Meinung

Handys im Dienst der Datenkrake

Am "Mobile World Congress" (MWC) in Barcelona hat sich Facebook - abgesehen von verschiedensten Gadgets und Fan-Artikeln - zum ersten Mal in der physischen Welt manifestiert: Zwei HTC-Handys haben einen kleinen Button mit dem "f"-Logo bekommen, der auf Knopfdruck eine Verbindung zu dem Online-Netzwerk aufbaut und je nach Modus Fotos, Status-Meldungen oder Links ins verknüpfte Profil hochlädt.

Ähnlich tief integriert wurde Facebook in die Handys "Cloud Touch" und Cloud Q" des britischen Herstellers INQ Mobile, bei dem der Newsfeed und der Chat von Facebook fixer Teil des Betriebssystems sind. In einem offiziellen __Blog-Eintrag(http://blog.facebook.com/blog.php?post=496520902130)__ schrieb Facebook-Ingenieur Charles Wu, dass eine solche "tiefe Integration in dutzenden Geräten im Laufe des Jahres" zu sehen sein werde.

Überall drinnen

Damit ist die weitere Marschrichtung klar: Seiner Multi-Plattform-Strategie folgend wird Facebook alles daran setzen, in möglichst vielen Handys integriert zu sein. Wie Facebook auf die INQ-Handys kam, wird klar, wenn man die Geschäftsbeziehungen im Hintergrund kennt. Der Hongkonger Multi-Milliardär Li Ka-shing, dem der Konzern Hutchison Whampoa (u.a. Mobilfunker "3") gehört, hat 120 Millionen Dollar bei Facebook investiert. INQ Mobile ist eine Tochterfirma von Hutchison.

Bei HTC liegt die Sache wohl ein wenig anders: Hier müssen gar keine Gelder in die eine oder andere Richtung geflossen sein. Vielmehr sehen die beiden Firma den Facebook-Knopf wohl eher als "Win-Win"-Situation: Die Taiwanesen können ihre Geräte mit einem hübschen, bei der zahlungswilligen Kundschaft gut bekannten Logo schmücken, und die US-Firma muss kein eigenes Handy - ein kostspieliges und aufwendiges Unterfangen - bauen.

Als Internet-Firma kann Facebook den Hardware-Herstellern Bausteine für deren Software liefern. Über kurz oder lang wird es darauf hinauslaufen, dass Facebook ein eigenes Betriebssystem ähnlich Googles "Android" anbieten wird. Mit einem eigenen Handy ist nicht zu rechnen. Facebook ist nicht im Hardware-Markt, sondern im Werbegeschäft zu Hause - und dort braucht man Daten, die Gehäuse und Chips sollen andere herstellen. 

Das personalisierte Handy

Auf die Frage, ob die mobile Welt für Facebook einmal wichtiger sein könnte als die Desktop-Welt, sagte Facebook-Manager Scott Woods kürzlich zur FUTUREZONE: "Das kann man definitiv bejahen. Es gibt viele Orte auf dieser Welt, wo die Menschen über ihr Handheld ins Internet kommen, aber nicht via Computer. Die mobile Welt ist eine wichtige Weiterentwicklung für Facebook."

Bildschirmhintergründe, Klingeltöne, Apps, Widgets: Solche und andere Personalisierungsmöglichkeiten für Handys sind in Anbetracht dessen, was Facebook im Mobil-Sektor einmal sein könnte, Kinderspielchen. Schon heute werden sich Smartphones immer ähnlicher, den Unterschied macht die Software. Während Google ein hilfreicher Informationslieferant ist (Maps, Navigation, Goggles, etc.), hat Facebook weit mehr Potenzial. Auf Basis der Nutzerdaten kann es als Vermittler zwischen  Konsumenten und Dienstleistern auftreten.

Die Gutschein-Angebote via "Facebook Deals" ist nur ein erster Vorgeschmack auf das, was noch kommen mag. Allein im Bereich "Travel" ist vieles vorstellbar: Der Reisende bucht im Facebook-Shop ("Pages"), checkt via Facebook-Handy in Flughafen und Hotel ein ("Places"), bekommt maßgeschneiderte Ausflüge aufs Display ("Ads", "Deals") und findet Flirtmöglichkeiten und Unterhaltung vor Ort ("Apps"). Die Urlaubserinnerungen werden online gespeichert ("Photos", "Video"), und bezahlt wird natürlich mit der internationalen Facebook-Währung ("Credits").

Wanze in der Hosentasche

Aus Nutzersicht wird die Entwicklung hin zu einem ultimativen Dienstleisters Facebook schleichend sein. Zuckerberg wird die Vernetzung zwischen Konsument und Markt ("Fans", "Likes") weiter dezent vorantreiben, indem immer neue Funktionen vor allem am Handy eingeführt werden. Automatischer Foto-Upload, automatische Ortung, automatische Gesichtserkennung - vieles ist denkbar und bereits technisch machbar (etwa der Auto-Check-in bei "Google Latitude"), bis hin zur Emotions-Analyse via Handy-Sensoren und darauf basierender Produktvorschläge.

Wie Nutzer und die Politik auf diese Entwicklungen reagieren werden, ist entscheidend. Vielen wird die Facebook-Wanze in der Hosentasche unheimlich sein, andere werden von der Lebenserleichterung schwärmen. Gegen die Datensammlung haben europäische Politiker bisher nur bescheidene Erfolge (der umstrittene "FriendFinder" wurde in Deutschland abgedreht) einfahren können, und selbst flächendeckende Medienkritik und ein negativer Hollywood-Film konnten Facebooks Wachstum kaum bremsen. Denn das Online-Netzwerk hat einen entscheidenden Vorteil auf seiner Seite: Es machen ja alle freiwillig mit.


Klicken Sie hier für die Newsletteranmeldung

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Jakob Steinschaden

mehr lesen