Symbolbild Hitze und Strom

Symbolbild Hitze und Strom 

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Wie man den Hitze-Blackout verhindern kann

Es ist Juni 2024. Eine Hitzewelle zieht über Europa und die Klimaanlagen laufen auf Hochtouren - bis plötzlich in weiten Teilen mehrerer Länder kein Strom mehr fließt. Betroffen sind unter anderem die Metropolen Sarajevo und die albanische Hauptstadt Tirana. Ampeln fallen aus, Straßenbahnen stehen still und Autos im Stau. 

Grund für diesen Stromausfall am Westbalkan waren die hohen Temperaturen, wie Medien damals berichteten. Um Hitzewellen wie diese in Zukunft zu vermeiden, müssen die Emissionen sinken und fossile Energieträger durch Erneuerbare ersetzt werden. Doch auch mit Wind-, Wasser- und Sonnenkraft ist das Energiesystem nicht automatisch vor Hitze geschützt. Was kann man also tun, um das zu ändern? 

Extremwetterereignisse und das Energiesystem 

Derzeit kann man sagen, dass unser Energiesystem eines der sichersten in ganz Europa ist”, sagt Demet Suna, Wissenschaftlerin am Austrian Institute of Technology (AIT). Doch, ob das in Zukunft so bleiben wird, hängt auch maßgeblich davon ab, was wir heute tun. 

Denn durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse, wie Hitzewellen, häufiger und das wirkt sich auf die Sicherheit der Stromerzeugung aus. Dabei ist es wichtig, zwischen den Bereichen Erzeugung, Nachfrage und Infrastruktur zu unterscheiden“, sagt Suna.

1. Erzeugung und extreme Hitze

Für ein sicheres und zuverlässiges Stromsystem braucht es eine stabile Stromversorgung. Laut der Internationalen Energieagentur können die Auswirkungen des Klimawandels aber sowohl die Effizienz der Stromerzeugung als auch das Erzeugungspotenzial von Kraftwerken verringern. Thermische Kraftwerke, wozu auch Atomkraftwerke gehören, sind besonders anfällig für Hitze”, betont Suna.

Denn zum einen kann Hitze die Effizienz der Anlagen reduzieren, zum anderen müssen diese Kraftwerke abgeschaltet werden, wenn das Kühlwasser zu warm ist. Auch Photovoltaikanlagen werden durch Hitze beeinflusst, da diese zu Effizienzverlusten führt. Und wenn zu wenig Wasser für die Wasserkraft verfügbar ist, verringert das auch die Stromerzeugung. 

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Auch die Stromleitungen selbst können durch die Hitze beeinflusst werden. In Österreich sind diese darauf ausgelegt, Dauertemperaturen von bis zu 80 Grad auszuhalten. Hohe Lufttemperaturen können aber zu Einschränkungen im Netzbetrieb führen, da der Kühlungseffekt der Luft bei Hitze geringer ausfällt. Und je kühler die Leitung ist, desto höher ist die mögliche Übertragungskapazität.

Technologien für klimafitte Energiesysteme 

Die gute Nachricht ist aber, ein klimafittes Energiesystem ist mit heute verfügbarer Technologie möglich, wie es in einer Presseaussendung der Universität für Bodenkultur heißt. Speichertechnologien wie Batteriespeicher können beispielsweise helfen, Engpässe bei der Erzeugung zu überbrücken.

Und damit es zu keinen hitzebedingten Leitungsverlusten kommt, überwacht der Netzbetreiber APG die Leitungen mithilfe von Sensoren. Installiert wurden diese mit Drohnen, wodurch die Leitungen nicht abgeschaltet werden mussten.  Die Digitalisierung der überregionalen Strominfrastruktur ist neben dem Netzausbau eine extrem wichtige Maßnahme für die sichere Stromversorgung“, erklärt APG-Unternehmenssprecher Christoph Schuh. 

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2. Nachfrage und extreme Hitze 

Extremwetterereignisse wie Hitzewellen wirken sich auch auf die Nachfrage nach Strom aus. Man denke an die Abende, wo es einfach nicht abkühlt und die Klimaanlage für manche Menschen zum besten Freund wird. Die Internationale Energieagentur erwartet deshalb, dass der Strombedarf für die Kühlung in vielen Ländern steigen wird. “Temperatur ist also entscheidend für die Nachfrage”, sagt Suna. 

