iPhone 5: Was die Gerüchteküche aufgetischt hat
„Wir werden künftig viel besser auf die Geheimhaltung unserer Produkte achten", sagte Apple-Chef Tim Cook diesen Mai bei der D10 Konferenz in den USA. Von dem Versprechen ist nicht viel geblieben. Die Zahl der im Vorfeld durchgesickerten Informationen zum neuen iPhone war so hoch wie bei keinem andere Apple-Handy zuvor. Nur als ein Apple-Mitarbeiter ein iPhone 4 in einer Bar vergessen hatte, war das Niveau der Aufklärung ähnlich hoch. Diesmal ging der Irrsinn rund ums neue Smartphone sogar so weit, dass Webportale unterschiedliche Bauteile aus China sammelten und sie zu einem Gerät zusammensetzten. Das Ergebnis war beeindruckend: Wochen bevor das neue iPhone offiziell erscheint, konnte man es im Netz schon begutachten.
Verschwörungstheorien
Böse Zungen argumentieren, dass Cooks Ansage nur eine Marketing-Aktion war, um Leaks und Gerüchte anzustacheln. Dass ein Gerät vorab im Netz kursiert, könnte auch eine gefinkelte Methode sein, um Fans auf den neuen Formfaktor sowie den neuen Anschluss seelisch vorzubereiten und allzu laute Kritik im Keim zu ersticken. Im Endeffekt könnte der Grund für die lückenhafte Geheimhaltung aber einfach nur das enorme Interesse an Apples Kult-Handy sein. Der Launch des Telefons gilt als wichtigster Event im Bereich der Unterhaltungselektronik, die Investment-Bank JP Morgan glaubt sogar, dass das neue iPhone das Bruttoinlandsprodukt um 0,5 Prozent heben wird.
Was in all dem Tumult auffällt, ist, dass niemand mehr an der Echtheit der zusammengebauten iPhones zweifelt. Die aus chinesischen Werken stammenden Teile wirken authentisch, insgesamt ist das Design stimmig. Sollte es sich dabei also nicht um den größten Scherz der IT-Geschichte handeln, darf man vom neuen iPhone folgendes erwarten:
Welche Infos als sicher gelten:
Größerer Bildschirm
Mit 3,5-Zoll und einem Seitenverhältnis von 3:2 zählt das iPhone mittlerweile zu den kleineren Smartphones. Während die Konkurrenten kontinuierlich die Diagonale in die Höhe schrauben und das Maximum aktuell bei 5,55 Zoll (Galaxy Note II) liegt, hat sich das iPhone seit 2007 nicht verändert. Dadurch, dass das Smartphone als wichtiger Einstiegspunkt ins Web genutzt wird und viele Nutzer es für das tägliche Surfen verwenden, bringt ein größerer Schirm deutlich mehr Komfort. Es bietet mehr Platz für App-Logos und kann Medieninhalte im gängigen Breitbild-Format wiedergeben. Der Entwicklung zollt Apple nun Tribut: Das neue iPhone soll einen 4-Zoll-Schirm im Verhältnis 16:9 haben. Damit liegt man unter der Konkurrenz, die sich aktuell bei rund 4,5 Zoll eingependelt hat, bleibt aber weiterhin Hosentaschen-tauglich.
Dünneres Gehäuse
Durch den Verzicht auf eine Glassplatte auf der Rückseite (und die damit verbundenen Garantiefälle) sowie durch den Einsatz von dünnerem Glas beim Touchscreen („In-Cell") konnte die Dicke des Geräts um einen Hauch reduziert werden – die Plakette des dünnsten Smartphones wird aber weiter in China bleiben. Das Gewicht dürfte aufgrund der gewachsenen Gesamtgröße und dem größeren Funktionsumfang hingegen gleich bleiben.
