Zwist um Vorratsdatenspeicherung in Österreich
Vergangene Woche hat Deutschland die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Telekommunikationsdaten sollen künftig bis zu zehn Wochen aufbewahrt werden, damit Ermittler bei der Bekämpfung von Terror und schweren Verbrechen darauf zugreifen können.
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nahm diesen Beschluss in Deutschland einmal mehr zum Anlass, entgegen vorheriger Ankündigungen, auf eine „gemeinsame, europäische Lösung“ zu warten, sich für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in Österreich stark zu machen. Es gehe dabei um den „Kampf gegen Terrorismus und die Verhinderung schwerster Kriminalität“, wie Mikl-Leitner im Ö1-Morgenjournal betonte.
"Aufgabe, Grundrechte zu schützen"
Im Technologie- und Telekommunikationsministerium hält man von dem neuen Vorstoß des Innenministeriums nichts: „Wir wollen das nicht. Dass Deutschland die Vorratsdatenspeicherung wieder einführt, ist für uns kein Grund, hier nachzuziehen. Wir sehen es als unsere Aufgabe, die Grundrechte zu schützen: Nicht jeder Mensch ist potenziell ein Verdächtiger“, so Andrea Heigl, Pressesprecherin von Minister Alois Stöger (SPÖ) auf futurezone-Anfrage.
Heigl betonte zudem, dass es auf europäischer Ebene dazu eine „klare Judikatur“ gebe und in Österreich der Verfassungsgerichtshof erst 2014 die Vorratsdatenspeicherung gekippt hat. „Wir haben keine Lust, uns eine neue Watschn vom Verfassungsgerichtshof abzuholen.“
Mikl-Leitners Forderung nach Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung wird auch vom Justizsprecher der Grünen, Albert Steinhauser, klar abgelehnt: „Von der EU-Kommission wurde einem Neuanlauf der Vorratsdatenspeicherung auf EU-Ebene eine Absage erteilt. Mikl-Leitner sollte sich daher die Urteile des Verfassungsgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs genauer ansehen.“
Verfassungswidrig
In Deutschland gehen zahlreiche Experten davon aus, dass die Vorratsdatenspeicherung, sowie sie vergangene Woche beschlossen worden ist, verfassungswidrig sei. Von politischer Seite halten Linke, Grüne, Piraten, FDP und Netzaktivisten das Vorhaben zudem für unverhältnismäßig. Mehrere Politiker und Initiativen wie der Verein Digitalcourage kündigten bereits Verfassungsbeschwerden an. Rund 8800 Menschen haben bereits ihre Beteiligung zugesagt.
„Man kann es kaum glauben, wie sich eine große Mehrheit der gewählten Volksvertreter, gegen den Wählerwillen stellen. Aber der Gipfel von allem ist, man denkt sich, gegen rechtskräftig ergangene Urteile von den höchsten Gerichten, hinwegsetzen zu können. Das muss gestoppt werden“, schreibt ein Nutzer der Plattform in den Kommentaren.
In Deutschland sollen Telekommunikationsanbieter die IP-Adressen von Computern und Verbindungsdaten zu Telefongesprächen künftig zweieinhalb Monate aufbewahren. Standortdaten bei Handy-Gesprächen sollen vier Wochen gespeichert werden, Daten zum E-Mail-Verkehr nicht. Den Abruf der Informationen muss ein Richter erlauben. Die Daten von Berufsgeheimnisträgern - etwa Rechtsanwälten, Ärzten oder Journalisten - dürfen nicht verwertet werden. Der konkrete Nachweis, etwa im Fall von Journalisten, wird sich in der Praxis aber als äußerst schwierig gestalten.
Journalisten gegen Gesetz
"Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung betrifft Journalisten besonders. Alle Medienverbände, ob Journalisten, Verleger oder Sender, haben massiven Protest angekündigt. Denn der Informantenschutz kann nicht mehr garantiert werden, und mit "Datenhehlerei" wird ein neuer Straftatbestand eingeführt, der investigative Recherche behindert", sagte etwa Matthias Spielkamp dazu.