Einer der wichtigsten Aspekte sei deshalb die Flexibilisierung auf der Nachfrageseite.  Das bedeutet, dass der Stromverbrauch flexibel an das aktuelle Angebot an Stromerzeugung angepasst werden kann”, sagt die Wissenschafterin. Eine wichtige Rolle dabei spielen die Industriebetriebe:  Hier wäre wichtig, Teile ihres Energieverbrauchs in Zeiten mit hoher erneuerbarer Energieproduktion zu verschieben. Zu diesen Zeiten können die Industriebetriebe dann zum Beispiel von günstigeren Tarifen profitieren”, so Suna. 

Um die Nachfrage nach Strom zu senken, empfehlen das AIT und das Umweltbundesamt auch auf passive Kühlung zu setzen. Damit ist zum Beispiel die Sanierung oder die Begrünung von Gebäuden gemeint. Auch mit der Verschattung von Häusern kann direkte Sonneneinstrahlung und damit die Erhitzung der Infrastruktur reduziert werden.

Ein weiterer wichtiger Hebel ist die Dezentralisierung, die durch den Ausbau Erneuerbarer Energien vorangetrieben wird. Das Ziel ist, Energie dort zu erzeugen, wo sie gebraucht wird. So kann auch die Abhängigkeit von einem zu einem anderen Ort reduziert werden. Das bedeutet aber auch, wenn an einem Ort eine Störung auftritt, kann das dazu führen, dass andere Orte nicht davon betroffen sind”, sagt Suna

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3. Infrastruktur und extreme Hitze 

Um das Energiesystem vor Hitze zu schützen, reicht es aber nicht, nur auf Österreich zu schauen. Die EU-weite Vernetzung und der grenzüberschreitende Stromaustausch sind zentrale Elemente der Versorgungssicherheit”, betont Suna. Deshalb sei es wichtig, dass auch andere Länder den Ausbau erneuerbarer Energien und vor allem der Netze vorantreiben. 

Laut Internationaler Energieagentur bringt das auch einiges. Es wird geschätzt, dass für jeden in eine klimaresistente Infrastruktur investierten Dollar in Zukunft 6 Dollar eingespart werden können. Für eine versorgungssichere Energiewende in Österreich braucht es bis 2034 Investitionen in Höhe von 9 Milliarden Euro und schnelle Genehmigungsverfahren, heißt es von der APG.

Aber auch ein Blick in die Zukunft sei unerlässlich. Wichtig ist, dass man bei Planungen nicht nur Standard- oder historische Wetterdaten berücksichtigt, sondern auch die extremen Wetterereignisse, die mit fortschreitendem Klimawandel häufiger auftreten”, sagt Suna. Das passiert am AIT, indem Szenarien für die Jahre 2040 oder 2050 simuliert werden. So sieht man, welche Anforderungen für das Energiesystem entstehen. Für Wasserkraft zeigen diese Analysen beispielsweise, dass sich die jährliche Gesamtmenge an Strom nicht drastisch verändert, es aber zu Veränderungen bei der saisonalen Verteilung kommen kann. 

Seitens der APG heißt es, dass seit vielen Jahren eine laufende Gefährdungsbeurteilung der gesamten Netzinfrastruktur durchgeführt wird. Das führe auch dazu, dass höhere Belastungsauslegungen bei Neubauten bzw. tiefgehende Gefahrenanalysen bei Maststandorten umgesetzt werden.

Pläne allein bedeuten nicht, dass sie auch umgesetzt werden. Das gilt sowohl für Österreich als auch für andere Länder”, gibt Suna zu bedenken. Es erfordere große Anstrengungen, damit aus Plänen auch Realität werden. Ein entscheidender Faktor dafür ist die Akzeptanz in der Bevölkerung, zum Beispiel beim Ausbau der Windkraft. Deshalb ist es wichtig, dass wir transparent kommunizieren und vermitteln, warum diese Schritte notwendig sind, damit die Menschen überzeugt und mitgenommen werden. Denn wenn wir nichts tun, sind die Folgekosten deutlich höher”, sagt Suna.

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Sandra Czadul

Begeistert von Wissenschaft und stets auf der Suche nach Ideen, die uns voranbringen.

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