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Gefährlicher Hype: Start-ups verkaufen „rohes Wasser“

Ein ungewöhnlicher und gefährlicher Trend hat San Francisco erfasst: „Rohes Wasser“. Zahlreiche Start-ups verkaufen ungefiltertes Wasser und behaupten, dieses sei gesünder als herkömmliches Leitungswasser und in Flaschen abgefülltes Wasser. Einige Firmen verkaufen das Wasser für drei bis vier Euro pro Liter – allerdings nur zum Nachfüllen, der Behälter kostet 22 Dollar zusätzlich. Andere Start-ups bieten wiederum Anlagen an, mit denen Wasser aus der Luft gefiltert werden kann.

Ärzte warnen

Anhänger der „Bewegung für Wasserbewusstsein“ argumentieren, dass gefiltertes Leitungswasser keine „gesunden Mineralien und Bakterien“ enthalte. Besonders skeptisch stehen die Anhänger des „rohen Wassers“ der Fluoridierung von Trinkwasser gegenüber. Bereits seit den 50er-Jahren wird in den USA das Trinkwasser zur Kariesprophylaxe mit Fluoriden versehen.

Ärzte warnen vor unbehandeltem Wasser, da es Bakterien, Viren, Parasiten und krebserregende Partikel enthalten könnte. Aus diesem Grund gibt es auch in den USA Grenzwerte, die beim Verkauf von Wasser überprüft werden. Kurioserweise wurde aber dem Unternehmen „Tourmaline Spring“ 2009 eine Ausnahme von diesen Grenzwerten gewährt, um unbehandeltes Wasser aus dem US-Bundesstaat Maine verkaufen zu dürfen.

Verschwörungstheoretiker

Mukhande Singh, Gründer des Start-ups „Live Water“, lässt sich im Interview mit der New York Times, zu besonders esoterischen Äußerungen hinreißen: „Leitungswasser? Ihr trinkt Toilettenwasser mit Verhütungsmitteln drin“, sagt Singh. „Sie geben Chloramin und zusätzlich dazu noch Fluorid hinein. Nennt mich einen Verschwörungstheoretiker, aber das ist eine Droge zur Gedankenkontrolle, die keine Vorteile für eure Zahngesundheit hat.“ Ein Satz, der grundlegend falsch ist: Während die Vorzüge von Fluorid bei der Zahngesundheit bereits seit Jahrzehnten erwiesen sind, gibt es keine Beweise für „Gedankenkontrolle“.

Derartige Verschwörungstheorien kursieren aber bereits lange, auch in Europa – obwohl hierzulande kaum Fluorid zum Einsatz kommt. 2015 wurde das „Zentrum für Gesundheit“ wegen einer ähnlichen Verschwörungstheorie für das „Goldene Brett“ nominiert. Dieser Preis zeichnet den größten esoterischen Blödsinn des Jahres aus. Laut Singh sollte Wasser zudem ein Ablaufdatum besitzen. „Live Water“ würde knapp „eine Mondphase ab der Lieferung“ frisch bleiben, dann wird es grün. Das würde verdeutlichen, dass das Wasser „lebe“, so Singh – dass es sich einfach um Algen handelt, die üblicherweise gefiltert werden, erwähnt er nicht.

Von Juicero zu "Raw Water"

Einer der bekanntesten Befürworter von „rohem Wasser“ ist kurioserweise Doug Evans, Gründer des 2017 gescheiterten Saft-Start-ups Juicero. Die 700 Dollar teure Saftpresse konnte Millionen von namhaften Investoren einsammeln, scheiterte aber auf dem Markt und wurde verspottet, weil die dazugehörigen Päckchen mit frischen Zutaten auch mit der Hand ausgepresst werden konnten. Evans ging laut der New York Times sogar auf „Quellenjagd“ mit Freunden und stahl regelmäßig Trinkwasser von natürlichen Wasserquellen in der Umgebung von San Francisco. „Es gibt viele andere, die das genauso machen wie ich. Man weiß nie, wen man an einer Quelle trifft“, sagt Evans.

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