Wie Österreich digital aufholen will
„ Österreich steht vor einer großen Herausforderung. Wir sind bei der Digitalisierung nur im Mittelfeld“, sagt Michaela Novak-Chaid vor Journalisten. Sie ist Geschäftsführerin von HP Österreich und Präsidentin der „Internetoffensive Österreich“ (IOÖ), einem Branchenverband der Technologiebranche. Diese hat am Montag in Wien den sogenannten „IKT-Konvent“ organisiert, bei dem rund 600 Personen aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft teilnahmen.
Dass Österreich bei der Digitalisierung aufholen muss, hört man in letzter Zeit immer häufiger. Zahlreiche Studien bemängeln, dass viele heimische Unternehmen noch „digitale Neulinge“ und nicht darauf vorbereitet sind, dass sie Geschäfte an neue Marktteilnehmer oder Wettbewerber verlieren könnten. „Um Leitbetriebe mache ich mir weniger Sorgen, aber in Österreich sind 90 Prozent der Unternehmen Familienbetriebe“, sagt Wirtschafts- und Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck beim IKT-Konvent.
Digitalisierung nur "befriedigend"
Laut einer Studie von Arthur D. Little und der WU Wien schneiden besonders Klein- und Mittelbetriebe (KMU) bei Digitalisierungsfragen schlecht ab. Als größte Hindernisse für digitale Prozesse wurden fehlendes Know-how und fehlende finanzielle Ressourcen genannt. Doch wie sieht es eigentlich bei den einzelnen Branchen aus? Dies hat sich das Management- und Technologieberatungsunternehmen näher angesehen und festgestellt: Österreichische Unternehmen aus allen Branchen schneiden bei der Digitalisierung lediglich mit der Note „befriedigend“ ab.
Vor allem bei der elektronischer Kundenbindung und beim Online-Handel gibt es im Vergleich mit nordischen EU-Nationen, die hier als Vorreiter gelten, große Schwachstellen. Bewertet wurden etwa die Fähigkeit von Institutionen, ihre Kundenbeziehungen in digitalen Kanälen zu pflegen und auszubauen. Lediglich der Handel und Banken als Branchen verfügen in diesem Bereich über durchschnittliche Fähigkeiten. Kleinunternehmen, die Energie- und Industrie-Branchen sind in diesem Bereich weit unter dem Durchschnitt.
Gutes Abschneiden bei mobilen Lösungen
Im Bereich E-Commerce können die anderen Branchen vom Handel lernen. „Im Allgemeinen können die meisten Institutionen ihren Online-Einkaufsprozess durch radikale Vereinfachung verbessern“, so Stevan Borozan von BearingPoint. Österreichs Unternehmen versuchen zudem insgesamt zu wenig, potentielle Kunden mit Hilfe von Display-Werbung oder Suchmaschinen-Marketing zur eigenen Website zu führen. Im Vergleich mit anderen Branchen setzen dies Telekommunikationsunternehmen noch am Besten um, wie BearingPoint ausführt.
Doch es gibt auch ein paar Stärken, die in der Studie feststellbar sind: Österreichische Unternehmen haben in die Nutzung von mobilen Lösungen investiert und schneiden in dem Bereich auch im Vergleich mit nordischen EU-Ländern „zufriedenstellend“ ab, wie es BearingPoint selbst bezeichnet. Vor allem Banken, Handel und die Telekommunikationsbranche sind in diesen Bereichen führend. „Im Vergleich zu internationalen Benchmarks müssen sich österreichische Institutionen jedoch noch weiter verbessern, vor allem, wenn es um Kundenkommunikation über das Smartphone geht, wie etwa durch Live-Chat oder Chatbot“, sagt Lucas Bonanni, Berater bei BearingPoint.
