
Das Demonstrationsgebäude Taggerwerk
Dieses Haus in Graz erzeugt mehr Energie, als es braucht
Wo werden wir im Jahr 2040 wohnen und arbeiten? Der Großteil dieser Gebäude steht wahrscheinlich bereits, doch viele davon sind nicht fit genug für die Zukunft. Denn laut der Europäischen Kommission wurden 85 Prozent aller EU-Gebäude vor dem Jahr 2000 gebaut. 75 Prozent davon haben eine schlechte Gesamtenergieeffizienz.
Ein Drittel der energiebedingten Treibhausgasemissionen der EU stammen aus dem Gebäudesektor. Um das zu ändern, braucht es mehr Sanierung. Doch da geht noch mehr. Manche Gebäude können quasi zu Kraftwerken werden, wie das Forschungsprojekt Excess zeigt. Dabei wurden Bauwerke in 4 verschiedenen Ländern zu Positiv-Energiegebäuden umgewandelt.
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Eine Fassade, die nicht bröckelt
„Das sind Gebäude, die mehr Energie erzeugen als sie verbrauchen“, sagt Andreas Türk. Er ist Wissenschafter bei Joanneum Research und war in den vergangenen 5 Jahren für die Leitung des Forschungsprojektes zuständig. In Österreich wurde das Taggerwerk in Graz umgerüstet. Was früher ein Futtersilo war, wird heute zu einem Bürogebäude mit einem Café im Erdgeschoss umgebaut.
Das Besondere am Umbau des Taggerwerks ist das Äußere. „Beim Taggerwerk wurde ein dreiteiliges Fassadenelement von AEE Intec installiert. Dieses besteht aus einer Dämmung, aus einem Wärme-Kältekreislauf, der von einer Wärmepumpe gespeist wird und aus einem Photovoltaik-Modul für den Strom“, sagt Türk.
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Eine Fassade, die nicht bröckelt
Im Moment wird die Überschussenergie ins Netz eingespeist. Demnächst soll sie angrenzenden Industriebetrieben zur Verfügung gestellt werden. So kann ein ganzes Plus-Energie-Quartier entstehen, was laut Türk die Zukunft ist. Würde man die Fassade, die sich derzeit nur über drei Stockwerke erstreckt, auf das ganze Gebäude ausweiten, kann laut Simulationen 56 Prozent mehr Energie zur Verfügung gestellt werden, als für den Betrieb benötigt wird.
Durch die Fassade kann das Gebäude im Sommer gekühlt und im Winter erwärmt werden. Was einfach klingt, war es aber nicht immer. „Man tut sich leichter im Neubau, da kann man vorab optimieren. Aber gerade wenn es um die Sanierung des Bestandes geht, gibt es sehr viele Barrieren“, schildert Türk.
Als Beispiel nennt er Brandschutzmaßnahmen. Ursprünglich sollte die Fassade an einem Holzrahmen montiert werden, doch wegen der Brandgefahr wurde ein Stahlrahmen entwickelt. Das brachte neue Herausforderungen, wie etwa die optimale Zahl der Aufhängepunkte. Zu viele würden Wärmeverluste verursachen, zu wenige die Stabilität beeinträchtigen. Auch das Zusammenspiel von neuen mit bestehenden Technologien müsse zusammenpassen.
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Finnland, Belgien, Spanien
Neben dem Projekt in Österreich war Türk als Gesamtleiter des EU-Projekts auch für die Gebäude in Spanien, Belgien und Finnland zuständig. Das war eine Herausforderung: „Es passt einfach nicht jede Technologie auf jedes Gebäude“, erklärt der Forscher. Zusätzlich spielen die klimatischen Bedingungen eine große Rolle.
„Im Norden von Finnland gibt es wenig Sonne und einen großen Wärmebedarf. Das Konzept muss daher die klimatischen Bedingungen berücksichtigen“, sagt Türk. In Finnland wurde unter einem Wohnhaus ein 600 Meter tiefes Bohrloch gegraben. „Der Wärmeüberschuss im Sommer wird in dieses Bohrloch gespeist, gespeichert und steht im Winter über eine Wärmepumpe zur Verfügung“, erklärt Türk. Zusätzlich wurden Hybrid-Kollektoren montiert, die durch die Sonne Wärme und Strom gleichzeitig produzieren.
In Belgien ging es um einen sozialen Wohnbau mit 68 Wohnungen. Neben den Hybrid-Kollektoren und einer Wärmepumpe wurde ein Mini-Windrad am Dach montiert. In Spanien wurde ein Palast aus dem 17. Jahrhundert umgerüstet und eine Luftwärmepumpe eingesetzt. Durch all diese Projekte habe das Team viel gelernt. Unter anderem, dass es zu wenig Personal gibt, das diese High-Tech-Lösungen montieren kann. „Insgesamt ist der Bausektor nicht vorbereitet auf diese aktuellen Technologiesprünge“, sagt der Wissenschafter.
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