Wenn gefrorenes Wasser das Heizöl ersetzt
Wer im Frühjahr an Feldern mit blühenden Apfelbäumen vorbeikommt, kann manchmal etwas Unerwartetes beobachten: eine dünne Eisschicht um die Blüten. Grund dafür ist die sogenannte Frostschutzberegnung.
Wenn die Temperaturen drohen, unter den Gefrierpunkt zu sinken, besprühen die Bauern ihre Bäume mit Wasser, das zu Eis gefriert. Das mag unintuitiv klingen, aber wenn Wasser zu Eis kristallisiert, wird Wärme freigesetzt. Diese Wärme führt dazu, dass die Temperatur innerhalb des Eises nicht unter 0 Grad Celsius abfällt und die Blüten nicht beschädigt werden.
Dasselbe Prinzip kann man sich für das Heizen eines Hauses zunutze machen. Ein Tank mit etwa 10.000 Litern Wasser wird dabei im Boden vergraben.
In dem Tank befinden sich Röhrchen, durch die eine frostsichere Flüssigkeit fließt. Durch diese Röhrchen wird die Wärmeenergie des Wassers an eine Wärmepumpe weitergeleitet, die das Warmwasser für die Heizung des Hauses aufbereitet. Das Wasser im Speicher wird dadurch immer kälter, bis es gefriert.
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Eisspeicher „aufladen“
Hier kann der Eisspeicher dann seine Trumpfkarte ausspielen, denn erst an diesem Punkt wird der Großteil seiner gespeicherten Energie freigesetzt. Erstarren 126 Liter Wasser zu Eis, wird nämlich eine Energiemenge frei, die einem Liter Heizöl entspricht.
Im Unterschied zur Heizölheizung kann man den Eisspeicher allerdings einfach wieder „aufladen“ – etwa durch Solarkollektoren, die auf dem Hausdach befestigt sind. Ihre gesammelte Wärme wird kontinuierlich in den Speicher geleitet. Zusätzlich nimmt der Eisspeicher auch Umgebungsenergie aus dem Erdreich auf, die ihn wiederum auflädt.
Eisspeicher sind in Österreich nicht weit verbreitet. Es gibt zwar Anbieter, das Speichersystem muss allerdings immer einzeln auf den jeweiligen Anwendungsfall angepasst werden. „Es gibt keine Lösungen von der Stange“, sagt Gerald Steinmaurer von der FH OÖ. Er leitet das von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützte Projekt ICE4H&C, bei dem dieses Problem angegangen sowie die Effizienz der Systeme erhöht werden soll.
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Eine Frage der Kosten
Der Einsatz von Eisspeichern ist vor allem eine Kosten-Nutzen-Frage. Je größer der Speicher ist, desto mehr Energie kann gespeichert werden. Größere Anlagen bedeuten mehr Material- und Baukosten. Auch die Kollektoren, die es braucht, um den Speicher wieder aufzuladen, müssen größer dimensioniert werden. Ein Eisspeicher funktioniert zwar ebenso, wenn das Wasser gefroren ist, die Effizienz nimmt dann allerdings stark ab. Denn: „Eis ist ein guter Dämmstoff, aus dem kriegt man die Wärme gar nicht so leicht heraus“, sagt der Experte.
Riesige Speicher für die Industrie
Für die Industrie eignen sich Eisspeicher besonders gut, weil auch geringe industrielle Abwärme genutzt werden kann, um den Speicher wieder aufzuladen. Zudem kann der Speicher recht einfach für einen großen Heizwärmebedarf hochskaliert werden. Während gut gedämmte Einfamilienhäuser meist mit einem Speichervolumen von 10 Kubikmeter auskommen, brauchen Lager- und Werkshallen entsprechend mehr.
Ikea
Der Eisspeicher der Ikea-Logistikzentrale Wien-Strebersdorf ist 1.700 Kubikmeter groß. Würden die rund 1,5 Millionen Liter Wasser darin vollständig gefrieren, entspricht das einer freigesetzten Energie von 12.000 Litern Heizöl. Der Eisspeicher ist aber darauf ausgelegt, dass er nur zu etwa 70 Prozent vereist. Die Vereisung kann allerdings mehrmals im Jahr stattfinden.
Fronius
Ein noch größerer Eisspeicher steht am Fronius-Standort Sattledt bei Wels. Die 2 Betonbehälter mit 20 Metern Durchmesser und fünf Metern Tiefe sind insgesamt mehr als 3.000 Kubikmeter groß. Zusammen enthalten sie mehr Wasser als ein olympisches Schwimmbecken. Das Leitungsnetz, das die beiden Reservoirs durchzieht und die Wärme ableitet, ist knapp 90 Kilometer lang. Damit war der Eisspeicher bei seiner Errichtung 2023 der größte seiner Art in Europa.
Sowohl der Eisspeicher von Fronius als auch der von Ikea wurden vom Heiztechnikunternehmen Viessmann errichtet.
Im Sommer will man hingegen einen kalten Speicher haben. Dann kann die gesammelte Kälte genutzt werden, um das Haus zu kühlen. „Der primäre Zweck ist aber die Unterstützung des Heizbetriebs“, sagt Steinmaurer: „Das Kühlen ist ein Bonus.“
Gemeinsam mit den österreichischen Unternehmen Gasokol und Ecotherm haben die Experten der FH OÖ einen Eisspeicher im Labormaßstab gebaut. Ecotherm ist für die Konzeption des Speichers zuständig. Nun gilt es zu testen, wie man möglichst effizient die Wärme aus dem Wasser bzw. Eis kriegt.
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Zudem experimentiert man mit verschiedenen Solarkollektoren, die den Eisspeicher wieder regenerieren können. „Die bisher verwendeten Solar-Luft-Kollektoren sind günstig, funktionieren aber nur im Sommer wirklich gut“, sagt Steinmaurer.
Mit PV kombinieren
Gasokol will daher verglaste Kollektoren einsetzen, die auch im Winter hohe Temperaturen erreichen. Eine Kombination mit sogenannten PVT-Kollektoren, die zusätzlich noch Solarstrom produzieren, ist ebenso angedacht. Auch hier gilt es, die Kosten gegenüber dem Nutzen abzuwägen – beide Kollektor-Arten mögen die Effizienz des Eisspeichers erhöhen, treiben aber die Kosten nach oben.
„Wir befinden uns immer noch in der experimentellen Entwicklung“, sagt Steinmaurer. Im Idealfall wird dadurch der Weg für eine Software geebnet, die künftig die passenden Eisspeicher für den Privatgebrauch und für die Industrie berechnen kann.
Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).
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