Big Brother Award an Mikl-Leitner, Barbie und Facebook
Am 25. Oktober wurden traditionell die "Big Brother Awards" – die Preise, die niemand haben will - im Wiener Rabenhof-Theater verliehen. Die Datenschutz-Negativauszeichnungen gibt es auch dieses Jahr in insgesamt fünf Kategorien. Das Motto dieses Jahres lautete: „Nicht unter Freunden“.
Politik
Da ist beispielsweise einmal mehr die österreichische Innenministerin, Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Sie ist in den letzten Jahren fast jedes Mal nominiert gewesen. 2015 konnte sie sich gegen die EU-Kommission, die bei „Safe Harbor“- Nachbesserungen so lange säumig war bis der EuGH gesagt hat „das ist unsicher“ und die EU-Mitgliedsstaaten, die bei der EU-Datenschutzreform auf die Bremse gestiegen sind und die Verhandlungen lange verschleppt die Reform stark verwässert haben, durchsetzen.
Mikl-Leitner will mit dem Staatsschutzgesetz dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung weitreichende Befugnisse einräumen – und zwar die eines Nachrichtendienstes, das jeden unbeschränkt überwachen kann und zwar ohne Richter und Staatsanwalt. Jeder kann ins Visier dieser Behörde geraten, wenn er zufällig mit einem Verdächtigen befreundet ist. Die Daten dürfen sechs Jahre lang gespeichert werden – also weit länger als die der Vorratsdatenspeicherung, die Mikl-Leitner ebenfalls wieder aufs Tapet bringen möchte.
Weltweiter Datenhunger
Mark Zuckerberg gewinnt den Big Brother Award auch nicht zum ersten Mal. Der Grund dieses Jahr: Facebook hat einen Patentantrag eingereicht, nachdem die Kreditwürdigkeit der verbundenen Freunde dafür herangezogen werden soll, die eigene Kreditwürdigkeit zu berechnen.
Die Jury-Begründung: „Es kann wohl nicht sein, dass soziales Engagement, und damit viele Freunde die auf unsere Hilfe angewiesen sind, zu einem Risiko für das
eigene Kredit-Ranking werden.“ Damit setzte sich Zuckerberg gar gegen die Datensammelwut und die automatische Update-Funktion des neuen Microsoft-Betriebsystem Windows 10 durch.
Behörden und Verwaltung
In der Kategorie Behörden und Verwaltung konnte sich die Linz AG für die Zwangsverpflichtung zu digitalen Stromzählern durchsetzen. Smart Meter und Datenschutz – darüber gibt es mittlerweile seit einigen Jahren Diskussionen. Das Gesetz sagt: Wer keinen intelligenten Stromzähler will, hat die Möglichkeit, diesen abzulehnen. Doch dieser Kundenwunsch wird von den Netzbetreibern wie der Linz AG gekonnt umgangen. Kunden bekommen trotzdem digitale Zähler, es werden nur die „extraschlauen“ Funktionen abgedreht.
Kommunikation und Marketing
Das Kinderzimmer-Monitoring von Mattel stößt der Big Brother Jury ebenfalls negativ auf und konnte sich gegen UPC und den spionierenden Smart-TV von Samsung durchsetzen. Frühzeitig muss man Kinder an ein Leben in einer Welt, in der der Grundsatz "Nothing To Hide" gilt, gewöhnen. Was wäre da besser geeignet, als eine Puppe, mit dem das Kind die ersten Interaktionen und privaten Gespräche führen kann.
Spielerisch wird das Kind so an die Dauerüberwachung herangeführt, die Audiofiles werden unterdessen an die Eltern weitergeschickt. Die Hello Barbie kommt jetzt vor dem Weihnachtsgeschäft in den USA auf den Markt. Alles, was man in ihr Mikrofon spricht, wird per WLAN auf eine Datenbank in der Cloud geladen. Schöne, neue Welt, denkt man sich da.
Business und Finanzen
Die Uniqa treibt Telematik-Tarife voran. Mit „Safeline“ gibt es seit längerem einen Versicherungstarif, bei dem Wenigfahrer durch eine Prämie belohnt werden und bei dem die Autofahrer daran gewöhnt werden sollen, dass ihr Fahrverhalten überwacht wird (die futurezone hat berichtet). So soll es künftig auch eine App geben, die überwacht, ob jemand während der Fahrt auf sein Handy verzichtet. Die Autofahrer sollen also an das Bonus-Malus-System gewohnt werden, in dem ihnen vermeintliche Boni verkauft werden.
Rabenhof-Gala
Die Auszeichnung für das „Lebenslange Ärgernis“ ging dieses Jahr an den Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) stellvertretend für die vielen Nominierungen der vergangenen Jahre im Sozialbereich, wie vor vier Jahren, als das AMS auf Informationen zur Staatsbürgerschaft seiner Kunden zugreifen konnte. Die Gala, bei der die Datenschutz-Negativpreise – dieses Jahr ohne dass ein Preisträger den Preis auch abgeholt hat - offiziell verliehen wurden, fand 2015 wie bereits in den vergangenen Jahren im Wiener Rabenhof statt.
Disclaimer: Futurezone-Redakteurin Barbara Wimmer war 2015 Mitglied der Jury.