In Österreich und Deutschland werden Schienen gegen die Hitze weiß gestrichen. 

In Österreich und Deutschland werden Schienen gegen die Hitze weiß gestrichen. 

© APA/dpa/Swen Pförtner

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Wie die Hitze Strom, Straßen und Schienen stresst

Extreme Temperaturen zwingen weltweit Infrastrukturen in die Knie. In Großbritannien legte eine Hitzewelle vergangenes Jahr in einigen Regionen den Zugverkehr lahm. Am Flughafen Luton verschob sich für einige Brit*innen der Urlaubsbeginn, nachdem eine Landebahn zu schmelzen begonnen hatte. Und in den USA brachen an vielen Orten Straßen auf.

Auch in Österreich treibt die menschengemachte Klimaerhitzung die Temperaturen in die Höhe. Die Zahl der Tage über 30 Grad hat sich hierzulande in den vergangenen Jahrzehnten mehr als verdoppelt. Hinzu kommen Unwetter wie Murenabgänge oder Stürme und lange Trockenperioden. Doch was bedeutet das für die Schienen, Straßen und Oberleitungen des Landes? Müssen wir uns künftig auf Ausfälle und Verspätungen gefasst machen?

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Hitzestress auf den Straßen

Bei extremer Hitze wird die Fahrbahnoberfläche in etwa doppelt so heiß wie die Außentemperatur“, erklärt ASFINAG-Pressesprecher Christoph Pollinger der futurezone. Bei Betonfahrbahnen kann es bei längeren Hitzeperioden ab 30 Grad zu sogenannten Blow-ups kommen. Dabei wölbt sich der Straßenbelag zu einem Hügel und bricht auf. Eine Art "Sprungschanze" entsteht und die kann Autos gefährlich werden.

„Solche Ereignisse liegen pro Jahr in der Regel aber im einstelligen Bereich“, heißt es seitens der Asfinag. Vor allem ältere sonnenexponierte Abschnitte in Regionen mit hohen Monatsmittelwerten seien betroffen – dazu zählt etwa Streckenabschnitte der Westautobahn in Oberösterreich und Niederösterreich. „Diese Schäden werden meist in den folgenden Nachtstunden umgehend behoben und es ist dadurch noch nicht zu größeren Problemen gekommen“, beteuert Pollinger.

Anpassen von Asphalt „kein Hexenwerk“

Auch Asphaltfahrbahnen kann die Hitze zu schaffen machen. Sie werden bei hohen Temperaturen weich und verformen sich. Letzteres kann bei Regen Aquaplaning-Unfälle begünstigen. Die Temperaturspanne, die der Asphalt aushält, kann allerdings problemlos angepasst werden, erklärt Ulf Zander, Professor für Straßenbautechnik an der Universität Siegen. Es müsse nur die Härte des Bitumens, also des Bindemittels im Asphalt, verändert werden. „Das ist kein Hexenwerk. Schließlich bauen Länder wie Saudi-Arabien oder Spanien auch Asphaltstraßen“, so der Experte.

Eine weitere Lösung sind hellere Straßen, indem man zum Beispiel beim Bau der Fahrbahnen Split aus hellerem Gestein auf die oberste Schicht aufträgt. „Das bringt eine Reduktion der Temperatur um etwa 5 Grad“, erklärt Zander, da die Sonneneinstrahlung besser reflektiert wird.

Eine solche Anpassung des Straßenbelages oder des Bitumens koste Steuerzahler*innen praktisch nichts. „Wenn jetzt verfrüht Schäden auftauchen, dann könnte es schon zu erhöhten Kosten kommen“, so Zander. Daher bemühe man sich in Deutschland aktuell darum, vorzusorgen. In Österreich sieht der Experte allerdings Mängel. „Wenn ich ehrlich bin, habe ich bei Österreich jetzt nicht den Eindruck, dass man ganz vorne mitspielt.“

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„Wenn ich ehrlich bin, habe ich bei Österreich nicht den Eindruck, dass man ganz vorne mitspielt.“

Ulf Zander | Bundesanstalt für Straßenwesen Deutschland

Wenn Gleise knicken

Die Hitze setzt auch der Bahn zu. Bei hohen Temperaturen kann es zu Verformungen der Gleise kommen. „Da das Gleis fast zur Gänze lückenlos verschweißt ist, entstehen im Sommer bei hohen Temperaturen aufgrund der Ausdehnung der Gleise Druckspannungen in den Schienen“, erklären die ÖBB gegenüber der futurezone.

