Das Magnetfeld von Wendelstein 7-X (Juli 2015): Das Foto kombiniert die Leuchtspur eines Elektronenstrahls auf seinem vielfachen Umlauf längs einer Feldlinie durch das Plasmagefäß mit den Bildpunkten, die er auf einem fluoreszierenden Stab hinterlässt, der durch die Bildebene geschwenkt wird.
Das Magnetfeld von Wendelstein 7-X (Juli 2015): Das Foto kombiniert die Leuchtspur eines Elektronenstrahls auf seinem vielfachen Umlauf längs einer Feldlinie durch das Plasmagefäß mit den Bildpunkten, die er auf einem fluoreszierenden Stab hinterlässt, der durch die Bildebene geschwenkt wird.
© IPP, Matthias Otte

Wendelstein 7-X

Fusionsenergie: "Ziel nicht mehr wahnsinnig weit entfernt"

Das Erzeugen von elektrischem Strom mit Hilfe der Kernfusion verspricht grenzenlos verfügbare, kostengünstige Energiereserven. Trotz des enormen Potenzials gibt es bislang keine Anlagen, die in der Lage sind, tatsächlich mehr Energie zu erzeugen, als für den Betrieb hineingesteckt werden muss. Die meisten bestehenden Anlagen - und auch das international finanzierte ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor, Anm.) - setzen auf die sogenannte Tokamak-Technik. In Greifswald in Deutschland nimmt das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik am 10. Dezember mit "Wendelstein 7-X" hingegen einen sogenannten Stellarator in Betrieb, der auf ein alternatives Konzept setzt. Strom wird dabei noch keiner erzeugt, die Anlage könnte aber einen Weg aufzeigen, wie das benötigte extrem heiße Plasma besser in den Griff zu bekommen sein könnte. Die futurezone hat mit Thomas Klinger vom Max-Planck-Institut über Unterschiede zu bisherigen Versuchen und die Erwartungen an das Experiment gesprochen.

Was unterscheidet einen Stellarator von einem Tokamak, wie er in den meisten großen Experimenten eingesetzt wird?
Beide Anlagen verwenden Spulen, um ein ringförmiges Magnetfeld aufzubauen, mit dem das Plasma eingeschlossen wird. Beim Tokamak fließt allerdings Strom durch die Spulen und das Plasma, das gemeinsame Magnetfeld hält das Plasma zusammen. Beim Stellarator bauen nur die Spulen das Magnetfeld auf, im Plasma fließt kein Strom. Das bedingt aber, dass komplex verformte Spulen eingesetzt werden müssen, um das gewünschte Magnetfeld zu erzeugen.

Worin liegt der Vorteil der Stellarator-Technik?
Dadurch, dass kein Strom im Plasma fließt, ist es stabiler als bei einem Tokamak, wo es zu Instabilitäten kommen kann. Zudem muss beim Tokamak der Strom durch Induktion erzeugt werden, also mit Wechselstrom. Diese Anlagen “holpern” also vor sich hin. Ein Stellarator ist in Prinzip eine einfache magnetische Flasche, die das Plasma einschließt.

Warum setzen die meisten großen Fusionsexperimente bisher auf Tokamaks?
Der Tokamak war bisher immer näher an einem Kraftwerk dran. Die Wissenschaft nimmt da immer den vielversprechenderen Weg. Es war auch viel Forschung nötig, damit die Probleme der Stellarator-Technik gelöst werden konnten. Die nötige Rechenleistung für die komplizierte 3D-Konstruktion war erst ab den 90ern verfügbar.

Thomas Klinger
Was erwarten Sie sich von Wendelstein 7-X?
Wir werden nicht doppelt so gut sein, wie aktuelle Tokamaks, aber W7-X könnte etwas besser sein. Die Simulationen sind ermutigend, aber bevor wir echte Ergebnisse haben, wissen wir es nicht. Es wird noch rund zehn Jahre dauern, bis wir die Maschine komplett verstanden haben. Solide Arbeit kostet eben Zeit, wir wollen nichts vorzeitig hinausposaunen.

Könnte das auch international ein Umdenken in der Fusionsforschung bedeuten?
Für eine Abkehr vom Tokamak ist es zu früh. Das hängt auch davon ab, wie sich W7-X verhalten wird. Sollten wir überraschend gut sein, könnten die Karten tatsächlich neu gemischt werden. Aber jedenfalls werden wir eine Alternative zu Tokamaks haben.