Dezente Design-Änderung
Abzuwarten bleibt, ob die neuen Maße auf den ersten Blick erkennen lassen, dass es sich um ein neues Modell handelt – immerhin wollen Neo-Besitzer ja auch mit ihrem neuen Handy prahlen. Bis auf einen Zuwachs in der Länge wird das neue iPhone optisch gleich bleiben. Die schlankere Linie wird dadurch auffallen, dass über den metallenen Chrome-Rahmen kaum noch etwas hinaus steht. Ein weiteres Erkennungsmerkmal dürfte die Rückseite werden. Während der Mittelteil auf Metal setzt, wird der obere und untere Teil aus Glas, Keramik oder Plastik bestehen: Dahinter verbergen sich jeweils die Funk-Module, deren Wellen nicht durch Metal dringen können. Ob diese gescheckte Optik in der Praxis gut aussieht, wird sich weisen. Man kann aber davon ausgehen, dass sich Apple-Chefdesigner Jonathan Ive keinen Faux Pas leisten wird.
Kleinerer Dock-Anschluss
Seit der Einführung des iPod hat sich die 30-polige Schnittstelle der Apple-Produkte nicht verändert. Nun kommt der erste Einschnitt. Der Anschluss wird deutlich kleiner und auf weniger Pins reduziert. Was radikal klingt, ist nicht weiter schlimm. Bestehendes Zubehör wird mittels kostenpflichtigem Adapater (den vorerst nur Apple anbieten wird) weiterhin nutzbar bleiben. Bei neuem Zubehör stellt sich hingegen die Frage, wie wichtig ein Stecker ist. Apple setzt seit einigen Jahren verstärkt auf Streaming über den eigenen Standard „Airplay" sowie auf Datenverkehr via Server-Wolke. Der physische Anschluss wird – abgesehen vom Laden – sekundär.
Nano-SIM
Auch im Inneren strafft Apple sein Produkt. Nach der Micro-SIM kommt nun die Nano-SIM. Diese ist nochmals kleiner und besteht quasi nur mehr aus dem Chip, eingefasst in einem Plastikrahmen. Wer auf das neue iPhone umsteigt, wird die SIM-Karte umtauschen müssen. Die Provider betonen, bereits gerüstet zu sein.
LTE
Der Mitbewerb wirbt bereits mit Geräten, die den schnellen Datenfunk-Standard LTE unterstützen. Apple könnte nun nachziehen. Das Wall Street Journal berichtete erst kürzlich, dass LTE fix an Bord sein wird. Ein Muss ist LTE aber weiterhin nicht. 3G und HSDPA sind für ein Smartphone weiterhin ausreichend. Zudem ist LTE nur in wenigen Märkten wirklich gut und flächendeckend ausgebaut. Das Hindernis der in den USA und Europa unterschiedlichen Frequenzen scheint hingegen behoben. Qualcomm hat hier stromsparende Chips entwickelt, die viele Länder abdecken. In Österreich ist aufgrund des schlechten LTE-Netzausbaus und den hohen Tarifen diese Funktion sekundär.
Verbessertes Betriebssystem
Zum Start des neuen iPhones wird auch die nächste Version des mobilen Betriebssystems final. iOS6, so der Name, bringt hunderte Detailverbesserungen. Wobei einige Funktionen, wie etwa eine tiefere Integration mit Facebook, auch kritisch gesehen werden. Da ein Knaller fehlt, könnte Apple in letzter Minute noch ein Streaming-Service vorstellen, das als Highlight fungiert.
Welche Punkte noch fraglich sind:
Mit diesen Funktionen und Merkmalen darf man Mittwochabend rechnen. Obwohl schon jetzt viele Informationen vorhanden sind und im Groben das Produkt steht, bleibt es noch spannend. Immerhin gibt es noch einige offene Fragen:
Display-Auflösung
Aufgrund des geänderten Seitenverhältnisses auf 16:9 erhöht sich auch die Auflösung. Kolportiert werden 1136 x 640 Pixel, versus der alten 940 x 640. Dies macht Sinn, da die PPI-Dichte gleich bleibt und somit das „Retina"-Label weiterhin verwendet werden kann. Im Vergleich zur Konkurrenz, die bei 4,5 Zoll mit unter schon 1280x720 anbietet, wirkt es aber wenig.
