IT-Größen warnen vor nächster Internet-Blase
"Wir befinden uns mitten in einer neuen Internetblase." Carol Bartz, Yahoo-Chefin und mit 40 Jahren Erfahrung eine Veteranin der IT-Branche, warnte kürzlich vor dem Hype, der sich um Web-Plattformen wie Facebook, Twitter oder Zynga aufgebaut hat. Viele Leute, so die Managerin, wollten aus Geldgier an den Erfolgsgeschichten der Web-Firmen teilhaben.
Mit ihrer Meinung steht Bartz mittlerweile nicht mehr alleine da. Die Wissenschaftlerin Sekai Farai zieht im Gespräch mit der britischen Tageszeitung "The Guardian" den Schluss, dass zu viel Geld im Spiel sei und der Hype böse enden werde. Die Forscherin der Columbia University untersuchte über mehrere Jahre die Start-Up-Szene. Fred Wilson, Investor und Akteur in der ersten Internet-Blase, mahnt schon seit längerer Zeit auf seinem Blog sowie in Interviews. Seiner Ansicht nach seien die Ratings viel zu hoch, eine kleine Web-Firma mit einer Handvoll Mitarbeitern könne nicht hunderte Millonen Dollar wert sein. Vor knapp zwei Wochen warnte schließlich auch der scheidende Google-Chef Eric Schmidt vor zu hoch gesteckten Erwartungen an junge Internet-Unternehmen. Der Ansturm sei übertrieben, Leute glaubten, dass diese Firmen künftig riesige Umsätze erreichen würden. Eine Ansicht, die bei vielen Unternehmen jedoch unbegründet ist. Oft ist nicht klar, wie sie Geld verdienen wollen beziehungsweise wird der Gemeinplatz „Umsatz mit Werbung“ strapaziert.
Offene Fragen
Während eines Vortrags am Mobile World Congress in Barcelona verriet Twitter-Chef Dick Costolo – das Portal soll zehn Milliarden Dollar wert sein – nur sehr vage Umsatzzahlen. Ähnlich die Situation bei Facebook. Wie das mit 60 Milliarden US-Dollar bewertete Unternehmen Geld verdient, ist unbekannt. Gründer Mark Zuckerberg schweigt zu Geschäftszahlen.In den vergangenen Monaten haben sich einige Facebook-Finanziers mit Gewinn von ihren Anteilen getrennt. Die Investment-Firma Accel Partners hat sich ebenso zurückgezogen wie etwa die Samwer-Brüder (u.a. "Jamba"). Und Facebook-Mitarbeiter wollen sich demnächst von Anteilen im Wert von einer Milliarde US-Dollar trennen. Dass frühe Investoren verkaufen, um Gewinne zu sichern, sehen Insider als Anzeichen, dass das Portal überbewertet ist.
Viel Lärm um nichts
Auch jene Firmen, die das Silicon Valley groß machten, klagen über die Web-Unternehmen. So kritisieren sie gegenüber Bloomberg, dass Geldgeber nur an Start-ups interessiert seien und Unsummen in diese Betriebe steckten; für Firmen, die Greifbares wie Prozessoren oder Software herstellen, bleibe nichts übrig, sie seien nicht „sexy“. Welchen Stellenwert Facebook verglichen mit anderen IT-Firmen hat, zeigte jüngst ein Abendessen mit Barack Obama: Mark Zuckerberg saß rechts neben dem US-Präsidenten, Chefs von Konzernen wie Google hatten lediglich Randplätze.
Mark Cuban, Investor und Profiteur der Internet-Blase 2001, vergleicht die aktuelle Situation mit einem Pyramiden-Spiel: Finanziers der Frühphase überzeugen größere Organisationen – Banken wie Goldman Sachs und JP Morgan Chase haben kürzlich Web-Fonds aufgelegt – Geld hineinzustecken, um die ursprüngliche Investition gewinnbringend zurückzuerhalten. Ein Vorgehen, das solange wiederholt wird, bis das Web-Unternehmen an die Börse kommt. Durch den Hype steigt der Kurs rasant, die verbleibenden Investoren sichern ihren Gewinn. Die fallenden Kurse danach sind das Problem der Kleinanleger.