100 Tage Akku: Warten auf die Handy-Revolution
Das neue Jahrtausend bescherte der Menschheit die größte Computerrevolution der noch jungen Technologiegeschichte. Ungeachtet des Formfaktors können es Smartphones von ihrer Rechenleistung und anderen verbauten Komponenten her längst mit herkömmlichen Stand-PCs oder Notebooks aufnehmen. Mehr noch – eine Vielzahl an Sensoren sorgt dafür, dass die Anwendungsszenarien in vielerlei Hinsicht weit über den ursprünglichen Einsatz von Computern hinausgehen.
Die spannende Frage ist, was jetzt kommt. Wie wird das Handy der Zukunft aussehen? Wie werden wir es benutzen? Manche Forscher rechnen damit, dass das Gerät komplett verschwinden wird und als Hightech-Kontaktlinse oder gar als Implantat im Gehirn mit uns und unserem Körper eins wird. Vor allem in der Medizin wird in Richtung Computer-Hirn-Schnittstelle kräftig geforscht und entwickelt. Schon jetzt können etwa Hand- und Fußprothesen relativ granular über Implantate von Menschen bewegt und gesteuert werden.
Leidiges Akku-Thema
Im Massenmarkt sind zunächst freilich weit profanere Dinge zu lösen. „Bei all den erzielten Fortschritten hat sich die wiederholt angekündigte Akku-Revolution außerhalb des Labors leider nie erfüllt. Nach fünf Jahrzehnten Forschung stecken wir immer noch bei den Lithium-Ionen-Akkus als primärer Technologie fest“, erklärt Erik Sonnleitner, Professor an der FH Oberösterreich in Hagenberg, im futurezone-Interview.
Ob das Handy der Zukunft tatsächlich nur einmal alle 100 Tage aufgeladen werden muss, wie es visionären Querdenkern vorschwebt, ist mehr als ungewiss. „Es gibt schon jetzt gute Ansätze. Aber je mehr Energie in so einem Träger gespeichert wird, desto drastischer sind naturgemäß die Auswirkungen, wenn etwas schiefgeht – Stichwort entflammende Handyakkus“, gibt Sonnleitner zu bedenken.
In naher Zukunft werde es daher wohl eher in Richtung ultraschnelles Aufladen gehen, woran auch die Autoindustrie intensiv forsche. „Wenn man das Handy künftig in wenigen Minuten oder gar Sekunden wieder aufladen kann, wird auch das Kapazitätsproblem zweitrangig“, erklärt Sonnleitner.
Strom über die Luft
Ein ebenfalls spannender Ansatz, der in den kommenden Jahren Marktreife erlangen könnte, ist das drahtlose Aufladen von Akkus. Induktive Ladestationen, über die Handys ohne Kabelverbindung aufgeladen werden, werden bereits von einigen Herstellern angeboten. In Zukunft könnte das Aufladen aber völlig ungebunden über gerichtete Infrarotstrahlen oder Magnetfelder stattfinden.
Ist in der eigenen Wohnung oder im Büro ein Ladespot an der Decke installiert, müsste man sich folglich nie mehr Gedanken machen, wo die nächste Steckdose für das Smartphone zu finden ist, so die Theorie. „Auch diesbezüglich gibt es schon einige interessante Ansätze. Die Stromquelle muss erkennen, wo sich das Gerät befindet und zielgerichtet einen Strahl senden – natürlich ohne, dass sich dazwischen ein anderes Objekt oder auch eine Person befindet“, sagt Sonnleitner.
Faltbare Bildschirme
Wohin die Reise beim Display geht, ist ebenfalls unklar. Seit mehreren Jahren geistern Prototypen von biegbaren Displays herum. In regelmäßigen Abständen versprechen Hersteller, dass sich der Handybildschirm künftig ausrollen oder zusammenfalten lässt, je nachdem, ob man mehr Displayfläche braucht oder das Gerät wieder in der Hosen- oder Handtasche verstauen möchte.
Gereicht hat es bisher maximal zu Displaygehäusen, die an den Ecken und Kanten abgerundet sind. Abgesehen davon, dass durch biegbares Material die Displaygröße flexibel vom Nutzer verwendet werden könnte, würden roll- und biegbare Innenkomponenten völlig neue Möglichkeiten bei Formfaktor und Gerätedesign bieten.
Auf der diesjährigen CES in Las Vegas wurden jedenfalls entsprechende Prototypen vorgestellt: LG hat etwa einen OLED-Flat-TV gezeigt, der sich wie eine Leinwand aus- und einrollen lässt. Auch Samsung hat auf der Elektronikmesse sein Galaxy X, das Smartphone mit faltbarem Display den Besuchern gezeigt.
