Fairphone 2 im Test: Ein Statement für mehr Nachhaltigkeit
Mit dem Fairphone der ersten Generation hat das gleichnamige niederländische Unternehmen aufhorchen lassen. Mit dem Anspruch ein möglichst fair produziertes Smartphone anzubieten, setzte man zum Auftakt des Projekts auf ein Lizenzmodell ohne nennenswerte Eigenentwicklungen.
Bei der zweiten Generation des fairen Smartphones hat sich dies grundlegend geändert. Denn das Fairphone 2 wurde so gestaltet, dass dabei faire Produktion, Langlebigkeit und Reparierbarkeit im Vordergrund stehen. Dementsprechend besteht das neue Fairphone aus insgesamt sieben Modulen, die sich ohne großen Aufwand austauschen lassen. Dadurch soll die Langlebigkeit und damit der anfallende Elektroschrott reduziert werden.
Äußeres
Gegenüber dem Fairphone der ersten Generation ist der Formfaktor nicht wirklich eleganter geworden. Verglichen mit Flaggschiffen wie dem Samsung Galaxy S6 Edge oder dem aktuellen iPhone wirkt das Fairphone wie ein veraltetes Smartphone in einer dicken Schutzhülle. Aber das Aussehen ist nicht alles, es kommt ja bekanntlich auf die inneren Werte an. Und da hat das Fairphone einiges zu bieten. Zumindest kommt man, im Gegensatz zu den vorhin genannten Unibody-Smartphones an die Innereien überhaupt ran.
Die rückseitige Abdeckung wirkt in der Tat wie eine externe Schutzhülle. Nimmt man sie ab, hat man Zugriff auf den austauschbaren Akku und den Einschub für die microSD-Karte. Um an die beiden SIM-Karten-Slots zu kommen, muss der Akku entnommen werden. Spätestens hier ist bei den meisten Smartphones Schluss mit den Einzelteilen, beim Fairphone geht der Spaß aber erst los.
Module
Denn neben dem micro-USB-Anschluss befinden sich zwei blaue Schieberegler, mit denen man die Verbindung zwischen Hauptplatine und Display entsperrt werden kann. Somit lassen sich Display, Akku und Gehäuse ohne Schraubenzieher auswechseln. Wie schon angekündigt, können Lade-Anschluss, Kopfhörer-Ausgang und das Kamera-Modul mit einem herkömmlichen Schraubenzieher durch wenige Handgriffe entfernt und ausgetauscht werden. Kein Wunder also, dass das Fairphone 2 von den Reparaturspezialisten von iFixit die volle Punkteanzahl auf der zehnstufigen Reparierbarkeitsskala erhalten hat.
Derzeit werden auf der Fairphone-Website noch keine dieser Verschleißteile zum Kauf angeboten. Das soll sich aber demnächst ändern. Das Display wird dann 87 Euro kosten, der Ersatzakku 20, das Back-Cover 27, das Audio-Modul ebenso 27, das Kamera-Modul 35, das Mikrofon/USB-Modul 25 und das Teil, das die Hauptplatine beheimatet, wird 314 Euro kosten. Angedacht ist außerdem, dass etwa die Kamera mit einem leistungsstärkeren Bauteil upgegradet werden kann.
Damit befinden sich die Ersatzteile, verglichen mit anderen Smartphones ungefähr in einer ähnlichen Preisklasse, wenn sie nicht sogar billiger sind. Für ein iPhone 5 kostet ein Display-Reparaturset, samt LCD-Einheit eines Drittanbieters, ungefähr 70 bis 90 Euro, für ein iPhone 6 kostet der LCD ungefähr hundert Euro, für einem Samsung Galaxy S6 rund 130 Euro und für ein S6 Edge ungefähr 200 Euro.
Formfaktor
Etwas verwirrend bei der Bedienung ist die Kamerataste, die sich auf derselben Seite wie die Power-Taste befindet. Gerade wenn man das Handy noch nicht gewohnt ist und man ohne hinzuschauen den Power-Button ertasten will, kommt es öfter zu Verwechslungen.
Das Gewicht des Fairphone beträgt insgesamt 168 Gramm und die Maße belaufen sich auf 143 mal 73 mal 11 Millimeter. Damit ist es kein schlankes Leichtgewicht und gegenüber Smartphone derselben Preisklasse wesentlich korpulenter.