Konkrete Maßnahmen
Wie kann Österreich jetzt digital aufholen? Die Experten von BearingPoint empfehlen, dass die Verantwortung für Digitalisierung in der Führungsebene verankert werden muss. „Nur von ganz oben können Maßnahmen angetrieben werden“, heißt es. Gefordert wird deswegen etwa auch eine Digitalisierungsquote in Österreichs Aufsichtsräten. Künftig müsse es einen Digitalisierungsexperte pro Aufsichtsrat geben. Zudem müsse eine „digitale Ausbildungsoffensive“ gestartet werden.
Von Seiten der Politik wurde zuletzt eine „Digitalisierungsagentur“ (DIA) für die Umsetzung wichtiger Digitalisierungsmaßnahmen ins Leben gerufen. Vergangene Woche wurde auch der Leiter der Agentur, Andreas Tschas, vorgestellt. Tschas ist Mitgründer des Start-up-Inkubator Pioneers und hat so am Aufbau der Start-up-Szene in Europa mitgewirkt. Er gilt als „kreativer und kommunikativer“ Kopf und er hatte in seinem neuen Amt beim IKT-Konvent seinen ersten Auftritt in seiner neuen Funktion.
Neben der DIA, die mit der Umsetzung geplanter Maßnahmen etabliert wird, stellte Digitalisierungsministerin Schramböck auch die Initiative „fit4internet“ vor, bei der auch Bürger geschult werden sollen. „Es ist nicht notwendig, dass jeder ein Steve Jobs wird, aber wir möchten allen etwas mitgeben für die Zukunft. Jeder sollte in der Lage sein, seine digitalen Endgeräte zu bedienen“, so die Ministerin. Deshalb starte man hier mit den Schulungen bei Senioren. „Österreich ist im EU-Vergleich bei Internetnutzung am drittletzten Platz. Das ist beschämend für uns und daran müssen wir arbeiten.“
5G als Infrastruktur-Boost
Für Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) steht und fällt alles mit dem Ausbau der Infrastruktur. „Wenn ein Hotel keinen ordentlichen WLAN-Anschluss hat, werden die Gäste ausbleiben“, so sein Vergleich. „Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Breitbandmilliarde fließt. 2020 sollen die ersten Landeshauptstädte 5G haben, 2025 soll es 5G flächendeckend geben“, so der Minister. Mit der neuen Mobilfunktechnologie 5G soll sich viel ändern. „5G ist ein revolutionärer Schritt“, sagt A1-Chef und Vizepräsident der IOÖ, Marcus Grausam.
Die drei Mobilfunk-Betreiber, deren CEOs alle Vize-Präsidenten der IOÖ sind, erwarten sich von der Politik vor allem ein Entgegenkommen, was die Aufstellung von Antennen auf öffentlichem Grund betrifft. Überhöhte Mieten würden dazu führen, dass „es weniger Wettbewerb gibt. „Wir sind bereit, stark zu investieren. Jede Erleichterung, die uns ermöglicht wird, wird an das Netz zurückgegeben“, sagt Drei-CEO Jan Trinow.
Infrastrukturminister Hofer betont, dass er den „Kontakt zwischen Wirtschaft und Politik so eng wie möglich halten und hier so viele Hürden wie möglich abbauen“ möchte.
Entscheidend für die Digitalisierung ist neben dem Ausbau der Infrastruktur allerdings auch der Aufbau von Fachkräften. „Wir als Industrie merken, dass der Nachwuchs an qualifizierten kompetenten Mitarbeitern sehr eng geworden ist“, merkt etwa T-Mobile- und UPC-Chef Andreas Bierwirth an. „Qualifizierte Migration ist keine Dauerlösung. Wir müssen in Bildung ansetzen und die Begeisterung für technische Fächer fördern.“ Ali Mahlodji, Gründer von watchado, betonte die Wichtigkeit, die Neugier bei Kindern zu wecken. „Das bedeutet auch weniger Frontalunterricht und mehr Förderung der spielerischen Kompetenzen.“
Aufgrund von diverser, internationalen Erhebungen zu dem Thema wird man künftig sehen, ob die „digitale Aufholjagd“, die sich Wirtschaft und Politik vorgenommen hat, fruchtet oder ob Österreich in den diversen Rankings weiterhin im Mittelfeld bleiben wird.