Netzpolitik

Polizei: WhatsApp-Überwachung ist nicht sinnlos

Die Internetkriminalität steigt. Cybercrime wird der große negative Ausreißer sein, wenn vermutlich im März die Kriminalstatistik für das Jahr 2017 präsentiert wird. Das kündigte die Generaldirektorin für die Öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, im Gespräch mit der APA an. So haben die Ermittler heuer bereits mehr als doppelt so viele Verschlüsselungstrojaner registriert wie 2016.

Man könne noch keine Zahlen bekanntgeben, sehr wohl aber über Tendenzen bei der Kriminalitätsentwicklung sprechen, sagte Kardeis: "Die Zahl der Strafanzeigen sinkt, die Aufklärungsquote steigt." Die Generaldirektorin will, "wo es notwendig ist", den Kontrolldruck erhöhen, etwa bei der Suchtgiftkriminalität. "Wenn man sagt, dass das steigt, muss man antworten: Ja natürlich steigt das, weil wir mehr kontrollieren." Wohnraum-Einbrüche verzeichne die Polizei weniger, trotz der Zeit der Dämmerungseinbrüche. "Weniger Autos, die gestohlen werden, auch die Gewaltkriminalität befindet sich auf einem vergleichsweise guten Niveau", resümierte Kardeis und lobte die Arbeit der Polizisten.

Fälle von CEO-Fraud verdoppelt

Der Anstieg der Anzeigen bei Cybercrime ist der Generaldirektorin zufolge nicht nur auf die gestiegene Sensibilität der Bevölkerung zurückzuführen. "Der Kriminelle ist am Puls der Zeit. Hat er bisher das Packerl stehlen müssen, weil es der Briefträger vor die Tür gestellt hat, sagt er jetzt: 'Ich mache eine Firma auf und lass mir die Ware zahlen, aber liefern tu' ich nichts.'" Umso wichtiger sei es, dass man auch bei der Prävention am Puls der Zeit sei. Es gehe unter anderem darum, die Menschen auf den Schutz persönlicher Daten am Computer, Smartphone oder Tablet hinzuweisen und sie vor Gefahren zu warnen. Ebenso gehe es um das Verhalten im Internet, "und das beginnt bei Kindern und Jugendlichen".

In Richtung Wirtschaft müsse man ebenso darauf hinweisen: "Achtung, der CEO-Fraud ist im Moment ein Thema", so Kardeis. Dabei werden zahlungsberechtigte Firmenmitarbeiter zu Überweisungen an Betrüger in großem Stil überredet. "Und dass die Hacker gut sind, sieht man an der Anzahl der Verschlüsselungstrojaner", erläuterte die Generaldirektorin. 2016 waren es 21, im noch nicht abgelaufenen Jahr 2017 schon 43. Wichtig sei gerade im Privatbereich auch das sogenannte Internet der Dinge. Man müsse hier für Schutz der Geräte - zum Beispiel TV-Apparate sorgen, die am Internet hängen, und dafür benötige man Schutzmaßnahmen.

WhatsApp-Überwachung "nicht sinnlos"

Die oberste Polizistin Österreichs macht sich für die geplanten neuen polizeilichen Mittel stark, die schon der Vorgänger des neuen Innenministers Herbert Kickl (FPÖ), Wolfgang Sobotka (ÖVP), gefordert hatte. Den Hinweis, dass WhatsApp-Überwachung eine eigentlich sinnlose Sache sei, weil Kriminelle sich bereits ganz anderer Kommunikationsmittel bedienen, lässt Kardeis nicht gelten: "Es geht um den Überbegriff verschlüsselte Kommunikation", sagte sie. Es gehe darum, dass man die rechtlichen und technischen Möglichkeiten habe, um verschlüsselte Kommunikationsformen zu knacken.