Bei der alltäglichen Bedienung stört es, dass die Rückabdeckung beziehungsweise das Gehäuse mehr eine Schutzhülle darstellt als eine klassische Abdeckung. Denn die Abdeckung umschließt das komplette Gerät, sodass sich der Rand um das Display abhebt und dadurch ein bis zwei Millimeter absteht, was die Touchscreen-Bedienung beeinträchtigt.
Hardware
Betrachtet man die technischen Spezifikationen, hat sich das Fairphone 2 gegenüber der ersten Generation deutlich verbessert. So setzt man im Inneren nun auf den gängigen Qualcomm Snapdragon 801, der mit seinen vier Kernen mit 2,26 GHz taktet. Daneben befindet sich eine Qualcomm Adreno 330 GPU sowie zwei GB Arbeitsspeicher. Der interne Flash-Speicher von 32 GB kann praktischerweise mithilfe einer microSD-Card erweitert werden.
Das Fairphone 2 ist nun auch LTE-fähig, mit WLAN-Verbindungen der Standards 802.11 b/g/n/ac kompatibel und unterstützt Bluetooth 4.0 LE. Außerdem stehen zwei Micro-SIM-Slots sowie ein FM-Tuner zur Verfügung. NFC wird vom Fairphone 2 nicht unterstützt. Die Stromzufuhr sowie die kabelgebundene Datenverbindung wird über USB 2.0 abgewickelt. Positiv ist, dass der micro-USB-2.0-Port OTG fähig ist. Schade hingegen ist, dass nicht gleich der neuere, schnellere Standard USB Type-C zum Einsatz kommt.
Benchmarkergebnisse:
- 3DMark (Ice Storm Extreme, v1.2): 8195 Punkte
- AndroBench (Version 4.0.1, sequentielles Lesen/Schreiben):206,70 / 104,94 MB/s
- AnTuTu (v6, 64-bit): 42.472 Punkte
- Quadrant (v2.1.1): 22.378 Punkte
Display
Das 5-Zoll-Display wird von Gorilla Glass 3 geschützt und löst mit 1080 mal 1920 Bildpunkten auf. Damit kann es eine Pixeldichte von 446ppi vorweisen.
In Sachen Schärfe und Farbwiedergabe ist das Fairphone tadellos. Da braucht sich das Display nicht verstecken. Denn Details werden glasklar und natürlich wiedergegeben. Nur bei der Helligkeit hinkt es ein wenig hinterher. Hier könnte man sich etwas mehr Kraft wünschen.
Kamera
Die Hauptkamera löst mit acht Megapixel auf und wird von einem Blitz unterstützt. Die Größe des Bildsensor wird mit 1/3,2 inch angegeben, die Blendenzahl mit f/2,2.
Im Innenraum und bei schlechten Lichtverhältnissen kann die Kamera nicht überzeugen. Details werden wenig bis kaum dargestellt und verschwinden. Selbst bei Tageslicht fällt die Qualität der Bilder unterdurchschnittlich aus. Dabei offenbarte die Kamera leichte Probleme mit dem Fokussieren. Des Öfteren wurde an der falschen Stelle scharf gestellt, sodass das komplette Bild unscharf ausgefallen ist. Die Selfie-Kamera auf der Vorderseite nimmt Fotos mit maximal zwei Megapixel auf, deren Qualität auch nicht überzeugen kann.
In dieser Preisklasse könnte man sich eine wesentlich bessere Kamera erwarten. Bleibt zu hoffen, dass Fairphone bald ein höherwertigeres Kamera-Modul zum Nachrüsten anbietet.
Akku
Am Nachmittag gegen 16:00 Uhr wurde der voll aufgeladene Akku von der Steckdose genommen. Bis zur Nachtruhe wurde das Smartphone wenig verwendet: ein bisschen Fotos machen, in den Einstellungen herumschauen und ein wenig Web-Browsing. Am nächsten Morgen folgten Musikstreaming über das 3G-Netz plus Internetnutzung bei voller Screen-Helligkeit, anschließend ungefähr eine Stunde Musikstreaming und ein knapp zwanzig Minuten langes YouTube-Video in 1080p - beides über das WLAN.
Also insgesamt 20 Stunden nach der Vollladung zeigte der Akku noch 35 Prozent. In diesem Fall kann der Akku bestenfalls als zufriedenstellend bezeichnet werden. Er überzeugt weder mit enormem Durchhaltevermögen, noch ist er schlechter als der der meisten anderen Smartphones. Der derzeitige Akku hat eine Kapazität von 2420 mAh. Bleibt abzuwarten ob Fairphone auch einen stärkeren Akku anbieten wird.
