E-Mental-Health: Digitale Hilfe für die Psyche in schwierigen Situationen
E-Mental-Health ermöglicht es den Menschen, die Vorteile von digitalen Angeboten zu nutzen, und auf diese Weise schnelle Hilfe zu erhalten, wenn sie benötigt wird.
Epidemiologischen Studien zufolge erkranken jährlich 27,8 Prozent der Bevölkerung an psychischen Problemen. Allerdings wenden sich nur 18,9 Prozent der Erkrankten an einen Therapeuten. Trotzdem liegen die Wartezeiten für ein Erstgespräch durchschnittlich bei sechs Wochen, was von Ort zu Ort sehr unterschiedlich ausfallen kann. Im Schnitt ist mit knapp 20 Wochen zu rechnen, bis die erste Therapiestunde stattfindet. Für akute Probleme ist eine solche Wartezeit nicht tragbar.
Wie geht man mit Ängsten um?
Die Zeiten materieller Unsicherheiten nehmen zu, deshalb mehren sich die täglichen Ängste. Immer mehr Menschen sind nicht nur mit Problemen in der Partnerschaft, Kindererziehung oder am Arbeitsplatz konfrontiert. Die Angst vor der Zukunft wächst und deshalb muss die psychische Gesundheit gefördert werden.
In der Schule lernt niemand, wie er mit den Ängsten, die das Leben mit sich bringt, umgehen kann und soll. Dafür gibt es verschiedene Therapieformen, in denen die Probleme aufgearbeitet und neue Umgangsweisen mit den Gefühlen erlernt werden können. Doch das ist nur bedingt möglich, denn die Wartelisten bei Therapeuten sind lang und akute Notfälle können dadurch nicht aufgefangen werden.
Der Mensch ist auf Unterstützung angewiesen
Viele Probleme entstehen von einem Tag auf den anderen und bedürfen kurzfristiger Lösungen. Für diese Situation stehen zu wenig ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung, außerdem sind Therapien kostenintensiv. Bevor die Krankenkassen einen Therapieplatz bewilligen, müssen viele Begründungen und Untersuchungen erfolgen. Selbst dann kann es zu Absagen kommen, obwohl der Betroffene sich nicht selbst aus einer Depression oder einem Burnout ziehen kann.
Die Lösung?
Mit dem Internet lässt sich jeder Mensch rund um die Uhr erreichen. Dadurch entstand die Idee, online-gestützte Interventionen auf dem Markt anzubieten. In einfachen Worten bedeutet das, Programme und Kurse zu entwickeln, die in ihrer Wirkung ähnliche Ergebnisse hervorbringen, wie es ein klassischer Termin bei einem Psychotherapeuten tun würde.
Jedes Problem ist nur eine Grenze, die überwunden werden will
Viele Menschen scheuen sich nach wie vor, offen über eine psychische Erkrankung zu sprechen. Dabei hat jeder von uns mit dieser Thematik zu tun. In den ersten sieben Jahren übernehmen Kinder durch die Eltern und andere betreuende Personen Verhaltensmuster, die das Bild von der Welt und der eigenen Persönlichkeit formen. Sind diese sehr begrenzend oder negativer Natur, müssen sie im Erwachsenenalter aufgearbeitet werden, damit Ängste überwunden und neue Handlungsstrukturen geschaffen werden können.
In einer Therapie wird hinterfragt, wie der Klient zu diesen Denkmustern gekommen ist. Finden sich die Ursachen, bedeutet das meist, dass sich diese auflösen und den Weg in ein neues Handeln freimachen.
Schnelle Hilfe, wenn sie gebraucht wird
Die meisten Menschen haben das Bedürfnis, etwas in ihrem Leben zu verändern. Allerdings scheuen sie sich, psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. E-Mental-Health steht für die Möglichkeit, durch Online-Programme auf anonyme Weise die eigenen psychischen Baustellen aufzudecken und sich mit ihrer Bewältigung auseinanderzusetzen.