„Die Frage rund um flexible Displays ist und war auch immer, was denn eigentlich ein sinnvolles Anwendungsszenario dafür wäre. Die logische Weiterentwicklung führte unsere Forschungsgruppe zu drucksensitiven Textilien, die neue Interaktionsmöglichkeiten bieten, mit denen beispielsweise das Smartphone bedient werden kann“, erklärt Michael Haller, Leiter des Media Interaction Lab in Hagenberg, im Gespräch mit der futurezone.
Textile Elektronik
Ein Schwerpunkt seiner Forschungsarbeit sind derzeit smarte Textilien. Ziel ist es, neben Touchscreen und Sprachsteuerung eine weitere Option zu schaffen, um Geräte mit einfachen Gesten bedienen zu können: Sei es, beim Skifahren einen Anruf entgegenzunehmen, indem man mit der Hand über die Oberfläche des Skianzugs streift, oder den Musikplayer beim Joggen zu steuern, indem man am T-Shirt zupft.
Auch Spezialeinheiten der Polizei suchen nach Kommunikationsmöglichkeiten, wenn Sprache tabu ist und Gesten aufgrund von Seheinschränkungen wenig praktikabel sind. Hier zeigen smarte Textilien einen neuen Weg auf.„Ich war als Informatiker selbst überrascht, wo textile Materialien neben der Kleidung überall vorkommen – vom Formel-1-Tank bis zu den Matten, die bei Schienen als Dämmung unterlegt sind“, sagt Haller.
"Statte ich ein Lenkrad mit smartem Textil aus, kann das Auto warnen, wenn der Fahrer nur mehr einen oder keinen Finger zum Lenken verwendet. Über Drucksensoren, die in den Stoff des Autositzes eingewoben sind, kann man die Sitzposition des Fahrers messen. Ist dieser übermüdet oder schläft ein, kann der Sitz das über die veränderte Körperspannung oder die Gewichtsverlagerung erkennen und Sicherheitsmaßnahmen einleiten.“
3D-Displays und Hologramme
Ein Klassiker, der sich seit Jahrzehnten durch Science-Fiction-Produktionen Hollywoods zieht, sind Hologramme. Geforscht wird einerseits an Projektionsmöglichkeiten, die Display-Inhalte dreidimensional darstellen können. Spannend sind auch innovative Ansteuerungsmöglichkeiten der Oberfläche, über die diverse Texturen emittiert werden können.
Lassen sich einzelne Pixel um einige Mikrometer nach oben oder unten verschieben, könnte man etwa dreidimensionale Brailleschrift für Blinde auf dem Handydisplay generieren oder Materialien, die auf einem Bild zu sehen sind, tatsächlich erfühlbar machen.
Verbesserte Sprachsteuerung
Große Fortschritte erwartet sich Mobile-Computing-Experte Sonnleitner bei der Sprachsteuerung: „Das syntaktische Verständnis, also, welches Wort oder welcher Satz formuliert wurde, ist schon sehr gut. Bei der Interpretation des Gesagten, dass der Sprachassistent etwa versteht, was ich abseits von vorgefertigten Szenarien wirklich von ihm möchte, stehen wir allerdings erst am Anfang.“
Offene Entwicklerschnittstellen, mit denen solche Assistenten trainiert werden können, aber auch Algorithmen, die mittels künstlicher Intelligenz das vorhandene Datenmaterial auswerten, führten hier zu wesentlichen Verbesserungen, ist Sonnleitner überzeugt.
Ende des Passworts
Ein neues Zeitalter könnte auch beim Thema Authentifizierung anbrechen. „Passwörter und PIN-Code haben ein Ablaufdatum. Es geht eher in die Richtung, dass das Gerät ständig während der Bedienung prüft, ob es sich um den eigentlichen Nutzer handelt. Das kann über einen Fingerprint-Sensor sein, der im Display integriert ist, aber auch über Sprach- und Gesichtserkennung, wenngleich die Überlistungsmöglichkeiten diesbezüglich heute noch zu groß sind“, erklärt Sonnleitner.
Ein anderer Ansatz geht in die Richtung, dass man vom täglichen Nutzungsverhalten auf die Identität des Nutzers rückschließen kann. „Wie ein Nutzer etwa die Tastatur, aber auch den Touchscreen am Handy verwendet, ist überraschend einzigartig. Ziel ist es, dass ein User authentifiziert wird, ohne dass er aktiv etwas zutun muss.“