Betriebssystem
Fairphone hat sein Smartphone mit einer leicht adaptierten Betriebssystem-Version namens Fairphone Onion 1.0 versehen, die auf Android 5.1 Lollipop basiert. Das Pull-Down-Menü, die Einstellungsmenüs oder die Benachrichtigungsleiste wurden gegenüber Stock-Android kaum verändert und erinnern stark an CyanogenMod 12.
Beim voreingestellten Fairphone-Launcher fällt sofort auf, dass der Icon für den App-Drawer fehlt. Will man zur App-Übersicht gelangen, muss man mit dem Finger vom Display-Rand zur Mitte hin wischen und den Finger nicht vom Screen nehmen. Dabei erscheint ein Menü mit Favoriten-Apps, die individuell gewählt werden können. Das Menü ist so ausgerichtet, dass egal an welcher Stelle man den Finger ansetzt, immer als erstes das App-Drawer-Icon erwischt wird. Das ist zwar ein nettes Gimmick, für all jene, die den App-Drawer viel verwenden, aber etwas umständlich um an die App-Übersicht zu kommen. Außerdem ist das Wischen direkt vom Rand weg, durch den aufgrund der Rückabdeckung leicht angehobenen Rand etwas gewöhnungsbedürftig.
In Sachen Bloatware hat sich Fairphone nahezu gänzlich rausgehalten. Es wird lediglich die iFixit-App sowie zwei Shortcuts, die zu den Benachrichtigungseinstellungen und den Software-Update-Einstellungen führen, mitgeliefert.
Eine eigene Kamera-App oder eine eigene Fotogalerie-App ist im Fairphone Onion 1.0 nicht enthalten. Dafür sind die entsprechenden Google-Apps vorinstalliert.
Testgerät
Das Testgerät wurde der futurezone von Fairphone für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung gestellt. Dabei handelte es sich um ein Demo-Gerät. Fairphone weist darauf hin, dass gegenüber den Geräten, die schlussendlich an Kunden ausgeliefert werden, nur "kosmetische und keine signifikanten Änderungen" vorgenommen werden. Abgesehen von Software-Updates wird es auch auf der Funktionsebene zu keinen Änderungen mehr kommen.
Fazit
Obwohl der Preis des Fairphone 2 mit seinen 530 Euro an der Oberklasse kratzt, wäre es unfair beziehungsweise nicht zielführend, das faire Handy mit Flaggschiffen von Samsung, Huawei oder dem iPhone zu vergleichen. Denn das Fairphone 2 positioniert sich genau als Gegenteil zu den herkömmlichen Smartphones. Es ist als ein Statement für mehr Nachhaltigkeit zu verstehen. Mit den Attributen eines herkömmlich glänzenden Prestigeobjekts bei dem ein eleganter Formfaktor im Vordergrund steht, hat das Projekt nicht viel am Hut.
Nichts desto trotz kann das Fairphone 2 mit passabler Leistungsstärke und tadellosem Display überzeugen. Der Akku könnte besser sein. Wirklich enttäuschend ist nur die Kamera. Dem Modularprinzip folgend, könnte aber sowohl Akku als auch Kamera bald durch höherwertigere Komponenten ausgetauscht werden.
Die Frage, die für die Langlebigkeit des Fairphone 2 entscheidend sein wird, lautet: Wie zukunftssicher ist der Quad-Core Snapdragon 801 Prozessor. Dieser wurde nämlich bereits Anfang 2014 entwickelt und könnte in zwei oder drei Jahren zur Achillesferse des Langlebigkeitsprojekts werden. Denn während sich rund um den Chip die Einzelteile austauschen lassen, muss der Prozessor wohl mehrere Jahre durchhalten und damit mit kommenden Betriebssystemversionen samt neuer Apps umgehen können.
Alles in allem bleibt das Fairphone ein überaus ambitioniertes Projekt, das als Antithese zur Wegwerfkultur und zu ausbeuterischer Produktion gesehen werde kann. Mit einem durchaus passablen Smartphone auf modularer Basis hat Fairphone damit den Grundstein für leicht reparierbare Geräte gelegt und allein schon daher einmal mehr eine Chance verdient hat.