Werberat will rechtswidrigen Websites Geldhahn abdrehen
Geschätzt rund drei Millionen Euro jährlich werden im Schnitt auf großen Websites, die Urheberrechte oder andere gesetzliche Bestimmungen verletzen, mit Online-Werbung umgesetzt. Der österreichische Werberat (ÖWR) will solchen Angeboten künftig den Geldhahn abdrehen, wie Michael Straberger, Präsident der Selbstregulierungsstelle der heimischen Werbewirtschaft, am Montag auf einer Pressekonferenz in Wien ankündigte.
Dazu wurde der Ethik-Kodex des Werberats erweitert. Hat sich das Gremium bislang mit Konsumentenbeschwerden über Werbe-Sujets beschäftigt, so will sich der Werberat künftig auch dem Werbeumfeld widmen. Unternehmen, die auf Plattformen werben, die österreichischem Recht widersprechen, werden aufgefordert, die Schaltungen einzustellen.
"Offensichtlich gesetzwidrig"
Von den Maßnahmen des Werberats sind laut Straberger Websites betroffen, "deren Hauptzweck offensichtlich gesetzwidrig" ist. Sie verletzen entweder den Datenschutz oder Urheberrechte, verbreiten nationalsozialistische Inhalte, ermuntern zum Tausch von Kinderpornographie oder bieten Waffen oder Drogen an.
"Viele Unternehmen wissen gar nicht, dass ihre Anzeigen auf rechtswidrigen Websites zu finden sind", sagte Werner Müller, Vorstandsmitglied des Werberates und Geschäftsführer des Fachverbandes Film- und Musikindustrie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Grund dafür ist laut Straberger, dass Schaltungen von Partnern oder Sub-Unternehmen im Netz verteilt werden, in vielen Fällen passieren solche Buchungen maschinengesteuert.
Verfahren
Beschwerde gegen Platzierungen auf gesetzwidrigen Plattformen können von Verbänden eingebracht werden, die auf die Unterbindung rechtswidriger Praktiken abzielen. Dazu zählen etwa der Verein für Anti-Piraterie (VAP) oder der Verband der österreichischen Musikwirtschaft (IFPI).
Der Werberat bearbeitet die Beschwerden und leitet sie an betroffene Unternehmen zur Stellungnahme weiter. Wird eine Beschwerde innerhalb von drei Tagen beeinsprucht oder erhält der Werberat keine Antwort, wird ein "kleiner Senat" eingeschaltet, der noch ein Mal prüft und gegebenfalls den Auftraggeber auffordert, die Schaltung zu entfernen.
Diese "Aufforderung zum Stopp" kann von Agentur oder Auftraggeber beeinsprucht werden. Über den Einspruch entscheidet dann ein Ethik-Senat des Werberats. Die Entscheidung wird auf der Homepage des Werberats veröffentlicht - betroffene Unternehmen sollen also an den Pranger gestellt werden.
Wer definiert gesetzwidrig?
Wer entscheidet, ob eine Website "strukturell gesetzwidrig" ist? Wir haben einen Kriterienkatalog entwickelt, sagte Müller, der auch dem Verein für Anti-Piraterie (VAP) vorsteht. Als Beispiel nannte er etwa das Fehlen eines Impressums, Verstöße gegen Jugendschutzbestimmungen oder das nicht-autorisierte Anbieten urheberrechtlich geschützter Inhalte. Es gehe auch um die Menge der angebotenen Inhalte, meinte Müller. "Auch auf YouTube finden sich Urheberrechtsverstöße, YouTube ist aber nicht darauf ausgerichtet. Auf Seiten wie kinox.to finden sich hingegen gar keine legalen Inhalte."
"Niemand wirbt bewusst auf solchen Seiten", sagte Peter Lammerhuber, Chef der Österreich-Niederlassung der Mediaagentur GroupM und ÖWR-Vorstandsmitglied. "Erhalten Unternehmen Kenntnis davon, verschwinden die Einschaltungen in der Regel sofort."
Testlauf
Seit September wurden vom Verein für Anti-Piraterie in einem Testlauf für den neuen "Ethik-Kodex" des Werberats rund 50 Websiten untersucht, deren Geschäftspraktiken laut Müller heimischem Recht widersprechen. Dabei wurden Werbeeinschaltungen von rund 60 Markenunternehmen und Organisationen gefunden, die nach der Information der Auftraggeber durch den Werberat ausnahmslos entfernt wurden.
Lediglich in einem Fall habe es Diskussionen mit dem Auftraggeber gegeben. "Kein einziges der Unternehmen wusste von Schaltungen auf solchen Plattformen", sagte Müller. Bei Stichproben, die wenige Monate später erfolgten, seien kaum noch Werbeeinschaltungen von Markenartiklern auf den entsprechenden Websites gefunden worden.
"Vielzahl von Maßnahmen"
"Es gibt eine Vielzahl von Maßnahmen, die wir gegen gesetzwidrige Seiten ergreifen", sagte Müller, der auch dem Verein für Anti-Piraterie vorsteht, unter Verweis auf die vor kurzem vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) gebilligten Websperren. "Eine ist es am Geldhahn dieser Seiten zu drehen." Auch in anderen Ländern gebe es ähnliche Initiativen, etwa in den USA oder in Großbritannien. In Deutschland werde gerade über die Selbstregulierung der Branche verhandelt.
"Agenturen achten laufend darauf, dass Schaltungen auf gesetzwidrigen Websites nicht vorgenommen werden", meint GroupM-Österreichchef Lammerhuber, dessen Unternehmen eine schwarze Liste führt, die mehr als 40.000 Websites umfasst und rasant wächst.
Beim Werberat setzt man vor allem auf die Sensibilisierung der Branche. "Es geht um die Bewusstseinsbildung", meinte Müller: "Wir gehen nicht davon aus, dass es notwendig sein wird, eine Firma an den Pranger zu stellen."