Man müsse sich Messenger-Dienst für Messenger-Dienst ansehen, wie die Technik weitergehe. "Das ist ein Thema", räumte Kardeis ein. "Es ist dringend erforderlich, dass wir das können und auch dürfen." Sie versucht Bedenken von Datenschützern zu den geplanten Maßnahmen zu zerstreuen. "Nein, wir werden nicht alle überwacht. Ich habe immer einen Anfangsverdacht. Ich habe immer einen Rechtsschutz. Egal ob ich jetzt sage, ich bin im Bereich Sicherheitspolizeigesetz, dann habe ich einen Rechtsschutzbeauftragten, im Bereich der Strafverfolgung habe ich die Staatsanwaltschaft."

Neue Situation

Für die Behörden werde Terrorbekämpfung auch im kommenden Jahr ein großes Thema bleiben. Das Innenministerium geht von rund 300 sogenannten Gefährdern in Österreich aus. Davon sind etwa 100 verurteilt, 100 aus Kriegsgebieten zurückgekehrt. Jeweils etwa 50 seien in Kriegsgebieten umgekommen, bei 50 weiteren wurde die Ausreise verhindert. "Dieses Phänomen der Ausreise, also: 'Ich will in den Jihad ziehen und kämpfen', hat sich enorm verringert. Sicher hat sich der IS (Islamischer Staat, Anm.) verkleinert. Ich glaube aber auch, dass die Präventionsarbeit nicht umsonst ist." Beratungsangebote gegen Extremismus wie die Helpline beim Familienministerium würden angenommen.

Die Generaldirektorin ist seit der Übernahme des Innenministeriums durch Kickl mit einer neuen Situation konfrontiert. In jedem Ministerium wurde der Posten eines Generalsekretärs geschaffen, der gegenüber den Sektionschefs weisungsberechtigt ist. In Kardeis' Fall ist das Peter Goldgruber, zuvor Leiter der Strategieabteilung in der Wiener Landespolizeidirektion. Delikat in dem Zusammenhang ist, dass Kardeis als frühere Vizepolizeipräsidentin Goldgrubers Chefin war. Die Generaldirektorin erwartet dadurch keine Probleme: "Ich schätze ihn als Polizeijuristen, ich schätze ihn aufgrund der Erfahrungen, die er hat, auch als Polizisten. Ich weiß, dass wir in gewissen Dingen ähnlich ticken - Vertrauen ineinander, Zielvorgaben, was ist notwendig, was ist sinnvoll, wie setzen wir es um..."

Zur Position sagte sie: "Ich verstehe den Zugang, dass man sagt, es gibt gewisse Koordinierungsaufgaben. Ich verstehe aber auch den Zugang, dass ein Minister eine solche Position mit einem ihm vertrauten Menschen besetzen will."

Digitalisierung der Polizei "gelungen"

Kardeis zeigte sich erfreut, dass ihr Vorschlag, für Polizeischüler eigene Planposten zu schaffen und damit nicht den Soll-Stand bestehender Dienststellen zu entlasten, im Regierungsprogramm enthalten ist. Sie rechnet mit der Umsetzung dieser Maßnahme für 2019.

Außerdem bezeichnete die Generaldirektorin es als Meilenstein, dass 2017 die Digitalisierung des Polizisten auf der Straße gelungen sei - "der große Schritt für den Polizisten aus der Kreide-Steinzeit hin zu Smartphones und Tablets." Wichtig sei auch die Einführung des neuen Einsatzleit- und Kommunikationssystems (ELKOS) gewesen, die allen Blaulichtorganisationen zugute komme.

Zur Person: Michaela Kardeis ist seit 1. September Generaldirektorin für die Öffentliche Sicherheit. Die Juristin hat ihr Studium in Salzburg absolviert und ihre Dissertation zum Thema Hausdurchsuchungen geschrieben. 2001 wurde sie Leiterin der Bundespolizeidirektion Schwechat - die erste Frau in einem solchen Amt - und im Jahr darauf noch unter ihrem Geburtsnamen Pfeifenberger Vizepräsidentin der Bundespolizeidirektion Wien. Dieses Amt übte sie bis Ende 2016 aus.

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