EuGH-Vorentscheidung: Safe-Harbour-Abkommen ist ungültig
Der österreichische Facebook-Kläger Max Schrems hat einen Etappensieg vor dem Europäischen Gerichtshof errungen. Der EuGH-Generalanwalt erklärte am Mittwoch die Entscheidung der EU-Kommission zum "Safe Harbour"-Abkommen mit den USA über ein angemessenes Datenschutzniveau für ungültig. Schrems hatte in dem Rechtsstreit (C-362/14) gegen die Übermittlung von Facebook-Daten an die USA geklagt.
"Jahrelange Arbeit"
Nach Ansicht des Generalanwaltes hindert die Entscheidung der EU-Kommission, mit der die Angemessenheit des Schutzes personenbezogener Daten in den Vereinigten Staaten festgestellt wird, die nationalen Behörden nicht daran, die Übermittlung der Daten europäischer Nutzer von Facebook an Server, die sich in den Vereinigten Staaten befinden, auszusetzen. "Es scheint, als könnte sich die jahrelange Arbeit ausgezahlt haben. Nun müssen wir hoffen, dass die EU-Richter der Ansicht des Generalanwalts im Prinzip folgen werden", sagte Schrems in einer ersten Reaktion auf den Vorabentscheid.
Der endgültige Beschluss wird erst von der großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs gefällt werden, die Entscheidung des Generalanwalts dient als Grundlage, der in der Vergangenheit in rund vier von fünf Fällen gefolgt wurde. Ein Kippen des Abkommens hätte weitreichende Folgen für US-Unternehmen wie Facebook oder Google, da US-Unternehmen fortan alle Daten europäischer Nutzer in Europa speichern und verarbeiten müssten.
Derzeit haben 4.410 Unternehmen aktive Safe-Harbour-Zertifizierungen – inklusive aller großen IT-Firmen wie Apple, Google, Microsoft, Facebook, Amazon, IBM oder Intel. Wenn Safe Harbour nun tatsächlich wegfallen sollte, würde das bedeuten, dass eine andere gesetzliche Grundlage geschaffen werden muss, damit die Daten von der EU in die USA transportiert werden dürfen. „Wenn das Safe-Harbour-System wegfällt, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Datenschutzbehörden der 28 EU-Mitgliedstaaten Datentransfers zu US-Unternehmen, die US-Massenüberwachungsgesetzen unterliegen, nicht mehr erlauben werden. Das könnte für die US-Unternehmen zu großen kommerziellen Schwierigkeiten führen“, sagte Schrems.
Bisher erlaubt das Safe-Harbour-Abkommen US-Unternehmen, die Daten von EU-Bürgern in den USA zu verarbeiten, wenn Sie gewisse Voraussetzungen erfüllen. Schrems hat bei der Europäischen Datenschutzkommission in Irland Beschwerde eingereicht, weil er der Meinung ist, dass die Überwachungsprogramme der US-Geheimdienste - insbesondere PRISM - diese Voraussetzungen verletzen. Seine Klage bezog sich auf Facebook, dass als eines von vielen US-Unternehmen Daten europäischer Nutzer in die USA transferiert.
Recht auf Datenschutz
Der Zugang der amerikanischen Nachrichtendienste zu den übermittelten Daten stelle einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens und in das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten dar, erklärte der Generalanwalt in seinem Gutachten. Der Umstand, dass die EU-Bürger keine Möglichkeit haben, zu der Überwachung ihrer Daten in den Vereinigten Staaten gehört zu werden, sei ein Eingriff in das von der EU-Grundrechte-Charta geschützte Recht der EU-Bürger auf einen wirksamen Rechtsbehelf.
Der Generalanwalt sah in seinem Vorabentscheid auch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, insbesondere weil die von den amerikanischen Geheimdiensten ausgeübte Überwachung "massiv und nicht zielgerichtet" sei. "Bisher hatten die US-Unternehmen einen extrem unfairen Vorteil gegenüber allen anderen Playern, die am europäischen Markt Geschäfte machen wollten. Wenn man Safe Harbour für ungültig erklärt, bedeutet das, dass US-Unternehmen an europäische Regeln halten müssen. Das macht den Wettbewerb fairer und man unterstützt damit nicht die US-Massenüberwachung“, so Schrems.
EU-Kommission nicht reagiert
Angesichts der Verletzung von Grundrechten der EU-Bürger hätte die EU-Kommission nach Auffassung des Generalanwalts die Anwendung der "Safe Harbour"-Entscheidung aussetzen müssen, auch wenn sie derzeit mit den USA Verhandlungen führe, um die festgestellten Verstöße abzustellen.
Die EU-Kommission habe gerade deshalb beschlossen, Verhandlungen mit den USA aufzunehmen, weil sie zuvor zu der Erkenntnis gelangt sei, dass das von den Vereinigten Staaten gewährleistete Schutzniveau nicht mehr angemessen sei und die "Safe-Harbour"-Entscheidung aus dem Jahr 2000 nicht mehr der tatsächlichen Lage entspreche. Die EU-Kommission wollte zu dem EuGH-Vorabentscheid des Generalanwalts vorerst keine Stellung beziehen und reagierte verhalten. Man kommentiere keine laufenden Gerichtsverfahren, hieß es.
Erste Reaktionen
Im Gegensatz zur EU-Kommission kamen von zahlreichen Bürgerrechtsorganisationen in den EU erste Reaktionen zum Vorabentscheid: „Der Generalanwalt tut einen überfälligen Schritt, um dem politische Rumgeeiere bei der geheimdienstlichen Massenüberwachung ein Ende zu setzen. In seinem Votum stellt er nicht nur klar, dass die Kommission den Schutz personenbezogener Daten seit Jahren schleifen lässt. Er plädiert auch dafür, die von Edward Snowden enthüllte Totalüberwachung der elektronischen Kommunikation durch US-Dienste erstmals höchstrichterlich zu bestätigen. Folgt das Gericht dem Votum, so können politische Entscheidungsträger in Deutschland und Europa die Massenüberwachung künftig nicht mehr als unbewiesene Behauptung abtun", erklärte etwa Alexander Sander, Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft. "Es ist ein wichtiger, erster Schritt für das Recht auf Privatsphäre in Europa", ergänzte Joe McNamee von der Bürgerrechtsdachorganisation EDrI.