Notebooks: Wildwuchs bei Windows-8-Geräten
Notebook, Laptop, Netbook, Tablet, Phablet und Ultrabook: Wer heutzutage einen tragbaren Computer kaufen will, wird mit einer Unmenge an Gerätekategorien konfrontiert. Die einen haben dieses Features, den anderen fehlt jene Funktion. Trotz der unterschiedlichen Etiketten war aber bis dato halbwegs klar, welches Gerät für welche Zielgruppe passend ist.
Mit dem Start von Windows 8 und der darauf abgestimmten Hardware wird sich dies nun ändern. „Es wird das Beste aus der Notebook-Welt mit dem Besten des Tablet-Universums verbunden", sagt Christian Lamprechter, Chef von Intel Deutschland und Österreich zur futurezone. Seit der Einführung des Ultrabook-Begriffs gibt der Chipfabrikant Spezifikationen bei Design und Ausstattung von Notebooks vor. „Wir wollen damit Innovationen anregen und die Hersteller animieren, Neues auszuprobieren." GPS, Bewegungssensoren und Touch seien im Konzept ein essentieller Bestandteil. Wie die Firmen das umsetzen, sei aber ihnen überlassen.
Wildwuchs
Wie die IFA dieses Jahr zeigte, fehlt den Herstellern hierbei aber die Vision. Auf der Suche nach der zündenden Idee fallen alle auf das alte Konzept des Convertible zurück, das Bill Gates schon 2002 stolz präsentierte. Dass dieses Kategorie, bei der der Bildschirm gedreht und über die Tastatur gelegt wird, nie über seine Nische hinauskam und die Jagd nach der eierlegenden Wollmilchsau bislang in keiner Branche geklappt hat, scheint keinen Hersteller zu entmutigen.
Stolz präsentieren Firmen wie Sony, Toshiba oder HP Hybrid-Geräte, mit denen sie zum Windows-8-Start punkten wollen. Konsumenten sollen ein Gerät bekommen, dass sie sowohl als Tablet als auch als vollwertiges Notebooks verwenden können. Die futurezone hat sich auf der Messe alle Konzepte genauer angesehen und dabei festgestellt: Keiner schafft den Spagat.
Die Display-Rutsche
Besonders unpraktisch wirkt das Konzept der Slider. Toshiba (U920t), Dell (XPS Duo 12) oder etwa Sony (Vaio Duo 11) haben solche Geräte ab Oktober im Sortiment. Dabei kann der Bildschirm über die Tastatur geschoben werden. Aus einem klassischen Notebook wird ein Tablet. Das birgt mehrere Probleme: Die Geräte sind deutlich dicker als Tablets und gängige Notebooks, sie wirken sperrig und nicht mehr zeitgemäß. Die Bildschirmdiagonalen rangieren zwischen 11 und 13 Zoll, was für den Notebook-Modus ausreicht. Als Tablet sind die Geräten aber schlicht zu groß. Hinzu kommt, dass sie als Tablet viel zu schwer sind. Es dauert nur wenige Minuten, bis Ermüdungserscheinungen auftreten – egal, ob man den Silder ein- oder zweihändig hält. Eine Frage, die beim Lokalaugenschein auf der IFA nicht beantwortet werden konnte, die man aber stellen muss: Wie stabil ist die Mechanik, die das Display über den Schirm schiebt?
Aus Eins mach Zwei
Neben dem Slider-Konzept verfolgen viele Hersteller (Acer W510, HP EnvyX2, Samsung ATIV, Asus Vivo) auch den Ansatz der Tablet-Tastatur-Kombi. Dabei wird ein leichtes und dünnes Tablet mit einem Dock ausgestattet, dass zeitgleich Keyboard als auch Zweitakku ist. Auch hier gab es bereits ähnliche Versuche im Android-Lager – die es aus der Nische jedoch nicht hinausschafften. iPad-Nutzer sind mit dem Konzept ebenfalls vertraut. Wie schon bei den Slidern kam beim Hands-On auf der IFA die Frage auf: Wie stabil ist das Paket aus Tablet und Tastatur? Ob bei Samsung, Acer oder Asus, wirklich stabil wirkte keiner der Einrastmechanismen.