Gibt es auch Nachteile beim Stellarator-Ansatz?
Der Nachteil eines Stellarators ist, dass die komplizierte dreidimensionale Geometrie mit hohem Aufwand für die Ingenieure verbunden ist. Die Struktur ist unregelmäßig, jedes Instrument muss eingepasst werden. Bei einem Tokamak kann man viele Teile der Konstruktion spiegeln.

Wie viel Energie ist für den Betrieb der Anlage notwendig?
Insgesamt ist die Anlage für 20 bis 25 Megawatt ausgelegt. 10 Megawatt stecken wir in einen Mikrowellengenerator, der die Anlage aufheizt, weitere 10 Megawatt benötigt ein Neutralteilcheninjektor, das ist ein Niedrigenergiebeschleuniger für ungeladene Teilchen.

Kann die Anlage tatsächlich Energie erzeugen?
Wir produzieren keine Energie, sondern schauen uns nur an, wie das Plasma sich verhält. Deshalb verwenden wir auch kein Deuterium/Tritium-Gemisch, sondern normalen Wasserstoff. Wir wollen einen Weg finden, das Plasma dahin zu bringen, wo es sein soll. Würden wir fusionsfähiges Plasma verwenden, bekämen wir weniger als 10 Prozent der reingesteckten Energie wieder heraus. Die Maschine ist darauf nicht ausgelegt. Zudem gäbe es Probleme mit dem Strahlenschutz.

Wie viel kostet die Anlage?
Die Hardware kostet rund 370 Millionen Euro. Seit 1995 ist mehr als eine Milliarde Euro in das Projekt gesteckt worden. Der Bund zahlt den Löwenanteil, rund 75 Prozent. 10 Prozent übernimmt das Land und 15 Prozent die Euratom.

Ein Stellarator kann im Gegensatz zum Tokamak über längere Zeiträume einen kontinuierlichen Fusionsprozess liefern. Erhöht das auch die Effizienz?
Die Effizienz ist dieselbe wie im Tokamak. Die Kontinuierliche Fusion ist aber einfacher für die Ingenieure. Ein Tokamak muss immer wieder hoch und runtergefahren werden. Das kostet Zeit und der thermische Zyklus ermüdet das Material und erfordert Energie.

Die Fusion gilt schon lange als Traum, bislang haben sich Prognosen aber stets als zu optimistisch herausgestellt. Warum?
Wir haben viel dazugelernt seit den 50er und 60ern. Dass zu optimistische Prognosen abgegeben wurden, lag auch am Unwissen. Wir haben jetzt größere und bessere Maschinen und das Ziel sollte nicht mehr wahnsinnig weit entfernt sein. Jetzt müssen wir Anlagen im Kraftwerksmaßstab bauen. Es ist schwer, das zu finanzieren. Das sieht man bei ITER. Da ist man mit dem Klingelbeutel um die ganze Welt gegangen und hat die Mittel gerade so zusammenbekommen.

Gibt es überhaupt Gewissheit über die grundsätzliche Machbarkeit von Fusionsreaktoren?
Das können wir letztendlich erst sagen, wenn wir es in Experimenten bewiesen haben, aber es sieht sehr gut aus.

Was halten Sie von den vielen Start-ups und kleineren Experimenten, die sich mit Fusionsenergie beschäftigen?
Dass es auch Start-ups in dem Bereich gibt, halte ich für gut und wichtig. Das zeigt, dass die grundlegende Idee Interesse und Geld anzieht. Was die Konzepte angeht, wurden aber viele bereits widerlegt. Firmen mit neuen Verfahren scheuen sich leider oft, ihre Daten auf den Tisch zu legen. Dann kann ihre Arbeit nicht eingeschätzt werden. Was die Plausibilität angeht, bin ich meist eher skeptisch. Die Forschung ist aber grundsätzlich frei, jeder kann erkunden, was er will. Das ist wichtig, damit auch nichts übersehen wird.

Wo steht Europa im Rennen um den ersten Fusionsreaktor?
Europa ist führend in der Fusionsforschung. Wir haben mit JET den größten Tokamak und auch sonst viele sehr gute Anlagen. Russland war vorne dabei, ist aber leider abgestürzt. Die USA haben gutes Personal, aber alte Maschinen, bei den Chinesen sind die Anlagen neu, aber das Spitzenpersonal fehlt oft.

Das Grundprinzip der Fusion ist alt. Wird der Fusionsreaktor trotzdem zur Goldgrube?
Das Grundprinzip ist zwar frei, es wird aber viele technische Detailpatente geben. Da werden ganze Industriezweige entstehen, es gibt viel Geld zu verdienen.

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Markus Keßler

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