Diese müssen in den Untergrund abgeleitet werden. Dabei wird vom Gleis der sogenannten Querverschiebewiderstand aktiviert, welcher ausreichend groß sein muss, um das Gleis stabil in seiner Lage zu halten. Heizt sich die Schiene zu sehr auf, so vermindert sich dieser Querverschiebewiderstand und das Gleis kann knicken. Zu solch einer Verwerfung kommt es laut den ÖBB ab einer Gleistemperatur von etwa 60 Grad - eine Temperatur, die bereits an einem heißen Sommertag erreicht werden kann. Betroffene Abschnitte können dann nicht mehr befahren werden, Verspätungen und Zugausfälle sind die Folge.

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ÖBB: Entgleisungen sind „kein Thema“

Entgleisungen, ausgelöst durch Hitze, wie in den USA, seien allerdings „kein Thema“, so die ÖBB. „In Österreich hat es in den vergangenen 10 Jahren keine Entgleisung durch Gleisverwerfungen gegeben“. Grund dafür sei die Befestigung: „Hochleistungsstrecken werden ausschließlich mit Betonschwellen gebaut. Das bringt eine sehr hohe Sicherheit gegen Verwerfungen mit“, heißt es. 

Das bestätigt auch Stephan Freudenstein von der Technischen Universität München gegenüber der futurezone. Schwerere Spannbetonschwellen und eine verbesserte Schienenbefestigung sei das probateste Mittel, um Gleise vor Verwerfungen zu schützen.

Die Schienen analog zum helleren Straßenbelag weiß anzustreichen, wie dies etwa auch in Österreich getestet wurde, hält der Experte hingegen für keine gute Alternative. Zwar reduziere die Farbe die Schienentemperatur, aber der Anstrich nutze sich rasch ab. „Man müsste jedes halbe Jahr nachfärben“, so Freudenstein. Schwerere Spannbetonschwellen hielten hingegen 30 bis 40 Jahre.

Keine Blackouts durch direkte Hitzeschäden

Damit Züge überhaupt fahren können, braucht es Strom. Auch hier kann die Hitze den Oberleitungen zusetzen. Laut dem österreichischen Netzbetreiber Austrian Power Grid (APG) sind alle Leitungen hierzulande darauf ausgelegt, Temperaturen von bis zu 80 Grad Celsius standzuhalten. „Hohe Lufttemperaturen können allerdings dazu führen, dass es im Netzbetrieb Einschränkungen geben kann, da der Luftkühlungseffekt geringer ist“, erklärt APG-Unternehmenssprecher Christoph Schuh der futurezone.

Mit Einschränkungen ist in erster Linie der Stromtransport gemeint. Ist es heiß, kann weniger Strom übertragen werden. Davon merkt der Konsument laut APG allerdings nichts, die Einschränkungen werden durch Ersatzsysteme ausgeglichen. Auch Blackouts seien durch solche „direkten“ Hitzeschäden ausgeschlossen.

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Kollateraleffekte als größte Gefahr

Besorgt ist man bei der APG eher über Kollateraleffekte der Erderhitzung– darunter die steigende Anzahl an Extremwetterereignissen. Umfallende Bäume oder Murenabgänge können Masten, Leitungen und Umspannwerke erheblich gefährden. Aber auch die Stromerzeugung steht durch Hitze unter Druck. Mehr Trockenheit bedeutet weniger Wasser in Österreichs Flüssen, was wiederum zu einer geringeren Produktion von Strom führt. „Im Juli 2022 war die Stromproduktion aus Wasserkraft im langjährigen Vergleich um 31 Prozent reduziert“, sagt Schuh.

Künftig könne es im Sommer zu kritischen Engpässen kommen, die in letzter Konsequenz zu höheren Stromimporten aus Europa führen. APG plädiert daher dafür, das europäische Übertragungsnetz auszubauen sowie die Zahl der Reservekraftwerke und Speicherkapazitäten zu erhöhen, um Engpässe abzufedern.

Die Kollateraleffekte beunruhigen auch Straßen- und Schienenwesen. Stürme und Überflutungen sind für die Versorgungssicherheit oder den Verkehrsfluss eher eine Bedrohung als direkte Hitzeschäden. „Das sind die viel größeren Probleme“, resümiert Straßenexperte Zander. Außerdem sollte es in erster Linie darum gehen, den Klimawandel abzuwenden. „Es geht nicht nur darum, unsere Straßen zu schützen, damit sie noch funktionieren. Ja, wir müssen uns auf die Hitze vorbereiten, aber bitte tut zuerst was fürs Klima", so der Appell des Experten. 

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Lisa Pinggera

lisa_bingernda

Von 2021 bis 2023 bei futurezone. Erzählt am liebsten Geschichten über Kryptowährungen, FinTechs und die Klimakrise. Schreibt aber über alles, was erzählenswert ist.

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