"Es werden nicht alle Online-Apotheken überleben"
Noch wird der "Durchführungsrechtsakt" in der EU-Kommission verhandelt. "Bis Sommer wird mit dem Abschluss der Verhandlungen gerechnet", sagt ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Danach beginnt eine einjährige Übergangsfrist. Frühestens im Sommer 2015 wird dann auch in Österreich der Online-Verkauf rezeptfreier Arzneimittel erlaubt sein. Aus dem EU-Ausland dürfen österreichische Kunden bereits heute mit nicht-rezeptpflichtigen Medikamenten beliefert werden. Zahlreiche Versandapotheken aus den Nachbarstaaten tun dies bereits.
Auch der österreichische Apothekerverband, ein strenger Gegner des Online-Handels mit Medikamenten, bringt sich für die Marktliberalisierung in Stellung. Ende April startete das Online-Portal apodirekt.at. Auf der Website, an der sich mehr als 700 heimische Apotheker beteiligen, können Kunden Medikamente reservieren, die sie dann allerdings in einer der teilnehmenden Apotheken abholen und bezahlen müssen.
"Das Portal ist gut angelaufen", sagt Viktor Hafner Projektleiter von Apodirekt. Um konkrete Nutzerzahlen zu veröffentlichen, sei es wenige Wochen nach dem Start allerdings noch zu früh. Für den Apothekerverband sei es auch darum gegangen, "ein Zeichen in der Öffentlichkeit zu setzen".
"Wenig Chancen"
In der Branche werden dem Online-Angebot der österreichischen Apotheker wenig Chancen eingeräumt. "Konsumenten suchen im Internet, wollen dort kaufen und die Arzneimittel auch nach Hause geliefert bekommen", sagt Herbert Pfeiffer, Geschäftsführer der Versandapotheke Vamida, die seit September 2012 vom tschechischen Brünn aus nach Österreich liefert. Die über Apodirekt bestellten Waren müssten aber vor Ort in der Apotheke abgeholt werden. Letztlich spiele Apodirekt aber den Versandapotheken in die Hände, meint Pfeiffer: "Der Kunde wird an die Nutzung von Online-Angeboten gewöhnt."
Wachsender Markt
Das Marktvolumen für rezeptfreie Medikamente oder den Over-The-Counter-Bereich (OTC) , wie das Segment im Branchenjargon genannt wird, betrug 2012 in Österreich etwas über 630 Millionen Euro. Während die Umsätze in anderen Bereichen sinken, steigen sie bei nicht-rezeptpflichtigen Arzneimitteln. Laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens IMS HEALTH legte der Bereich zuletzt um fast zehn Prozent zu, während der Gesamtmarkt um mehr als ein Prozent zurückging.
Aus dem EU-Ausland liefern bereits zahlreiche Versandapotheken nach Österreich. Voraussetzung ist eine Apothekenzulassung in einem EU-Mitgliedsstaat. Zu den Anbietern zählen unter anderen der Schweizer Anbieter Zur Rose, der auch mit dem Drogeriemarkt dm zusammenarbeitet, die deutsche Online-Apotheke mycare, apotheke-oesterreich sowie das Start-up Vamida. Die Umsätze in Österreich sind noch bescheiden. Sie dürften den "niedrigen einstelligen Prozentbereich" des OTC-Markts nicht übersteigen, schätzt Vamida-Chef Pfeiffer.
Preisvorteil und Schamgefühl
Neben Preisvorteilen beim Online-Kauf - die bis zu 50 Prozent betragen können kaufen Kunden vor allem aus Gründen der Bequemlichkeit, aber auch um unangenehme Situationen in der Apotheke - etwa beim Kauf von Hämhorridensalben oder Mitteln gegen Haarausfall - zu vermeiden, bei Versandapotheken.
Mit der Liberalisierung dürften auch weitere Anbieter, etwa aus dem Lebensmittelhandel auf den Markt drängen. "Es werden nicht alle Online-Apotheken überleben. Es wird ein hart umkämpfter Markt", sagt Pfeiffer. Anbieter die heute schon aktiv seien, würden wohl auch in Zukunft den Markt beherrschen.
Grund zum Optimismus
Die Versandapotheker haben jedenfalls Grund zum Optimismus. In Deutschland, wo der Online-Versand rezeptfreier Medikamente seit 2004 erlaubt ist, halten Online-Anbieter mittlerweile einen Marktanteil von zwölf Prozent am Markt für rezeptfreie Arzneimittel. Ähnliche Dimensionen seien auch in Österreich möglich, heißt es aus der Branche. Das wären immerhin fast 70 Millionen Euro.
Im Apothekerverband will man diese Einschätzungen nicht teilen. In vielen Ländern, in denen der Versandhandel mit rezeptfreien Arzneimitteln bereits heute legal ist, sei dies kein Thema. Marktanteile von zwölf Prozent, wie es in Deutschland der Fall sei, würden die meisten EU-Länder nicht erreichen, sagt Viktor Hafner vom Apothekerverband: "Deutschland ist ein Extrembeispiel."
Der Apothekerverband stemmt sich seit Jahren gegen Online-Apotheken und warnte in der Vergangenheit wiederholt vor Medikamentenfälschungen. "Sicherheit kann nur gewährleistet werden, wenn die Arzneimittel in der öffentlichen Apotheke vor Ort bezogen werden", sagt Hafner.