Ein weiteres Problem, das sich offenbarte: Ist das Tablet angedockt, tendieren viele Geräte dazu, die Balance zu verlieren und nach hinten zu kippen. Im Gegensatz zum Tablet sind die Tastaturen meistens aus Plastik und wirken im Vergleich zum angedockten Tablet billig. Der Schreibkomfort ist ebenfalls eingeschränkt. Schließlich stellt sich die simple Frage, warum man nicht einfach ein Keyboard via Bluetooth anschließt, da dies insgesamt wohl günstiger ist.
Zwei Displays
Ein weiterer Ansatz, der verfolgt wird, um die zwei Welten zu vereinen: Im Deckel eines klassischen Notebooks zwei Displays zu integrieren. Von der einen Seite sieht es wie ein herkömmliches Notebook aus, auf der Hinterseite prangt der zweite Screen. Im Normalbetrieb kann man dem Gegenüber beispielsweise etwas vorführen - Eine App fürs Schiffe-Versenken ist insofern auch nur eine Frage der Zeit. Klappt man den Deckel zu, hat man ein Tablet. Samsung und Asus haben auf der IFA solche Modelle gezeigt. Dabei überrascht, wie dünn die Geräte ausgefallen. Dass zwei Schirme im Deckel sitzen, fällt kaum ins Gewicht.
Die Kombination wirkt auf den ersten Blick bizarr, aber vielversprechend. Nachdem man etwas Zeit mit den Geräten verbracht hat, offenbaren sich jedoch einige Probleme. So wie bei den Sildern sind die Geräte im Tablet-Modus eigentlich zu groß, um sie bequem in der Hand zu halten. Ob der fehlenden Mechanik, sind sie aber immerhin leichter. Im Gegensatz zu den Slidern und den Tastatur-Dock-Kombis geht im zugeklappten Modus außerdem die Tastatur verloren. Dies stört, da etwa beim Samsung-Modell der „normale" Bildschirm auf der Innenseite nicht Touch-fähig ist. Schließlich stellt sich die nicht unwesentliche Frage, wie viel Akkuleistung man aufgrund des zweiten Displays einbüsst.
Hier macht die Lösung von Lenovo noch am meisten Sinn: Die Chinesen haben den Displaydeckel eines klassischen Notebooks so konstruiert, dass er um fast 360 Grad gedreht werden kann. Die Lösung wirkt im Vergleich zu den anderen Konzepten extrem banal, bringt es aber auf den Punkt.
Mehr Auswahl für mehr Verwirrung
„Es gibt nun viele Formfaktoren, die unterschiedlichen Anforderungen gerecht werden. Konsumenten haben nun noch mehr Auswahl", sagt Intel-Manager Lamprechter zur futurezone. Ob die Hybrid-Offensive den Geschmack der Konsumenten treffen wird, ist aber weiter fraglich. Hantiert man zum Vergleich mit den neuen, normalen Ultrabooks mit Touchscreen, beginnt man ebenfalls die Daseinsberechtigung der Hybride in Frage zu stellen.
Apple könnte also Recht behalten. Angesprochen auf Convertables sagte Tim Cook Anfang dieses Jahres: "Man kann natürlich einen Toaster mit einem Kühlschrank verschmelzen, nur wird der User damit nicht zufrieden sein." Wenn man zwei unterschiedliche Dinge zusammenführe, müsse man zu viele Komprisse eingehen, argumentierte der Apple-Chef.
Die vorgestellten Versuche zeigen, wie ratlos die Hersteller aktuell sind. Mitunter kann die Unentschlossenheit aber auch an Windows 8 liegen. Denn im Gegensatz zu Android und iOS sind Tastatur und Maus für die uneingeschränkte Bedienung weiterhin notwendig. Umso mehr darf man mit Spannung auf Microsofts Surface-Vorstoß warten, um zu sehen, ob Microsoft das Konzept noch mehr als zehn Jahren endlich verkaufen kann.
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