Larry Page und die wertvollste Baustelle der Welt
Seine Ideen sind grenzenlos, sein Auftreten ist schüchtern und sein Unternehmen die wertvollste Marke der Welt: Ab Montag wird Google-Mitbegründer Larry Page wieder das Ruder im Konzern übernehmen. Zurück zu den Wurzeln soll es gehen, der Internet-Riese wieder mehr Start-up-Charakter bekommen.
Zehn Jahre ist es her, seit Page zum ersten Mal auf dem Google-Chefsessel saß, zehn Jahre lang leitete der „Erwachsene“ Eric Schmidt die Geschäfte. Nun kehrt der 38-jährige Page an die Spitze zurück und ist zunächst mit einer Tatsache konfrontiert: Die Zeiten haben sich geändert. Aus dem 200-Mitarbeiter-Unternehmen von damals ist ein Weltkonzern mit mehr als 24.000 Angestellten geworden. Die Konkurrenz sowohl in Googles Kerngeschäft – der Internetsuche – als auch in anderen Bereichen wie Social Networking und Onlinewerbung hat dramatisch zugenommen. Und Google selbst ist kein leichtfüßiges Unternehmen mehr, sondern in vielen Bereichen unüberschaubar und schwerfällig geworden.
Das Suchgeschäft rückt zunehmend aus dem Fokus, stattdessen macht Google – nicht immer gute – Schlagzeilen mit Bücherscannen, Smartphones, Übersetzungen, Straßenkarten und seinem eigenen Browser. Zuletzt ließ Google mit dem
Aufräumen im Projekte-Chaos
Der Konzern werkt an unzähligen Baustellen gleichzeitig, regelmäßig kommen neue hinzu. Fast wöchentlich kauft das Unternehmen, das 2010 8,5 Milliarden Dollar verdiente, kleinere Firmen auf. Der neue, alte Google-Chef will künftig mehr Einblick in die diversen Projekte nehmen und Entscheidungsprozesse beschleunigen, heißt es aus Unternehmenskreisen. „Larry Page ist ein Erfinder und Unternehmer. Er legt Wert auf schnelle Entscheidungsfindung und kleine Arbeitsteams“, sagt Google-Sprecher Kay Oberbeck im Gespräch mit der futurezone. Er habe immer in großen Dimensionen gedacht und werde das Unternehmen auch künftig in diesem Sinne führen.
Vielversprechende Projekte sollen in Zukunft teilweise in eigene Start-ups verwandelt werden – so, wie beispielsweise auch Googles Handy-Betriebssystem Android entstanden ist. „Google mag heute ein ziemlich großes Unternehmen sein, aber wir sind sehr darum bemüht, das Tempo, die Seele und die Leidenschaft eines Start-ups zu erhalten“, so Oberbeck. Im Durchschnitt arbeiten bei Google 3,5 Entwickler an einem Projekt, die Überarbeitung eines Algorithmus von der Konzeption bis zur Umsetzung dauert laut Oberbeck oft nicht länger als 48 Stunden. „Larry und Sergej haben Google groß gemacht, indem sie Risiken eingegangen sind und immer in großem Rahmen gedacht haben. Viele unserer heute erfolgreichen Produkte – etwa Android oder Chrome – sind das Resultat eines solchen Denkens“, so der Google-Sprecher weiter.
Welche Ideen Page künftig vorantreiben wird, könnte auch von seinen persönlichen Vorlieben abhängen. Einige Google-Manager fürchten bereits, Produkte zu verlieren – so sei Page beispielsweise kaum von „Google Health“ überzeugt. Google-intern werden derzeit Bereiche wie grafische Online-Werbung, das erfolgsverwöhnte Android sowie – trotz aller Rückschläge – das Google Buchprojekt als zukunftsträchtig erachtet.
Verrückt und introvertiert
Das Einscannen von Büchern ist eine von Larry Pages’ ganz großen Visionen und zeigt nicht zuletzt auch seinen überschäumenden Charakter. Er fragt nicht lange nach, er macht einfach. Der Google-Mitbegründer ist berüchtigt für seine zum Teil verrückten Ideen und dafür, dass er sich nicht so ohne weiteres davon abbringen lässt. So will er auch weiterhin an Projekten wie dem „fahrerlosen Auto“ festhalten.
Ein Star im Scheinwerferlicht war Larry Page bislang nicht. Der Google-Gründer spricht nicht gern mit den Medien und tritt kaum als Keynote-Speaker auf großen Konferenzen auf. Das dürfte sich auch durch seine neue Chefrolle nur wenig ändern. Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter nutzt Page nicht, ginge es nach Foursquare hätten andere Mitarbeiter den Google-Komplex in Mountain View unter ihrer Führung. Page beschäftigt sich lieber mit Bits und Bytes und werkt nach alter Informatiker-Manier an neuen Ideen.
Mit seiner Kreativität soll der ehemalige Montessori-Schüler dafür sorgen, dass aus Google kein „zweites Microsoft“ wird, der Konzern nicht über seine eigene Macht und Größe stolpert. Frische Ideen werden auch nötig sein, denn anders als zu Pages’ erster Amtszeit mischen heute Firmen wie Facebook und Twitter die Online-Welt auf. „Alles, bloß nicht normal sein“, lautet die langjährige Devise bei Google. Dafür ist Page der richtige Mann.