Behördliche Kontrolle
Versandapotheker Pfeiffer kann solche Aussagen nicht nachvollziehen. "Versandapotheken unterliegen genauso wie stationäre Apotheken einer behördlichen Kontrolle und dürfen nur zugelassene rezeptfreie Produkte an österreichische Konsumenten versenden." Der Vamida-Chef spart auch nicht mit Kritik an der Interessensvertretung der Apotheker: Anstatt gemeinsam mit dem Versandhandel an sicheren Lösungen zu arbeiten, finanziere man seit Jahren teure PR-Kampagnen, deren einziger Inhalt es sei, den Versandhandel in den Kontext von Medikamentenfälschungen zu stellen.
Auch Pia Baurek-Karlic von der Wiener Urania Apotheke, die unter der Web-Adresse beavit.at Kosmetikartikel und Nahrungsergänzungsmittel anbietet und nach der Liberalisierung auch rezeptfreie Medikamente online verkaufen will, kann die Haltung des Branchenverbandes nicht verstehen. Österreichische Versandapotheken könnten die Qualität stationärer Anbieter durchaus halten, meint sie: "Ich verstehe nicht, warum man den Standort Österreich so schwächen möchte."
Das Beispiel Deutschland zeige, dass sich der stationäre Handel vor der Online-Konkurrenz nicht zu fürchten brauche, sagt Baurek-Karlic. In Deutschland seien seit der Liberalisierung vor zehn Jahren sowohl der Versand- als auch der Handel vor Ort gewachsen. Für den heimischen Markt hält sie ähnliche Entwicklungen für möglich: "Zwischen Deutschland und Österreich gibt es viele Parallelen."
Pfeiffer:Es hat sich kontinuierlich gesteigert. Grundsätzlich ist der Versandapothekenbereich noch in den Kinderschuhen. In Deutschland, wo Versandapotheken bereits 2004 gestartet sind, haben Online-Apotheken im Over-the-Counter-Bereich, also allem was rezeptfrei ist, einen Marktanteil von zwölf Prozent. In Österreich sind wir weit davon entfernt. Ich schätze den Bereich auf einen sehr niedrigen einstelligen Prozentbereich im Gesamtmarkt. Genaue Zahlen gibt es für Österreich nicht. Da fehlen noch die Daten.
Warum kaufen Kunden online?
Es gibt mehrere Gründe. Der Online-Einkauf spart Zeit. Der Mensch hat auch ein Schamgefühl, wenn es um die Gesundheit geht. Hämhorridensalben oder Mittel gegen Haarausfall sind Produkte, die bei uns sehr gut gehen. Der Kunde schaut auch auf den Preis. Der Preisvorteil, der im Schnitte zwischen 20 und 25 Prozent liegt, ist ein klares Argument, warum unser Markt wächst.
Der Versand von rezeptfreien Medikamenten wird in Österreich voraussichtlich 2015 freigegeben. Wie wird sich die Liberalisierung auswirken?
Ich erwarte eine ähnliche Entwicklung wie in Deutschland. Versandapotheken werden bei rezpetfreien Arzneimitteln in den nächsten zehn Jahren einen Marktanteil von bis zu zwölf Prozent erreichen. Wie sich der Markt aufteilt, wird sich in den nächsten Jahren entscheiden. Aufgrund des zeitlichen Vorsprungs werden die jetzigen Player wohl auch die sein, die den Markt beherrschen werden. Fraglich ist, wie gut sich traditionelle Apotheken ihre Stammkundschaft für den Online-Bereich nutzbar machen.
Der Apothekenverband hat mit Apodirekt vor kurzem ein eigenes Angebot gestartet, bei der Arzneimittel online reserviert werden können. Wie beurteilen Sie die Chancen einer solchen Lösung?
Es gibt im Apothekerverband unterschiedliche Strömungen. Es gibt Hardliner, die sagen, wir wollen keinen Versandhandel und dann gibt es eine junge Garde, die sagt, wir wollen die Möglichkeit haben, so etwas zu betreiben. Unter dem Strich ist eine "Click & Collect"-Lösung herausgekommen. Es können Arzneimittel online reserviert werden, der Kunde muss sie aber in der Apotheke abholen und auch dort bezahlen. Die Chancen, dass es sich durchsetzen und das es angenommen wird, halte ich für gering. Man hat immer noch den Weg in die Apotheke. Der Konsument wird aber erzogen, den Versandhandel zu nutzen.
Der Apothekerverband wettert gegen den Versandhandel und spricht auch von Medikamentenfälschungen.
Es wird viel vermischt und nicht unterschieden, zwischen dem, was illegal an gefälschter Ware eingekauft wird, und dem, was legal bezogen werden kann. Die Interessensvertretungen der Apotheker scheren alles über einen Kamm. Wir beziehen Originalware aus dem österreichischen Markt und verschicken sie über Tschechien, wo sie verpackt wird, wieder zurück nach Österreich. Wir sind auch bei der tschechischen Gesundheitsbehörde gemeldet. Um aufzuklären, wo man sicher einkauft, sollte branchenübergreifend agiert werden. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten. Der Apothekerverband hat sich aber noch nicht bei uns gemeldet.
In Deutschland können auch rezeptpflichtige Medikamente online gekauft werden. Ist das auch in Österreich zu erwarten?
Ich gehe davon aus, dass in fünf bis zehn Jahren auch der Verkauf rezeptpflichtiger Medikamente über Online-Apotheken erlaubt sein wird. Sobald Konsumenten den Versandhandel akzeptieren und sehen, dass er sicher und vertrauenswürdig ist, wird die Diskussion losgehen.
Schreiben Sie eigentlich schon schwarze Zahlen?
Wir haben es geschafft als junges Start-up in Österreich in einer sehr traditionellen Branche zu überleben und voranzukommen. Die Hürde der Median-Apotheke in Österreich vom Umsatzvolumen ist genommen worden.
Was heißt das?
Wir sind gut unterwegs.