Diese Karte zeigt das Photovoltaik-Potenzial fürs eigene Haus
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Beim Kampf gegen die Klimakatastrophe ist der einfache Zugang zu Fakten wichtig. Deswegen hat die europäische Weltraumagentur ESA eine neue Plattform namens „Green Transition Information Factory“ (GTIF) entwickelt. Auf der Basis von Erdbeobachtungsdaten stellt sie Themen wie Solarenergie, Oberflächentemperatur und Waldbestände anschaulich dar. Um zu zeigen, was das neue Tool kann, wurde zusammen mit dem Klimaministerium ein Demonstrator für Österreich entwickelt (hier zum Ausprobieren).
Über die Österreichkarte lassen sich klimarelevante Informationen abrufen. So kann man etwa exakt für das eigene Hausdach nachsehen, wie hoch dort das Solarenergie-Potenzial ist. Auch Abgaswerte, Luftverschmutzung und Oberflächentemperatur lassen sich ablesen und ob letztere durch Dachbegrünung gesenkt werden könnte.
Politische Diskussionen
„Das Tool schafft eine Möglichkeit, am Diskurs teilzunehmen und die Auswirkungen von politischen Entscheidungen zu verstehen“, erklärt Patrick Griffiths, der die Entwicklung des Demonstrators für die ESA leitet, im futurezone-Gespräch. Jede*r kann sich anschauen, ob Maßnahmen zur Senkung der Temperatur in Städten wirklich helfen. Besonders praktisch ist eine Funktion, mit der für jedes Hausdach die potenzielle Energiemenge in Megawattstunden angezeigt wird. Außerdem kann man sich anzeigen lassen, wo es schon Solardächer gibt.
Für Entscheidungsträger*innen in der Politik ist GTIF ebenfalls praktisch. Sie können schnell erkennen, wo neue Windräder viel Energie produzieren würden, ohne dass sie Wohngebiete, Naturschutzgebiete oder Skipisten stören. Sie können aber auch nachsehen, wie hoch Abgas- und Feinstaubwerte in bestimmten Gebieten sind und ob es dort besonders viel Verkehr durch Lkw gibt, den man umleiten könnte.
Um das Tool zu entwickeln, traf man sich mit 125 Vertreter*innen aus der Industrie im BMK. Denn auch für sie ist GTIF hilfreich, etwa um gute Standorte für Wind-, Wasser- und Solarkraftanlagen zu finden. Sie können allerdings auch mit eigenen Ideen an der Weiterentwicklung des Tools teilhaben. Außerdem sind viele heimische Firmen an der Entwicklung des Tools beteiligt, darunter Unternehmen wie GeoVille, Ubicube und Bildungseinrichtungen wie das Joanneum und die Uni Innsbruck.
➤ Mehr lesen: Satelliten für Umweltschutz: Das sind die besten Ideen aus Österreich
Satellitendaten und ISS-Instrumente
Die Basis der GTIF sind Erdbeobachtungsdaten. Im Rahmen des Copernicus-Programms sammeln die Sentinel-Satelliten der EU täglich Informationen über Land, Luft und Meer, die unter anderem für den Katastrophenschutz eingesetzt werden. Diese Daten kombiniert die ESA mit anderen Copernicus-Services wie dem Atmosphärenmonitoring, dem Landmonitoring sowie Instrumenten wie Ecostress von der NASA. Letzteres ist an der ISS angebracht und misst die Oberflächentemperatur auf der ganzen Welt.
Diese Sentinel-Satelliten nutzt GTIF
Aus dem inzwischen breiten Sentinel-Programm kommen 4 Satelliten zum Einsatz:
- Sentinel 1: Liefert Bilder der Erdoberfläche sowie Langzeitdaten zu Klima, Wetter, dem Meeresspiegel
- Sentinel 2: Erfasst unter anderen Vegetation, Bodenbeschaffenheit, Binnengewässer und Küsten
- Sentinel 3: Messung von Meeresspiegel und Wasser- und Landtemperatur und -farbe
- Sentinel 5P: Misst die Luftqualität, Aerosole und Spurengase
Mithilfe von Bildungseinrichtungen soll die Anwendung noch besser werden. „Es gibt häufig Forschungsprojekte, bei denen etwas potenziell Interessantes entwickelt wird. Wenn das Projekt zu Ende ist, verschwindet das aber. Wir integrieren sie“, sagt Griffiths. Ein Beispiel dafür ist etwa der Alpine Drought Explorer (ADO), der von Eurac Research in Bozen entwickelt wurde und die Wasserknappheit in den Alpen untersucht.
Open-Source-Tool
Auch mit Daten von Citizen-Science-Projekten – etwa, indem man direkt vor Ort die Temperatur von Gebäuden messen und übermitteln kann, sollen die Informationen künftig immer genauer werden können. Wer Ideen hat, welche Daten inkludiert werden können oder wie das Projekt verbessert werden kann, kann dies über die Feedback-Funktion des Demonstrators tun.
Angelegt ist GTIF als Open-Source-Werkzeug. Jeder soll die Möglichkeit haben, einzelne Anwendungen aus der „Informationsfabrik“ speziell für die eigenen Bedürfnisse zu erstellen. Daten können als Excel-Dokument gespeichert und Infografiken können erstellt werden. „Es muss nicht jeder ein eigenes Programm entwickeln. Wir bauen ein offenes System, das von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern jeder Regierung in Europa und darüber hinaus verwendet werden kann“, sagt Griffiths. Programmierkenntnisse sind dafür nicht nötig. So kann man sich etwa automatisch jedes Jahr die aktuelle Zahl und die Standorte der Windräder in Österreich speichern, um die Veränderungen schnell und übersichtlich vorliegen zu haben.
Karte für ganz Europa geplant
Aktuell stagniert die Entwicklung, im Rahmen einer Aufstockung des ESA-Budgets sollen aber wieder Gelder in Richtung GTIF fließen (mehr dazu hier). Die Freude darüber, dass die ESA den Demonstrator für Österreich entwickelt hat, sei groß, heißt es gegenüber der futurezone aus dem Klimaministerium: „GTIF zeigt auf anschauliche und vor allem sehr leicht anwendbare Weise, welches Potenzial in satellitenbasierten Erdbeobachtungsdaten steckt und wie diese die grüne und digitale Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft unterstützen können. Das Klimaschutzministerium ist bereits in enger Abstimmung mit der ESA, um dieses Tool für Österreich noch weiterzuentwickeln.“
Langfristig soll die Karte für alle Länder in Europa verfügbar werden. Auch die Überlegung, sie in der jeweiligen Landessprache und damit für alle zugänglich anzubieten, gibt es. So sollen im Herbst Verträge mit 3 weiteren ESA-Mitgliedsstaaten zustande kommen. Interessant wären etwa Länder mit einer hohen Bevölkerungsdichte oder jene mit Meereszugang, um neue Anwendungsbereiche aufzubauen, erklärt Griffiths. „Die GTIF-Vision ist es, ein Ökosystem aus Tools zu schaffen, das in vielen Ländern genutzt werden kann“. In 20 Monaten sollen 3 weitere Demonstratoren fertig sein. Über die nächsten ein bis 1,5 Jahre wird GTIF weiterentwickelt und soll dann an die EU-Staaten übergeben werden können.
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