn trotz aktivierter Stabilisatorfunktion sind die Aufnahmen gelegentlich doch recht zittrig.

HTC verspricht in der Produktbeschreibung, dass man "Fotos schießen kann, während man HD-Videos aufnimmt". Offenbar gilt das aber nicht für FullHD-Aufnahmen, denn hierbei wird zwar der Auslöser für Bilder eingeblendet, dieser löst allerdings einen Bug in der Kamerasoftware aus, durch den alle Bedienelemente wirkungslos werden, die Aufnahme aber trotz allem weiterläuft. Daher ist man dann gezwungen, die App per Taskmanager zu beenden. Bei allen anderen Auflösungen tritt dieser Fehler nicht auf.

Internes
Videos, Musik, Bilder und Apps landen allesamt auf dem 16 GB internen Speicher, wovon allerdings nur 12 GB tatsächlich nutzbar sind. Einen microSD-Kartenslot gibt es nicht, auf diesen wurde aus Platzmangel verzichtet. Generell bietet das One S bis auf den Micro-USB-Anschluss lediglich einen Einschub für microSIM-Karten. Um Speichermangel vorzubeugen, liefert HTC einen Dropbox Account mit 25 GB Speicher auf zwei Jahre mit.

Sound
Beats Audio - groß und fett prangt das Logo des im vergangenen August von HTC gekauften Audiosystemherstellers auf der Rückseite des HTC One S. Doch der Anteil des neuen Aushängeschildes von HTC am One S ist überschaubar. Neben den mitgelieferten Kopfhörern mit Freisprechfunktion gibt es nun auch die Beats Audio Funktion, die den Klang deutlich verbessern soll. Im Endeffekt ist der Unterschied kaum hörbar, die Titel werden durch die aktivierte Funktion allerdings deutlich basslastiger. Metal-Fans freut das, Klassik-Enthusiasten eher weniger. Daher ist der Nutzen der neuen Funktion doch eher begrenzt, auch vor allem da keine Einstellungen daran vorgenommen werden können - es bietet lediglich die Wahl zwischen Ein oder Aus.

Performance
Eigentlich sollte ja das Flaggschiff eines Smartphoneherstellers die beste Leistung bieten. Doch im Falle der One-Serie übertrumpft offenbar das "mittlere Kind" den großen Bruder One X. Obwohl - im Gegensatz zum Quad Core Tegra 3 des One X - "nur" ein 1,5 GHz Dual Core Snapdragon S4 von Qualcomm im Inneren des One S seine Arbeit verrichtet, erweist sich das One S nicht nur rein subjektiv als schnell, auch die Benchmarks bestätigen seine Dominanz.

Doch auch hier muss man wieder relativieren: der Tegra 3 bleibt, wenn auch nur knapp, nach wie vor der leistungsstärkste Chip für grafiklastige Anwendungen. Sobald die CPU etwas stärker gefordert wird, hat der Snapdragon S4 die Nase vorne. Besonders stark merkt man dies beim Starten oder Wechseln zwischen Apps, das absolut ohne merkbares Ruckeln geschieht. Auch aktuelle Vorzeigetitel wie GTA III laufen absolut flüssig auf dem One S.

Software
HTC hat glücklicherweise bei der One-Serie auf die neue Android-Version Ice Cream Sandwich (Version 4.0.3) gesetzt. Das war zuvor Sony

nicht gelungen, dort kündigte man lediglich ein Update auf die neue Android-Generation an. Mit Ice Cream Sandwich haben zahlreiche kleine Verbesserungen ihren Weg in das Google Betriebssystem gefunden, unter anderem Face Unlock (Entsperren mit Gesichtserkennung) und ein neuer Taskmanager.

Am deutlichsten erkennbar ist ein wahres Ice Cream Sandwich-Smartphone allerdings am neuen Tastenlayout - nur mehr drei Tasten zieren die Unterseite des One S. Zurück, Home und eine Taste für den Taskmanager ersetzen das klassische Vier-Tasten-Layout. Im Test funktionierte das erstaunlich gut, lediglich der simulierte Menu-Button in einigen nicht für ICS optimierten Apps fiel negativ auf.

HTC Sense
Während Ice Cream Sandwich außer Kritik steht, so sorgt die HTC-eigene Oberfläche Sense immer wieder für Diskussionsstoff. Oft als Leistungsbremse kritisiert, ist beim One S nichts davon zu merken. Der Wechsel zwischen den verschiedenen Homescreens geht flüssig von statten, die Animationen sind eine nette Zierde und lassen sich Bedarf auch deaktivieren. Apps lassen sich durch simples Aufeinanderziehen in Ordner gruppieren und Benachrichtigungen können nun - wie bereits aus der Custom ROM Cyanogenmod bekannt - einzeln "weggeschoben" werden. Auch die verschiedenen Lockscreens bieten hilfreiche Funktionen, wie das Starten von Apps direkt vom Lockscreen aus oder das Anzeigen von Zusatzinformationen wie Wetter, aller Sozialen Netzwerke oder einfach aktuellen Terminen.

Fazit
In einem anderen Universum wäre das One S wohl HTCs Flaggschiff. Ausgezeichnete Leistung, extrem dünn, Unibody und Ice Cream Sandwich - schlagkräftige Argumente im Wettbewerb mit Samsung, Apple und Co. Ob diese, auch in Anbetracht des für Mai erwarteten Samsung Galaxy S III, ausreichen, muss jeder für sich selbst entscheiden. Doch in Anbetracht des derzeitigen Verkaufspreises von 499 Euro, der sich wohl im freien Verkauf auf knapp 400 Euro einpendeln dürfte, stellt das One S einen attraktiven Einstieg in die Welt von Ice Cream Sandwich dar. Einzige Minuspunkte dabei sind der nicht tauschbare Akku, der fehlende microSD-Kartenslot sowie für manch einen die HTC Sense Oberfläche.

Alternativen
HTC hat derzeit in diesem Segment einzig und allein ernsthafte Konkurrenz durch Samsung. Mit den beiden Modellen Samsung Galaxy S II und dem Samsung Galaxy Nexus, die beide derzeit zu einem Preis von knapp 400 Euro erhältlich sind, erhalten Ungeduldige bereits jetzt für etwas weniger Geld einen flotten Einstieg in die neue Android-Version. Da das Galaxy Nexus bei einem leicht größeren und hochauflösenden Bildschirm (1280x720 bei 4,7 Zoll) als Googles Referenzmodell immer aktuelle Updates erhält, ist es für Technikenthusiasten die erste Wahl. Wer dann doch nicht so tief in die Tasche greifen möchte, kann beim One V (800x480 bei 3,7 Zoll) zuschlagen, das um knapp 300 Euro mit einem 1 GHz Prozessor, 512 MB RAM, 4 GB internen Speicher sowie einer 5 Megapixel-Kamera ausgestattet ist.

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Modell:
HTC One S
Display:
4,3 Super AMOLED-Display mit 540 x 960 Pixel
Prozessor:
1,5 GHz Dual Core (Qualcomm Snapdragon S4)
RAM:
1GB
Speicher:
16GB, kein MicroSD-Slot
Betriebssystem:
Android 4.0.3 mit Sense 4.0
Anschlüsse/Extras:
Micro-USB, HDMI, 3,5mm Klinke, WLAN (b/g/n), Bluetooth 4.0
Kamera:
8MP Rückseite, 1,3MP Front
Videos:
1080p Rückkamera, 720p Front
Maße:
130,9x65x7,8 mm, 119,5 Gramm
Preise:
499 Euro UVP in Metallic-grau oder Schwarz

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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