Digitale Angebote erfordern keine Wartezeit. Hier kann Fachwissen in Bezug auf eine konkrete Situation vermittelt werden. Oft reicht es bereits aus, dem betroffenen Menschen zu erklären, was sein Zustand bedeutet, wie er entsteht und wodurch die Ängste ausgelöst wurden. Mit dieser Hilfestellung kann der Klient sein Verhalten reflektieren und seine Gedanken hinterfragen. Genau das passiert auch in einer Therapiesitzung vor Ort.
Selbsthilfe, Reflexion und Unterstützung
Digitale Angebote können auf verschiedene Weise zur Selbsthilfe anleiten. Dabei sollten sie von einem Psychologen oder Therapeuten begleitet werden. Die Programme, Apps und Kurse müssen erklärende Aspekte aufweisen, konkrete Übungen zur Entspannung oder zu konkreten Handlungen anbieten und parallel dazu die Möglichkeit integrieren, direkten Kontakt zu einem Therapeuten zu erhalten. Das kann in Form von Video-Calls, regelmäßigen Mails oder Chat-Nachrichten erfolgen. Dieser Kontakt macht es möglich, dass sich der Klient in seinem Tempo durch das digitale Angebot bewegen kann. Es gibt aber die Möglichkeit, sich jederzeit persönliche Motivation und Unterstützung zu holen.
Auf diese Weise bekommen viel mehr Menschen schnelle Hilfe, als es im klassischen Therapieablauf möglich wäre. Krankenkassen können diese Angebote finanzieren, sodass Menschen aller Einkommensschichten diese Möglichkeit nutzen können. Die neue DVG, die 2019 in Kraft trat, bildet dafür die gesetzliche Grundlage. Durch sie werden Zuschüsse für entsprechende Programme gewährt. Werden diese wissenschaftlich anerkannt, übernehmen die Krankenkassen sogar die gesamten Kosten.
Hilfe in akuten Situationen
Ob vorbeugend oder aktuell - jeder Mensch braucht irgendwann in seinem Leben Hilfe. Tritt ein Todesfall in der Familie ein, hilft es sehr, wenn ein anderer Mensch Anleitung gibt, wie es weitergehen kann. Junge Mütter brauchen psychische Unterstützung, wenn es darum geht, das eigene Leben für das des Kindes zurückzustecken. Langjährige Ehen stehen oftmals vor dem Aus, weil die Kommunikation zusammengebrochen ist. Auch hier helfen die Informationen, wie es zu dieser Situation kommen konnte.
Über die verhaltenstherapeutische Ebene können Übungen angeboten werden, die die Selbstwahrnehmung schulen und für Entscheidungsfähigkeit sorgen. Denn oftmals geht es darum, sich aus erlernten und übernommenen Strukturen zu befreien. Das ruft Ängste hervor, die sich aber bewältigen lassen. Digitale Angebote können hier die Zeitspanne bis zu einer ambulanten oder stationären Psychotherapie überbrücken. Oft reicht es bereits, Verständnis für die eigenen Gefühle aufzubringen. Löst sich der Widerstand gegenüber einer Situation, entsteht automatisch eine größere Handlungsfreiheit.
Die Qualität ist von entscheidender Bedeutung
Wer die Vorteile digitaler Angebote für die Psyche erkennt und nutzen möchte, sollte die Programme und Apps gründlich hinterfragen. Eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse signalisiert wissenschaftlich fundierte Seriosität. Außerdem sollte es die Möglichkeit des persönlichen Kontaktes über das Internet mit dem Therapeuten geben.
Manchmal braucht es nur eine Erklärung und plötzlich ist das Verständnis für die Situation da. In diesem Fall sind lange Wartezeiten und eine ambulante Therapie nicht nötig. Diese neue Form der Hilfestellung wird über das Internet möglich, zudem bleibt ein gewisses Maß an Anonymität gewahrt. Wir sollten uns nicht scheuen, diese Angebote in Anspruch zu nehmen, egal ob vorbeugend, ausschließlich digital oder als Überbrückung für die Wartezeit auf einen Therapieplatz.