Prozessor und RAM
Die Konkurrenz setzt bereits auf Quadcore-Chips. Apple wird beim neuen iPhone darauf weiterhin verzichten. Der Akku würde durch die Chips stärker belastet, zudem ist unklar, ob iOS effizient mit vier Kernen umgehen kann. Viel wahrscheinlicher ist eine Reduktion der Chip-Größe. Bislang wurde der Prozessor im 45 Nanometer-Verfahren hergestellt. Im iPad 2 sind es bereits 32nm. Das optimierte Herstellungsverfahren verspricht bessere Akkulaufzeit, zeitgleich kann die Taktfrequenz erhöht werden, um mehr Leistung zu erzielen. Einen Boost wird auch die längst überfällige Aufstockung beim Arbeitsspeicher von 512 MB auf ein GB bringen.
Akku
Aufgrund des größeren Display sowie der zu erwartenden Integration von LTE wird auch der Akku verbessert. Als wahrscheinlich gilt, dass die Volt-Zahl leicht erhöht wird. In der Praxis dürfte die Laufzeit somit gleich bleiben, eine Verbesserung ist nicht zu erwarten.
NFC
Vertrauenswürde Quellen berichten, dass im Inneren des iPhone Platz für ein NFC-Modul ist. Ob Apple tatsächlich solch einen Chip auf die Platine setzt, ist hingegen unbekannt. In vielen Android-Geräten sowie in neueren Intel-Notebooks ist NFC bereits inkludiert, Banken und Kreditkarten-Firmen haben entsprechende Zahlungslösungen bereits im Test. Apple selbst hat in iOS 6 mit Passbook zudem eine Lösung für Flugtickets, Kundenkarten und ähnliches, die von einer NFC-Unterstützung profitieren würde. Obwohl vieles auf NFC hindeutet, ist jedoch zu bedenken: Der Nahfunkstandard ist noch weit vom Massenmarkt entfernt – und den hat Apple immer im Visier.
Kopfhörer
Es wird auch eine neue Auflage der ikonischen weißen Apple-Kopfhörer erwartet. Ein neues Design soll besseren Halt im Ohr sowie mehr Qualität beim Telefonieren bringen. Diese Ankündigung ist jedoch mit vielen Fragenzeichen verbunden.
Der Produktname
Im Netz war immer vom iPhone 5 zu lesen. Ob das Handy so heißt, wird sich in einigen Stunden weisen. Ausgehend von den vergangenen Modellen (3G – 3GS – 4 – 4S) würde es Sinn machen. Der größere Bildschirm und das neue Äußere rechtfertigen eine neue Versionsnummer. Zudem ist auf Apples offizieller Einladung zum Medien-Event ein Schatten einer „5" zu sehen. Möglich ist, dass Apple den Funkstandard LTE in den Vordergrund rückt und an die Versionsnummer anhängt. Dadurch, dass LTE jedoch nicht überall verfügbar ist, wäre solch eine Entscheidung überraschend.
Weitere Produkte: iPod, iMac, MacBook
Der Star des Abends ist eindeutig das neue Smartphone. Was jedoch nicht heißt, dass Apple nicht noch andere Neuheiten in petto hat. Das geballte Medieninteresse gilt dem heutigen Event, ein idealer Zeitpunkt also, um weitere Produkte für die Weihnachtssaison vorzustellen. Erwartet werden neue iPods sowie neue iMacs. Beides gilt als wahrscheinlich, da es hier seit längerem keine Updates gab. Bei den iMac darf man mit hochauflösenden Displays sowie Ivy-Bridge-Prozessoren rechnen.
Abzuwarten bleibt hingegen, ob das 13-Zoll-MacBook nun auch in einer „Retina"-Version vorgestellt wird. Laut taiwanesischen Herstellern laufe die Produktion gerade an. Da die Gefahr besteht, dass ein 13er-Retina-Gerät im iPhone-Trubel untergeht, ist eine Präsentation im Oktober – gemeinsam mit dem iPad Mini – wahrscheinlicher.
Starttermin
Mittwochabend wird das neue iPhone vorgestellt. Mit einem Produktstart darf in den USA und möglicherweise anderen wichtigen Kernmärkten am 21. September gerechnet werden. Anfang Oktober ist dann die Verfügbarkeit in anderen Märkten, darunter auch Österreich, zu erwarten. Fix ist hier: Das neue iPhone wird bei allen vier heimischen Providern (A1, T-Mobile, Orange, Drei) im Sortiment zu finden sein.
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