Meilenstein mit neuartigem Fusionsreaktor erreicht (Symbolbild)

Meilenstein mit neuartigem Fusionsreaktor erreicht (Symbolbild)

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Science

Meilenstein mit neuartigem Fusionsreaktor erreicht

Am "Heiligen Gral der Energieerzeugung" wird seit Jahrzehnten geforscht. Auch wenn man in der Theorie ziemlich genau weiß, wie man mithilfe von Kernfusion quasi unendlich Energie erzeugen kann, lassen sich die Pläne nicht ohne Weiteres in die Praxis umsetzen. 

Aktuelle Experimente greifen hauptsächlich auf so genannte Tokamak-Reaktoren zurück. Diese haben die Form eines Donuts. In ihnen wird heißes Plasma mithilfe von Magneten in der Schwebe gehalten. 

Schwebendes Plasma ist deswegen notwendig, weil die Wasserstoffatome im Reaktor auf über 100 Millionen Grad aufgeheizt werden müssen, damit sie fusionieren. Kein Material der Welt würde den Kontakt mit einer solchen Hitze aushalten. 

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Die Brennkammer des ASDEX Upgrade hat die Form eines Donuts.

Die Brennkammer des ASDEX Upgrade hat die Form eines Donuts

Schwebender Magnet im Reaktor

Bei den aktuellen Tokamak-Reaktoren sind die leistungsstarken Magnete außerhalb der Fusionskammer angebracht und wirken nach innen. Ein Start-up aus Neuseeland hat dieses Prinzip nun umgekehrt und damit einen neuen Blick auf die Kernfusion ermöglicht. 

OpenStar hat den Magneten nicht außerhalb, sondern innerhalb der Fusionskammer angebracht. Dort wird der extrem starke Magnet in einem Vakuum in der Schwebe gehalten - durch einen zweiten Magneten, der fix an der Decke der Reaktorkammer angebracht wird. 

Grafische Darstellung eines Openstar-Reaktors

Der schwebende Magnet im Zentrum der Reaktorkammer erzeugt das Magnetfeld, indem das Plasma gehalten wird. Aber wie soll der Magnet 175 Millionen Grad Celsius aushalten, die zur Fusion nötig sind?

Laut OpenStar funktioniert das, weil durch die Konvektion die Hitze nach außen gedrückt wird, Richtung der Reaktorwand. "Es ist die einzige Konfiguration zur Kernfusion, die die Natur nicht sofort versucht zu zerstören", sagt Ratu Mataira, CEO von Openstar, zu IEEE Spectrum.

Erstes Plasma erzeugt

Bei Experimenten konnte OpenStar jetzt erstmals Plasma erzeugen ("First Plasma"). Dazu wurde ein Prototyp namens Junior genutzt, bei dem sich ein Magnet in der Mitte befindet.

Openstar konnte für die Dauer von 20 Sekunden eine Plasmawolke erzeugen, die eine Temperatur von ungefähr 300.000 Grad Celsius erreichte. Für die Fusion von Wasserstoffatomen ist das allerdings noch viel zu wenig, der neue Ansatz sei aber überaus vielversprechend. 

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Noch viele Herausforderungen

Er sei von den Experimenten des neuseeländischen Unternehmens "begeistert", wird der MIT-Fusionsforscher Dennis Whyte von der Financial Times zitiert. Die Herangehensweise mit dem schwebenden Magneten sei eine weitere aufregende Option in den verschiedenen Ansätzen zur Fusion, erklärt der Wissenschafter. 

Die Forschung an dem neuen Konzept steht aber vor größeren Herausforderungen. Der Magnet muss stark gekühlt werden, um das Magnetfeld möglichst lange aufrecht zu erhalten. Für das First-Plasma-Experiment wurde er auf -240 Grad Celsius vorgekühlt, was ein Zeitfenster von 80 Minuten schuf, bevor der Magnet zu warm wird und Leistung verliert.

Zukünftig soll der Magnet mit einer aktiven Kühlung ausgestattet werden. Dazu wird er flüssiges Helium an Bord haben. Aber auch das muss irgendwann nachgefüllt werden, weshalb der Reaktor gestoppt werden muss - er ist also nicht für einen Dauerbetrieb geeeignet. Eine Zuleitung von außen ist wegen des heißen Plasmas nicht möglich, das den Magneten umgibt.

Der Magnet ist ein Hochtemperatursupraleiter und hat dadurch eine extrem niedrigen elektrischen Widerstand. Der ist aber nicht 0. Das heißt: Der Magnet verliert laufend Leistung, wenn der Reaktor läuft. Um das zu lösen, soll die Magneteinheit zukünftig einen Akku bekommen, der die Lebensdauer des Magnets verlängert.

Erste Fusion in ein paar Jahren

OpenStar zeigt sich naturgemäß zuversichtlich, die Probleme bei weiteren Experimenten aus dem Weg räumen zu können. Das Start-up behauptet, dass ihre Art der Kernfusion deutlich rascher in die Kommerzialisierung gehen könnte, als andere Herangehensweisen.

Der nächste Prototyp soll, wie bei Junior, einen Dipolmagneten mit 1,2 Meter Breite nutzen. Der soll aber 4-mal leistungsfähiger sein. Mit dem ersten Gelingen einer Fusion rechnet Mataira frühestens bei der 3. Generation der Prototypen. Dies könnte 2027 soweit sein.

Das Unternehmen geht davon aus, dass Reaktoren mittels Schwebemagneten als kleine Alternative zu den gewaltigen Tokamak-Reaktoren eingesetzt werden könnten. Angestrebt sind 25- bis 50-Megawatt Leistung. Damit könnte man etwa Rechenzentren in abgelegenen Regionen mit Energie versorgen. Mit dem Geld, das damit verdient wird, will Openstar dann größere Reaktoren entwickeln, die mehrere Gigawatt Leistung haben. 

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